Wohin die Spenden fließenDer Artikel Durchblick im Spenden-Dschungel in aktuellen kontinente-Magazinweist Wege durch den wenig überschaubaren Blätterwald an Spendenwerbung. Wie und wo die Spenden konkret zum Einsatz kommen, erklären missio und zwei Ordensgemeinschaften. |
missio Aachen
Das Internationale Katholische Missionswerk missio Aachen besteht seit über 185 Jahren und ist heute ein weltweites Netzwerk der Hilfe. Schwerpunkte der Projektarbeit liegen in Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten, Asien und Ozeanien. 2019 arbeitete missio in 946 Projekten mit der jeweiligen katholischen Ortskirche zusammen und konnte Dank Spenden rund 47,4 Millionen Euro dazu beitragen, die Lebensgrundlagen der Menschen zu sichern und zu verbessern. Im kontinente-Interview berichten Länder-Referentin Anne Knörzer und die Leiterin der missio-Spenderkommunikation Katja Heidemanns von der Verteilung der Gelder und der konkreten Arbeit vor Ort.
Bevorzugt missio freie oder zweckgebundene Spenden?
Für beides sind wir sehr dankbar. Wenn Menschen ohne Zweckbindung spenden, ist das ein großer Vertrauensbeweis. Ohne freie Spenden wäre die pastorale Arbeit vor Ort oft nicht möglich. Nur so können wichtige Projekte, wie die Ausbildung von Ordensschwestern, finanziert werden, die sonst nur wenige Spenden erhalten. Zweckgebundene Spenden zeigen uns, was den Menschen am Herzen liegt. Manchmal gehen mehr Spenden als nötig für einen bestimmten Zweck ein. In diesem Fall bitten darum, das Geld auch für andere Projekte einsetzen zu dürfen.
Wie steht missio zu Patenschaften?
Patenschaften können die Verbundenheit mit einer Person oder einem Anliegen ausdrücken und erlebbar machen. Darin liegt eine Chance, aber auch die Gefahr, Abhängigkeiten zu schaffen. Um das zu vermeiden, bietet missio keine individuellen Kinderpatenschaften, sondern Ausbildungspatenschaften und Patenschaften für ausgewählte Projektpartnerinnen an. Dennoch entwickelt sich oft eine Verbundenheit, die über die finanzielle Förderung hinaus auch eine geistliche Dimension hat.
Welche Kriterien müssen bei einem Projektantrag erfüllt sein, damit Spendengelder fließen?
missio fördert pastorale Projekte der lokalen Kirchen in Afrika, Asien und Ozeanien. Dazu gehören auch soziale Projekte, wenn dadurch christliche Werte gelebt werden. Voraussetzung ist, dass der Bischof vor Ort oder die Ordensoberen den Antrag befürworten. So ist sichergestellt, dass diese wissen, was in ihrem Bereich geplant und durchgeführt wird. Wichtig ist eine übergeordnete Planung. So vermeidet man einzelne Maßnahmen, die nachher wirkungslos bleiben, weil sie nicht vernetzt und nachhaltig sind.
Wenn möglich, sollen sich missio-Projektpartner mit einem Eigenanteil beteiligen. Welche Motivation steckt dahinter? In welcher Form können Empfänger mitbestimmen, wie Projekte aufgestellt und umgesetzt werden?
Die Eigenleistung garantiert uns, dass sich die Empfänger verantwortlich fühlen. missio finanziert kaum noch Kapellen, weil die Gebäude besser gepflegt und erhalten werden, wenn sie von der Gemeinde selbst errichtet wurden. Die Realisierung größerer Bauten ist allerdings in unseren Partnerländern ohne finanzielle Unterstützung von außen nicht möglich. Können Partner von vornherein nichts beisteuern, können auch Unterhalt und Betrieb nicht gewährleistet werden. Dann wird der Antrag abgelehnt.
Zurückgehende Einnahmen zwingen zur Fokussierung auf bestimmte Projekte und Regionen: Welche sind das?
Viele Projektpartner befinden sich in so armen Regionen der Welt, dass auch auf längere Sicht keine finanzielle Unabhängigkeit zu erwarten ist. Auch ist die Zahl der Katholiken oft zu gering und sie sind zu arm, als dass sie ihre Kirche finanzieren könnten. Durch unsere Projektförderung entstehen zwar in gewisser Weise Abhängigkeiten, aber ohne sie würde die Pastoralarbeit erheblich erschwert.
Wie identifiziert missio besonders bedürftige Regionen und Diözesen?
