Kirchliche Angebote bei Depression und BurnoutDepression, Burnout, Suizidgedanken: Viele Menschen plagen seelische Leiden.
Auch die Kirche macht hilfreiche Angebote. Nicht in Konkurrenz zu Therapien,
aber als sinnvolle Prävention oder Begleitung. Wir stellen drei Beispiele vor. |
Pastoralreferentin Anke Jarzina hat mit der „Outdoor-Seelsorge“ ein Angebot für Suchende geschaffen:
„Als ich dem Personalverantwortlichen im Bistum sagte, dass ich aufgrund meiner chronischen Depression und nach einem Hörsturz nicht mehr so weiterarbeiten könne wie bisher, antwortete er überraschend: Das sei doch so eine Art Zusatzqualifikation, eine unfreiwillige Fortbildung, die es mir ermögliche, mich noch tiefer in andere einzufühlen. Heute arbeite ich so, wie ich es immer wollte: Als Seelsorgerin begleite ich Menschen, die als Trauernde zu mir kommen, die vor schwierigen Lebensentscheidungen stehen oder denen einfach alles zu viel ist. Wir gehen zusammen nach draußen, weil ich selbst in meiner Krise gemerkt habe, wie gut mir die Natur tut. Das Draußen-Sein weitet die Perspektive und das Denken. Die Gespräche laufen anders, neue Themen kommen auf.
Die eigene ,Schwäche‘ anzunehmen, war für mich grundlegend. Raus aus der Falle der Selbstoptimierung und des positiven Denkens! Sich als Seelsorgerin, die an einen guten Gott mit einer frohen Botschaft glaubt, einzugestehen, dass man manchmal abgrundtief verzweifelt ist, das ist schwer. Leid, Depressionen und Überforderungen können wir nicht aus unserem Leben herausstreichen. Gott bewahrt uns auch nicht davor, aber er geht mit uns da durch. Ich bilde mir ein, dass ich diese Auferstehungserfahrung gemacht habe. Innerhalb der Kirche ist heute leider kaum noch Zeit, Menschen so zu begleiten, wie ich das tue. Dabei ist das doch unser Kernauftrag – wie Jesus für die Menschen da sein, zu fragen: Was willst du, dass ich dir tue? Mein Angebot der Outdoor-Seelsorge ist kostenlos und steht allen offen. Auch Menschen, die kirchenfern sind, nehmen es in Anspruch. Ich hoffe, ich kann ihnen helfen, mit dem ,Lebensmark‘ in Berührung zu kommen. Mit dem, was Gott ganz tief in uns gelegt hat und das uns lebendig sein lässt.“
Jugendliche im Einsatz gegen Suizid mit dem Projekt [U25]:
Durchschnittlich alle 56 Minuten nimmt sich in Deutschland ein Mensch das Leben. Gesprochen wird darüber kaum. „Keine Altersgruppe unternimmt häufiger Suizidversuche als die Unter-25-Jährigen“, weiß Christin Triebkorn vom Sozialdienst katholischer Frauen in Dortmund. „Die klassischen Hilfsangebote erreichen diese Jugendlichen aber nicht.“ Mit dem Projekt „[U25]“ sprechen daher unterschiedliche Träger unter dem Dach der Caritas genau diese Gruppe an. Dabei stehen junge Menschen, so genannte „Peers“, Gleichaltrigen, die Suizidgedanken, Depressionen oder sonstige Schwierigkeiten haben, zur Seite. Anonym und kostenlos. Die Ratsuchenden schreiben eine E-Mail, innerhalb kurzer Zeit erhalten sie Antwort. Zum Beispiel von Alina (Name geändert), die seit gut einem Jahr als Ehrenamtliche bei [U25] mitmacht. Nach einer Schulung steht die Studentin Ratsuchenden per E-Mail zur Verfügung – manchmal über eine längere Zeit hinweg. Die heute 21-Jährige hatte in ihrer Jugend selbst eine existenzielle Krise. „Ich kann mich gut in andere einfühlen“, sagt sie. „Mit jemandem reden, das hat mir damals auch geholfen.“ Wenn Menschen den Mut aufbrächten, über ihre Suizidgedanken zu sprechen, erlebten sie häufig Ablehnung. „Dabei braucht man in so einer Situation vor allem gute Worte und Wertschätzung.“ Die Peers signalisieren den Schreibenden: Egal, wie schwierig die Situation ist, ich halte das mit dir aus. Suizidgedanken gehören zum Leben dazu. Du kannst mir alles erzählen, ich dränge dich zu nichts. Sich mit dem Thema Suizid zu beschäftigen, schreckt Alina nicht: „Es ist schön, Menschen mit Gesprächen zu helfen.“
Kraftquelle Kloster: Seelsorge im Kloster Arenberg
„Natürlich besuchen unser Kloster auch Gäste, die einfach nur ent- spannt Urlaub machen wollen, aber es kommen auch sehr viele Men- schen, die ausgebrannt sind“, sagt Schwester Ursula Hertewich. „Hier ist ein Ort, wo sie nichts machen müssen, wo sie frei sind, erstmal zu spüren, was ihnen helfen könnte“, erklärt die gelernte Apothekerin und Dominikanerin, die nach einer Ausbildung in geistlicher Begleitung im fünfköpfigen Seelsorgeteam des Klosters mitarbeitet. 1400 Seelsorge- gespräche führt das Team pro Jahr. Jeder Gast hat die Möglichkeit zu einem Einzelgespräch. „Für viele spielt es schon eine Rolle, dass wir kein Kurhotel, sondern ein Kloster sind, in dem 45 Schwestern viermal am Tag zusammenkommen und die Anliegen der Gäste mit ins Gebet nehmen“, sagt die 47-Jährige.
Früher war das Kloster ein Kneipp-Sanatorium, und noch immer prägen die Säulen der Arbeit von damals die Angebote von heute: Natur- und Kräuterheilkunde, Anwendungen mit Wasser, Massagen, Morgenimpulse, gutes Essen. Im großen Außenbereich können die Gäste verschiedene Lebensräume entdecken und die heilsame Kraft der Natur spüren. Eine junge Frau schreibt nach einem Aufenthalt im Klos- ter: „Erschöpft, mit körperlichen Beschwerden und in einer Sinnkrise kam ich nach Arenberg. Ruhe und Rückzug, die ganzheitliche Sorge
für Leib und Seele und wertvolle Begegnungen halfen mir, wieder mit mir und dem Göttlichen in Berührung zu kommen und neu Kraft zu schöpfen.“ Schwester Ursula macht häufig die Erfahrung, dass Gäste schon nach wenigen Tagen wieder aufblühen. „Viele Menschen be- gleiten wir aber auch über Jahre hinweg. Mitzuerleben, wie jemand nach einem längeren Prozess ins Leben zurückfindet, ist wunderbar.“
Text: Eva-Maria Werner
Foto: Zacharie Scheurer/picture alliance
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