Verkündigung in SprechblasenGekünstelt, verstaubt, blutleer: So schimpfen Kritiker über die Sprache der Kirche.
Mehr noch: Sie verstecke sich hinter Formeln und vertusche Hierarchie und Gewalt.
Unterwegs im Wortdickicht von Predigten und Strategiepapieren. |
Ich habe es versucht. Nüchtern, sachlich, faktenbasiert sollte dieser Text sein. Aber als Journalistin mit Liebe zur Sprache und zur Kirche kann man nur persönlich formulieren, wenn es um die Sprache der Kirche geht. So möchte ich also meine Beobachtungen mit Ihnen teilen, behutsam und achtsam auf die Dinge schauen und auf Augenhöhe mit Ihnen ins Gespräch kommen. Genau, da geht’s schon los.
Wirklich auf Augenhöhe?
Erste Beobachtung: Die Sprache der Kirche simuliert eine Nähe, Weichheit und Sinnlichkeit, die nicht nur unehrlich, sondern auch hohl ist. „Kaum ein Wort ist so beliebt bei Kirchens wie ‚auf Augenhöhe‘“, notieren die beiden Journalisten Jan Feddersen und Philipp Gessler in ihrem Buch „Phrase unser“. „Gerade in der katholischen Kirche behauptet man damit einen Dialog auf Augenhöhe, den es nicht gibt. Es gibt fast immer ein klares Oben und ein ebenso klares Unten.“ Dazu passen auch die verschwurbelten Sätze, hinter denen sich der Redner (und oft auch die Rednerin) versteckt. „Die Rolle der Frau ist nach meinem Begriff, das habe ich oft genug gesagt, die entscheidende Zukunftsfrage, und eine Öffnung in die Dienste und Ämter hinein muss diskutiert werden“, versichert Georg Bätzing. Der Bischof von Limburg ist in der Klemme, und das hört man: Da ist die kirchliche Lehre auf der einen und die Erwartungen vieler Gläubiger auf der anderen Seite. Um niemanden zu frustrieren, bleibt verbal alles offen. Und das ist einfach nur: unehrlich.
Der Theologe Hermann Häring fordert in einem Vortrag bei „Wir sind Kirche“ das konsequente Handeln der Bischöfe ein: „Wer in aktuell umstrittenen Fragen dezidiert keine eigene Meinung hat, sollte zurücktreten und für meinungsstarke Mitchristinnen und Mitchristen Platz machen.“ Leicht gesagt. Klare Ansagen haben auch klare Folgen. In einer gespaltenen Kirche – und ja, ich glaube, dass die Gräben inzwischen sehr tief sind, auch wenn immer noch alle eingeladen sind – können nicht alle mitgenommen werden. Es werden auch gar nicht alle mitwollen. Dem Mann aus Nazaret war das ziemlich klar. „Wer kann das anhören“, protestierten die Jünger. Heutige „Follower“ würden ihm zu einem moderateren Sprachstilraten, zu „Verkündigung auf anderen, neuen Wegen, mit allen Menschen guten Willens, um gemeinsam auf die Bedürfnisse der Zeit zu hören, darauf Antworten zu geben und so Reich Gottes zu gestalten.“ Was er – Gott sei Dank – schon damals ignorierte…
Viele scheitern an der Sprachbarriere
Wenn man von Jesus spricht, kommt man an der Sprache der Liturgie nicht vorbei. Auch die verwendet Wörter, die heute kaum noch jemand versteht. Erklären Sie mal Ihrem Enkelkind „gebenedeit“ oder „Leib“… Pater Stefan Maria Huppertz kennt dieses Problem. Der Kapuziner hat im Liebfrauenkloster Frankfurt eine „Messe in Leichter Sprache“ entwickelt. „Es handelt sich wirklich um Übersetzungsarbeit. Viele Menschen, die mit uns Gottesdienst feiern, scheitern an der Sprachbarriere. Für echte Communio, für eine Feier von Schwestern und Brüdern kaum zu ertragen.“ Das Vorbereiten der Predigt dauert jetzt fünf Mal so lang. Nicht banal und trotzdem verständlich, das sei die große Herausforderung. In manchen Gottesdiensten hoffe ich, dass Gott verstanden hat, wozu ich eben Amen gesagt habe. Ich hab’s nämlich nicht kapiert. „Allmächtiger und barmherziger Gott, leite und stärke uns durch deinen Geist, damit wir immer das Leiden Jesu an unserem Leibe tragen, dann wird auch sein Leben an uns offenbar werden.“ Was heißt denn das? Und ist das das, was ich heute ins Wort bringen möchte?