Grundsätzlich haben Länder Priorität, die im Human Development Index als „least“ und „low developed countries“ aufgeführt sind. Ebenso Länder, in denen Christen verfolgt und unterdrückt werden. Jedes Land hat Policies, also eigene Vergaberichtlinien, die immer wieder angepasst werden und dafür sorgen, dass die begrenzten finanziellen Mittel gezielt und effektiv eingesetzt werden. Durch E-Mails und wechselseitige Besuche versuchen die Länderzuständigen einen guten Kontakt zu ihren Projektpartnern zu halten und sich vor Ort Einblick zu verschaffen. Es geht um Partnerschaften auf Augenhöhe, denn missio möchte auch von den lebendigen Partnerkirchen lernen.
Missionsärztliche Schwestern und Comboni-Missionare
Die Kongregation der Missionsärztlichen Schwestern (MMS) wurde 1925 von der österreichischen Ärztin Anna Dengel in den USA gegründet. Heute sind mehr als 500 Missionsärztliche Schwestern und etwa 100 Assoziierte Mitglieder unter anderem tätig in Indien, Indonesien, Äthiopien, Ghana, Peru, den USA, England, den Niederlanden und Deutschland. In den südlicheren Ländern liegt das Engagement vor allem im Gesundheitsbereich in Deutschland engagieren sich die MMS für Menschen am Rande der Gesellschaft, erzählt Schwester Mariotte Hillebrand.
Die Männergemeinschaft der Comboni-Missionare wurde 1867 von Daniele Comboni in Italien gegründet. Heute setzen sich Comboni-Missionare ein für Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen, Waisen- und Straßenkinder, für Behinderte und Kranke sowie für Flüchtlinge. Die Hilfsprojekte verfolgen den Ansatz Hilfe zur Selbsthilfe. Durchgeführt werden überschaubare Maßnahmen, bei denen die Betroffenen selbst mitplanen, anpacken und mitverantworten, wie Pater Reinhold Baumann berichtet.
Für welche Projekte sammeln Sie überwiegend und warum gerade für diese?
MMS: Unsere Projekte folgen einem ganzheitlichen Verständnis von Heil und Heilung. Im Fokus steht die Gesundheitsförderung, vor allem von Frauen und Kindern oder von Menschen am Rand unserer Gesellschaft. Wir engagieren uns für soziale Gerechtigkeit, für Bildung und den Zugang zu natürlichen Ressourcen. Wir treten ein für die Rechte von Indigenen, von Wanderarbeitern oder die Opfer von Menschenhandel. Auch die (Sozial-)Pastoral, die Bewahrung der Schöpfung und Hilfe für Opfer von Katastrophen oder politischer Verfolgung finden sich weltweit in unseren Projekten wieder.
COMBONIS: Unsere sozialen Projekte legen ihren Fokus auf Gesundheit, Schul- und Weiterbildung. Wir leisten zudem konkrete Nothilfe, wie jetzt in der Corona-Pandemie, bei Naturkatastrophen oder in Bürgerkriegen. Wir richten uns nach den Bedürfnissen und Erwartungen vor Ort. Die Missionare analysieren dort mit den Menschen die Situation und entscheiden über den Bedarf. Pastorale Projekte finden bei Spendern weniger Anklang als soziale Projekte, sind aber auch wichtig, um etwa in neu entstandenen Armenvierteln eine Gemeindeinfrastruktur aufzubauen.
Ein Beispiel ist das Studierendenwohnheim in Ghana, ein so genanntes „Income Generating Project“. Es wurde zunächst mit einer Anschubfinanzierung unterstützt, mit dem Ziel, im Laufe der Zeit mehr Einnahmen als Ausgaben zu generieren.
COMBONIS: Die Comboni-Missionare setzen auf nachhaltige, ressourcen- und umweltschonende Projekte, die von Menschen vor Ort (mit-)getragen oder auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Sie sollen nicht in Konkurrenz zu staatlichen oder kommunalen Projekten stehen und überwiegend dem ärmeren Teil der Bevölkerung zugutekommen. Träger der Projekte sind nicht die Comboni-Missionare, sondern die Ortskirche oder die Caritas, Kolping oder ähnliche Initiativen. Größere Projekte entstehen meist zusammen mit Hilfswerken. Am besten sind Anschubfinanzierungen von Projekten, bei denen eine Übernahme abzusehen ist.
Wo ist es gelungen, Projekte in die Hände von Einheimischen zu geben, die fortan sowohl inhaltlich als auch finanziell verantwortlich sind?
