Kleine Schwester, große WäscheKatharina Ruth ist Doktorin der Theologie und Expertin für christlich-muslimischen Dialog.2014 trat sie bei den Kleinen Schwestern Jesu ein und arbeitet heute in einer Groß-Wäscherei. Warum sie diesen Schritt nicht bereut und was ihr zu schaffen macht, erzählt sie in kontinente. |
Ich arbeite in der Abteilung, wo wir Hotel- und Tischwäsche für Restaurants waschen. Manchmal stehe ich an der großen Bügelmaschine an der Abnahme, also dort, wo die fertig gefaltete Wäsche rauskommt. Das ist eigentlich der anstrengendste Arbeitsplatz, weil man die Stücke so nehmen muss, wie sie von der Maschine kommen. Man kann nicht im eigenen Tempo arbeiten, sondern im Takt der Maschine und der Kolleginnen, die auf der anderen Seite die Teile eingeben. Wenn man zu langsam ist, steht das Band und dann irgendwann die Maschine. Stapelweise kommen die Bettlaken und Bezüge, ich muss immer zehn zusammen in die Container räumen und dann wieder neue Container holen gehen, und nebenbei kommen auf einem zweiten Band Kopfkissen… Es ist sehr stressig.
Jemand muss diese Arbeit ja machen!
Oft arbeite ich auch auf der unreinen Seite, sortiere und zähle die schmutzige Tischwäsche. Das ist weniger anstrengend, aber nicht immer besonders appetitlich. Die Arbeit dort ist daher auch nicht sehr beliebt bei uns, aber mir macht es nicht viel aus: Jemand muss diese Arbeit ja machen! Was ich dagegen nur schwer aushalte: Dass unsere Arbeit so schlecht belohnt und von der Gesellschaft überhaupt nicht wahrgenommen wird.
Ich selber hab mir früher in einem Restaurant nie Gedanken gemacht, wo die Tischdecke gewaschen wird oder wer die Mundservietten gefaltet hat. Das sind unsichtbare Arbeitsbereiche, über die niemand redet. Dabei sind es hochkomplexe Abläufe: So viel muss ineinandergreifen, damit die Wäsche am Ende sauber und zusammengelegt beim richtigen Kunden ankommt. Wir waschen ja Tonnen von Wäsche jeden Tag…
Da möchte ich ihnen wenigstens meine Aufmerksamkeit schenken, sie als Personen sehen, ihnen und ihrer Arbeit Wertschätzung entgegenbringen. Und ich hoffe, dass so manchmal etwas von Gottes liebevollem Blick auf jede und jeden einzelnen durchscheint. In diesem Sinn sehe ich meine Arbeit in der Wäscherei als Mission, als Sendung. Manchmal entspinnen sich ja sogar Glaubensgespräche mitten zwischen Bergen von Wäsche, aber das ist gar nicht die Hauptsache. Es ist eher so, wie es Papst Franziskus gesagt hat: Jeder ist eine Mission! Mein Leben soll von Gott erzählen – so wie ich mir vom Leben meiner Kolleginnen und Kollegen und von ihrer Freundschaft etwas von Gott erzählen lasse.
Meine Arbeit als Wissenschaftlerin in Istanbul zu verlassen, war mir nicht schwer. Auch wenn ich mich mit Begeisterung für den Dialog engagiert habe, war ich nicht 100-prozentig ausgefüllt. Es hat mich sehr zu den einfachen Leuten gezogen, die nie eine Dialogkonferenz besuchen würden. Überhaupt war ich auf der Suche, was meine Lebensgestaltung angeht. Als ich dann die Kleinen Schwestern kennengelernt habe, hatte ich sofort das Gefühl: Das ist mein Platz!
Lesen Sie aus der Rubrik Meine Mission auch Der Marathon-Pater
Der Dialog geht hier weiter
Alles, was ich jemals gelernt habe in der Theologie, habe ich ja nicht weggeschmissen. Das ist im Hintergrund da, und es ist mir eine Quelle für meinen Alltag. Der Unterschied ist vielleicht, dass ich mir früher selbst ausgesucht habe, wem meine Talente, mein Können zugutekommen. Jetzt lasse ich mich von Gott an einen Platz stellen und alles, was ich bin, kommt den Menschen zugute, mit denen ich zusammen bin. Ohne, dass ich danach gesucht hätte, habe ich übrigens viele muslimische Kolleginnen und Kollegen. Der Dialog geht also weiter!
Ich habe in der Wäscherei angefangen zu arbeiten, ohne groß zu erzählen, dass ich Ordensschwester bin. Aber bald kommen die Fragen: Woher kommst du, bist du verheiratet, hast du Kinder? Mittlerweile haben ziemlich viele verstanden, dass ich Ordensfrau bin. Einige können was damit anfangen, andere überhaupt nicht. Manchmal kriege ich Kritik an der Kirche zu hören, aber die ist nicht gegen mich als Person gerichtet. Bei vielen der Kritikthemen kann ich aus vollem Herzen sagen, dass ich das auch ganz schlimm finde. Auch das tut den anderen gut: zu merken, dass sie in ihrer Kritik angehört und ernstgenommen werden. Von muslimischer Seite spüre ich einen großen Respekt davor, dass ich meinen Glauben so ernst nehme.
Und doch sind wir tief davon überzeugt, dass Gott genau hier zugegen ist und schon auf uns wartet. Es lohnt sich, gerade dort zu verweilen, wo es nichts Außergewöhnliches zu geben scheint, nichts, das uns anziehen könnte: Hier will sich Gott entdecken lassen. Aber vielleicht kann man das gar nicht gut erklären, vielleicht muss jeder selber „kommen und sehen“…?
Auf mich wartet Gott also jeden Tag in der Wäscherei. Wie sehr er in den Begegnungen, in den Beziehungen, in den Freundschaften, die langsam wachsen, gegenwärtig ist, wird mir manchmal erst im Rückblick bewusst. Wenn ich mich an sehr anstrengenden Tagen frage: Warum tue ich mir das an?, dann versuche ich, mitten im Lärm der Maschinen in mich hineinzuhören und die Gegenwart Gottes in mir zu spüren. Ich schaue mich um und sehe meine Kolleginnen und Kollegen. Und dann weiß ich es wieder: Ich bin ja wegen euch da.
Aufgezeichnet von Christina Brunner; Fotos: Privat
Zur Person
Kleine Schwester Katharina Ruth ist 41 Jahre alt, Österreicherin und Doktorin der Theologie. Sie engagierte sich im christlich-muslimischen Dialogforum der österreichischen Gemeinde in Istanbul, bis sie 2014 bei den Kleinen Schwestern Jesu eintrat. Seit zwei Jahren arbeitet sie von 7-15 Uhr in einer Groß-Wäscherei in München. Während der Corona-Pandemie musste die Firma Kurzarbeit anmelden.
Kleine Schwestern Jesu
Die katholische Frauengemeinschaft lebt in kleinen Gruppen, meist in gewöhnlichen Mietwohnungen, bevorzugt bei denen, die am Rand der Gesellschaft stehen und ausgegrenzt sind. Sie schauen im gewöhnlichen Alltag nach Gott aus, leben ihre Sendung des Gebetes und der Freundschaft und wollen Zeuginnen der Zärtlichkeit Gottes sein. Kleine steht für das Vertrauen in Gott, so wie Jesus es hatte, seit er als kleines Kind in der Krippe lag. Schwestern steht für den Auftrag, jedem Menschen zur Schwester zu werden. Jesu steht für Jesus, als Vorbild auf ihrem Weg.
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