Meine Hoffnungen konzentrieren sich dann auf die Fürbitten, sie stellen, so möchte es das Liturgische Institut, eine Verbindung zwischen Leben und Gottesdienst her. „Möge …“ beginnt die Lektorin. Kennen Sie irgendeinen anderen Ort, an dem man „möge“ sagt? „Mögest du, meine geliebte Tochter, heute alle Lösungen in deiner Mathearbeit kennen und im Vertrauen auf dein Wissen in diese Prüfung gehen, in der ich dir in Liebe ganz nah sein werde!“ Das Gesicht meiner Tochter sehe ich schon vor mir … Natürlich ist liturgische Sprache das Gegenteil von Daten, Zahlen und Fakten. Sie ist, wie der Grazer Liturgiewissenschaftler Bert Groen schreibt, „eine Sprache der Visionen, Bilder und Gleichnisse, die Sprache des Betastens und der Rührung, die Sprache der Sehnsucht und des Verlangens, eine verletzbare Sprache.“ Kurz gesagt: Poesie. Ich finde das gut. Es gibt ein Vokabular für die Tagesschau und eines fürs medizinische Labor. Es gibt auch eine Sprache für die Liebe und das Geheimnis. So müsste Liturgie klingen. Und trotzdem muss sie anknüpfen an die Lebenswirklichkeit der Menschen. Denn sonst kommt meine Realität nicht ins Wort und nicht vor den Herrn.
Konkret und einfach reden
Erstkommunionkinder, die nie mit ihren Eltern zusammen essen, fühlen sich nicht gemeinsam an den Tisch des Herrn geladen. Wer mit einer Krebsdiagnose oder einer Kündigung in der Kirchenbank sitzt, keinen Kontakt mehr zu den Enkeln hat oder mit der Angst vor der Zukunft kämpft, erkennt wahrscheinlich gar nicht, dass er oder sie mitgemeint ist bei „Für alle, die in Bedrängnis sind: Dass sie durch dich Trost und Hilfe erfahren.“ Das fördert die vielbeklagte Sprachunfähigkeit der Christen, wenn es um ihren Glauben geht. Wer von den Prediger-Profis redet denn so stockend, unsicher und fehleranfällig wie ich von dem, was ich glaube? Ich bin Laiin –und habe gelernt zuzuhören (und lange Jahre auch: einfachhinzunehmen...). Jetzt soll ich kraft der mir eigenen Berufung in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes suchen.
Konkret und einfach reden (und so auch beten), darin steckt eine Riesenchance, wieder Brücken zu bauen zum anderen hin. Denn wer nicht doziert, sondern von eigenen Erfahrungen, Glücksgefühlen, Hoffnungslosigkeiten spricht, wird vielleicht eher gehört. Und hoffentlich so, wie es die jungen Leute ausdrücken: „Respekt, Bruder!“ Es würde – nächste Beobachtung – auch die mitnehmen, die nicht so gebildet, sprachgewandt oder auch nur deutschsprachig sind wie ich. Kirchliche Dokumente strotzen von Formulierungen, die man zweimal lesen muss, um zu verstehen, was gemeint ist. „Diesen Traditionsbestand können die (Erz-)Bistümer somit noch bewusster als ein katholisches Charakteristikum hinsichtlich gelebter Schöpfungsspiritualität herausstellen und als eine religiöse Motivationsquelle für das Praxisengagement von Christinnen und Christen fruchtbar machen.“ Auf deutsch gesagt: Wallfahrten, Wettersegen und ähnliches sind toll, weil sie uns in der Natur Gott erfahren lassen.
Dazu könnten dann auch Kinder etwas sagen, Menschen mit Behinderung und Nicht-Kirchgänger. Also alle, die wir im Blick haben sollten. „Spracherneuerung“, da sind sich die Journalisten Gessler und Feddersen mit dem Theologen Häring einig, „geht aller Kirchenentwicklung voraus.“ Stimmt. Weil wir mit dem Verzicht auf die Sprechblasen auch unsere Lebens-Blasen verlassen: die Blase der Kerngemeinde, in der jeder weiß, was Kirchensprech meint. Die Blase der Gebildeten, die so viele mit ihren kostbaren Erfahrungen ausschließt. Die Blase der Abgesicherten, die Armut, Missbrauch und Ausgrenzung nie erlebt hat. Es könnten sich ungeahnte Chancen fürs Im Heute glauben ergeben.
Von Christina Brunner; Foto: istockfoto.com
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