MMS: Zum Beispiel bei Krankenhäusern in Afrika und Pakistan und auch bei vielen Projekten mit Anschubfinanzierung, etwa im Bereich der weltweiten Mikrokredite oder der Obdachlosenarbeit in Deutschland oder Großbritannien. Oft engagieren sich Missionarinnen zunächst ehrenamtlich, bis eine Stelle finanziert werden kann. Ein Beispiel ist ein Nachhilfeprojekt in einem sozialen Brennpunkt, das an ein Team aus überwiegend Ehrenamtlichen übergeben wurde.
COMBONIS: Normalerweise werden Projekte an die Diözese oder die Kommune vor Ort übergeben. Oft gibt es dann erst einmal finanzielle, strukturelle oder personelle Schwierigkeiten. Aber in der Regel lassen sich diese überwinden. Ein Beispiel ist das Krankenhaus St. Rita in Südafrika. Es wurde vor etwa sechzig Jahren besser von einem deutschen Arzt gegründet, später verstaatlicht und umfasst heute über 600 Betten. Manche Projekte sind nach dem Weggang der Missionare im Sand verlaufen oder auf ein niedrigeres Niveau heruntergefahren worden. Aber selbst diese haben zuvor Hunderten, oft Tausenden von Menschen geholfen oder Kindern einen guten Start ins Leben ermöglicht.
Aus welchen Bereichen haben Sie sich zurückgezogen, weil Ihr Engagement dort nicht mehr so nötig war wie zu Beginn der Mission, und welche neuen Schwerpunkte haben sich möglicherweise aufgetan, für die nun Spenden benötigt werden?
MMS: Bis in die 1980er-Jahre hinein lag der Schwerpunkt in Deutschland auf der Jugendarbeit. Nach und nach entstanden neue Aufgabenbereiche: Arbeit mit Randgruppen oder mit Opfern von Menschenhandel, Armutsmedizin, politische Zusammenarbeit und Vernetzung. Zudem hat der Wunsch nach Spiritualität und die Sinnsuche vieler Menschen in der westlichen Welt entsprechende Angebote in den Kommunitäten entstehen lassen.
Ein Projekt in Ghana zeigt auch, wie sich unsere Arbeit weltweit fortentwickelt. In den Neunzigerjahren entstanden dort HIV-Aufklärungsprogramme und Kommunikationstrainings für Pflegepersonal. Staatliche Kampagnen setzten damals nur auf Wissen und Abschreckung, aber in unseren Kursen befassten sich PflegerInnen mit eigenen Vorurteilen und Ängsten und lernten, angemessen mit Betroffenen zu sprechen. Später entwickelten sich daraus Kurse für Teenager zum Thema Sexualität und schließlich ein Kursangebot zu sexuellem Missbrauch, bis dahin noch ein Tabu-Thema in Ghana.
Innerhalb der Gemeinschaft der Comboni-Missionare unterstützen europäische Provinzen die afrikanischen oder lateinamerikanischen Provinzen finanziell, etwa für die Ausbildung ihrer jungen Mitglieder.
Wie kann Unterstützung über das reine „Geld spenden” hinaus aussehen? Was wäre wünschenswert?
MMS: Wir freuen uns über ehrenamtliche, freiwillige Mitarbeit, etwa im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder des Bundesfreiwilligendienstes. Auch Öffentlichkeitsarbeit und Berichterstattung über unsere Arbeit sind uns ein Anliegen. Wir möchten den Zusammenhang zwischen Mission und Spiritualität erfahrbar machen. In unserem Engagement lernen wir von Menschen, mit denen wir unterwegs sind und die auf den ersten Blick „arm“ und „bedürftig“ sind, aber dann zu LehrmeisterInnen werden. Darüber mit anderen ins Gespräch zu kommen, ist aus unserer Sicht bereichernd und wünschenswert.
COMBONIS: Die Missionare verkünden das Evangelium vom Reich Gottes. Dieses Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens unterstützt auch, wer in Weltläden einkauft, sich in der Friedensarbeit engagiert, umweltbewusst und klimagerecht lebt oder biologisch hergestellte regionale Lebensmittel isst. Jeder kann in seinem eigenen Umfeld Einfluss nehmen auf die öffentliche Meinung, kann Flüchtlingen helfen, sich interessieren für das, was in der Welt passiert. Junge Leute können als MissionarInnen auf Zeit (MaZ) Erfahrungen sammeln. Es geht vor allem darum, Anteil zu nehmen am Los der Menschen und im zweiten Schritt konkrete Hilfen in unterschiedlichen Formen zu leisten.
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Interview: Eva-Maria Werner und Janina Mogendorf; Fotos: picture alliance/imageBROKER, picture alliance/Westend61 und picture alliance/Frank May
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Der Film erzählt von Schwester Marie Catherine im Niger, die zur Versöhnung von Muslimen und Christen im ärmsten Land der Welt beiträgt. |
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