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Buchtipps für den Frühling
Wenn die Tage milder, die Gärten grüner und die Balkons zum zweiten Wohnzimmer werden, gibt es nichts Schöneres, als sich mit einem Buch nach draußen zu setzen. Die kontinente-Schmökertipps helfen bei der Auswahl. Sie erzählen von weiblicher Berufung und vom Pilgern für Anfänger, nehmen uns mit in den Iran und auf finnische Schäreninseln. Ein beeindruckender Bildband zeigt den Zustand unserer Erde und ein Benediktinerpater aus Südtirol spendet Mut und Zuversicht für den Lebensabend. |
Bild- und Textband
Human Nature – Über den Zustand unserer Erde
Die National Geographic Society schickt jährlich eine Auswahl der weltweit besten Fotografen als „Frontberichterstatter der Gegenwart“ in alle Regionen der Erde. In „Human Nature – Über den Zustand unserer Erde“ beschäftigen sich sechs Autoren mit der Frage, wie der Mensch mit seinem Handeln in das Schicksal der Erde eingegriffen hat. Sechs weitere Fotografen zeigen und dokumentieren die Anpassungsfähigkeit der Natur, ihre zerstörerischen Kräfte sowie die ihre Schönheit und Vielfalt. Cristina Mittermeier etwa richtet den Blick auf die Schutzmaßnahmen für die Weltmeere und für indigene Kulturen. Richard John Seymour führt den Massenkonsum vor und die riesige Maschinerie, die hinter der Plastik-Produktion agiert. George Steinmetz beleuchtet industrielle Nahrungsmittel-Produktion und Welternährung. Aussagekräftige Fotografien, Interviews und Berichte zeigen die Dringlichkeit von unverzüglichem, nachhaltigem Handeln weltweit, verbunden mit dem Appell an jeden Einzelnen, Nachhaltigkeit zu leben. Knesebeck, geb., 28 x 21 cm, 300 S. mit 200 farb. Abb., (D/A) 40 €.
Lebenszeugnisse
„Weil Gott es so will“: Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin
Bereits im 16. Jahrhundert schrieb Teresa von Avila: „ ... dass es keinen Grund gibt, mutige und starke Seelen zu übergehen, und seien es die von Frauen.“ Thérèse von Lisieux äußerte 1897 im Wissen um ihre Lungen-Tuberkulose, dass Gott sie krank werden ließ, damit sie nicht enttäuscht werde, weil sie das Priesteramt nicht ausüben könne. Edith Stein sprach 1931 von der Hoffnung, dass es eines Tages einen Weg zum Priestertum der Frau geben möge. Anno 2020 ist die Benediktinerin Philippa Rath Delegierte des Synodalen Weges und Mitglied im Forum „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“. Als Bischöfe äußern, dass es doch nur wenig berufene Frauen gebe, will sie das Gegenteil beweisen und bittet einige Frauen um ihre Berufungs- und Lebenszeugnisse. Innerhalb von fünf Wochen erhält sie aus dem deutschsprachigen Raum 150 Antworten und macht daraus ein Buch voll offen und mutig geschriebener weiblicher Berufungsgeschichten. Sie zeigen, welche Fülle an Begabungen und weiblichen Charismen die katholische Kirche vergeudet, weil sie sie nicht nutzt. Herder, geb., 304 S.; (D/A) 25/25,80 €; CHF 35,90.
Easy nach Assisi
Pilgern für Einsteiger
Christian Busemann ist ausgelaugt von der Arbeit als Fernseh-Autor. Seine Ängste und Schlafstörungen kann er nicht einordnen, doch eine Auszeit kommt für den Familienvater nicht in Frage. In einer Supervision spricht er über den Tod seines Vaters, als er vier Jahre alt war und an den er kaum Erinnerungen hat. Er weiß, dass sein Vater zweimal mit dem Rad über die Alpen nach Assisi fuhr, dort Freunde fand und immer wieder zu seinem „Kraftort“ reiste. Das unbewältigte Thema wird aktueller, als Busemann den Auftrag für einen Artikel über Väter ohne Väter annimmt. Jetzt weiß er, was er tun muss: per pedes von Florenz nach Assisi! Aus seinem Fußmarsch entsteht ein unkonventionelles, mit viel Humor und Tiefgang geschriebenes, ehrliches und informatives Buch über die Erfahrungen eines „Pilger-Kükens“. Die daraus folgenden Pilger-Lektionen, hilfreichen Apps bis hin zum kleinen Einmaleins, wie man vor Ort eine Unterkunft organisiert, sind das Sahnehäubchen dieses besonderen Pilger-Lese-Leckerbissens! Goldmann, Softcover, 304 S., (D/A) 10 €/10,30 €.
Lebenshilfe
Ein gutes Wort – Gedanken für den Lebensabend
Der Südtiroler Benediktiner Robert Gamper bietet mit Texten, Gebeten und Gedanken Orientierung und Halt an und möchte seinen Lesern Mut machen, ihre Zuversicht und ihr Gottvertrauen stärken. Seine Sorge gilt vor allem den alten und kranken Menschen. Wer die Gunst des Augenblicks genießen kann, anderen Offenheit und Vertrauen entgegenbringt, neugierig bleibt, sich auf jeden neuen Tag einlässt, der kann auch die vielen Beschwerlichkeiten des Lebensabends leichter ertragen. Das Alleinsein, Loslassen-müssen oder die Schwere des Alters verknüpft der Autor mit positiven Gedanken, die den Beistand und die Liebe Gottes erkennen lassen – wenn der Mensch es denn zulässt. Tyrolia, geb., Lesebändchen, 112 S., 22 farb. Abb.; (D/A) 14,95 €.
Roman
Im Fallen lernt die Feder fliegen
Aida ist die Tochter eines irakischen Religionswissenschaftlers, der 1985 als Feind des Regimes eingekerkert wird und anschließend zwei Jahre im iranisch-irakischen Krieg kämpfen muss. Traumatisiert flieht er mit der Familie in den Iran und dann weiter in die Schweiz. Während Aida und ihre ältere Schwester Nosche die Schule besuchen und Freunde finden, bleiben die Eltern abweisend und fremd gegenüber der neuen Heimat. Beyan, ein ebenfalls aus dem Irak geflüchteter Freund der Familie, lebt mit der Schweizerin Kathrin zusammen. Er hat Aidas Familie immer wieder geholfen. Kathrin ist hier dennoch als Gast nicht erwünscht: „Ich mag keine Fremden in meinem Haus“, sagt die Mutter. Auch der Vater distanziert sich von Beyans offener Lebensweise. Als Saddam Hussein gestürzt wird, reisen die Eltern mit den schockierten Mädchen zurück in den Irak. Jetzt sind es die Kinder, die sich – umgeben von religiösen Zwängen und männlicher Vorherrschaft – fremd fühlen. Beyan verhilft den beiden zur Rückkehr in die Schweiz, noch bevor Nosche verheiratet wird. Als die Schwester dort bei einem Verkehrsunfall stirbt, bleibt Aida allein zurück. Indem sie die Geschichte ihrer Familie akzeptiert und erzählt, bewältigt sie einen beruflichen und persönlichen Neuanfang mit ihrer Liebe Daniel. Ein sensibel geschriebenes und bewegend zu lesendes Buch. Limmat Verlag, geb., 240 S., (D/A) 24 €; CHF 28.
Roman
Heute beißen die Fische nicht
Joel, Emma und ihre Tochter Fanny verbringen den Sommer auf einer kleinen Insel in den finnischen Schären. Doch trotz der landschaftlichen Idylle lebt Emma im Ausnahmezustand. Während ihrer Einsätze als Foto-Journalistin in Krisensituationen hat sie Schreckliches gesehen. Vom letzten Auftrag in Afrika kommt sie schwer verletzt an Leib und Seele zurück. Oft sitzt sie apathisch am Ufer, fantasiert von Ertrunkenen, die ans Land kommen und sie alle holen werden. Betäubt von starken Medikamenten, kreisen ihre Gedanken halbwach um ihren beruflichen Ehrgeiz, ihre Rolle als Ehefrau und die ständige Sorge, die adoptierte Fanny vor rassistischen Anfeindungen schützen zu müssen. Ihr Mann Joel hat Angst, dass Emma wahnsinnig wird. Die kleine Fanny sucht Trost in Zwiesprachen mit dem geliebten Großvater. Autorin Ina Westmann hat diesen wunderbar geschriebenen Roman wie ein Puzzle zusammengesetzt. Erst ganz zum Schluss zeigt sich das Bild einer Familie, die wieder zueinander findet, weil die Liebe trägt und erlöst. mare, geb., 256 S., (D/A) 22 €/22,70 €.
Krimi aus Syrien
Die geheime Mission des Kardinals
Wer intelligente, humorvolle, unterhaltsame Kriminalromane mag, sollte dieses Buch von Rafik Schami lesen. Es herrscht noch Frieden in Syrien, als in der italienischen Botschaft in Damaskus ein Fass mit Olivenöl abgegeben wird. Sein wirklicher Inhalt lässt die politische Führung in Syrien und in Italien nervös werden. Ein römischer Kardinal mit geheimer Mission im Norden Syriens wurde ermordet. Er war unterwegs zu einem berühmten Bergheiligen, einem Muslim, der sich auf das Vorbild Jesus beruft. Was wollte er dort? Kommissar Barudi, ein syrischer Christ mit großem Herzen und scharfem Verstand, wird mit dem genialen italienischen Kollegen Mancini dazu verdonnert, diesen speziellen Fall so diskret wie möglich zu lösen. Die beiden werden in spannende Ermittlungen verwickelt und geraten in die Fänge von Islamisten. Aberglaube und Glaube, Mord und Korruption, aber auch Liebe und Toleranz sind die Themen dieses Kriminalromans. dtv, TB, 432 S., (D/A) 12,90/13,30; CHF 16,90.
Reportage
Ein Land im Umbruch: Ägypten, seine Menschen und der arabische Frühling
Vor mehr als zehn Jahren begann der „Arabische Frühling“ in nordafrikanischen und Ländern des Nahen Ostens. Der amerikanische Journalist Peter Hessler, der von 2011 bis 2016 aus Kairo berichtete, erzählt die Ägyptische Revolution aus dem Alltag der Menschen heraus. Denn die großen Zusammenhänge werden nirgendwo so deutlich wie dort. Er verbindet Persönliches und Politisches, Gegenwart und Geschichte und kann so freilegen, was sonst verborgen bleibt: Seine Protagonisten sind ein Müllsammler, der aus dem Abfall Kairos mehr herauslesen kann als ein Archäologe, ein Arabischlehrer mit Faible für Ägyptens soziale Vergangenheit oder ein schwuler Mann, der in einem Muslimbruder einen unerwarteten Verbündeten findet. Hesslers These ist: Wer den Arabischen Frühling verstehen will, muss die Menschen verstehen, die ihn ausgelöst oder bekämpft haben. Seine Erzählungen sind spannend wie ein Gesellschaftsroman. Hanser Literaturverlag, geb., 541 S., (D/A) 26/26,80.
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