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Krieg im Sudan
Zwischen den Fronten
Im Jahr 2019 schöpften die Menschen im Sudan Hoffnung: Nach 30 Jahren Diktatur stürzten die Generäle Abdel Fatah Burana und Modamed Dagalo den langjährigen Machthaber Omar al-Baschir. Sie einigten sich mit der zivilen Opposition auf eine Übergangsregierung, die demokratische Strukturen im Land schaffen sollte. Doch schnell zeigte sich: An einer Demokratisierung hatten die Generäle kein Interesse, ihre Konkurrenz um wirtschaftlichen und politischen Einfluss trat immer offener zutage. Am 15. April 2023 eskalierte der Konflikt: Seitdem herrscht Krieg in der Hauptstadt Khartum und der westlichen Provinz Darfur. Zehntausende Menschen sind bereits geflohen – innerhalb des Landes und in die Nachbarstaaten. Mehr als die Hälfte der 47 Millionen Sudanesen sind mittlerweile auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Aus Verbündeten werden Feinde
Dabei waren die jetzigen Feinde Burhan und Dagalo ursprünglich Verbündete: Als Diktator al-Baschir vor 20 Jahren einen Aufstand in der Provinz Darfur niederschlagen wollte, setzte er auf Burhan, damals einer der befehlshabenden Offiziere der Luftwaffe, sowie auf Dagalo, Führer der arabischen Reiter-Miliz „Dschandschawid“. Sie terrorisierten gemeinsam die Landbevölkerung, die sich dagegen wehrte, dass die Gewinne aus der Förderung von Gold und Öl der arabisch dominierten Elite in Khartum zuflossen. Besonders Dagalo ist seit dem Darfur-Konflikt einflussreich und mächtig geworden. Er kooperiert etwa mit der russischen Wagner-Truppe, die seit einigen Jahren im Sudan und in umlie genden Ländern ihren Einfluss ausweitet. Seine paramilitärische Einheit RSF kontrolliert den Zugang zu den Goldminen.
Unter dem Machtkampf der Generäle leidet nun die Zivilbevölkerung. Mehrere vereinbarte Waffenruhen wurden gebrochen. Teile der Hauptstadtsind mittlerweile verwüstet. Immer wieder bricht die Strom- und Internetverbindung zusammen. Unsere Versuche, die Comboni-Schwestern in ihrem Krankenhaus in Khartum per E-Mail und Telefon zu erreichen, blieben bis zum Redaktionsschluss am 26. Juli erfolglos. Unterdessen berichten Hilfsorganisationen von sexualisierter Gewalt, die als Kriegswaffe eingesetzt wird. Frauen und Mädchen auf der Flucht sind davon besonders betroffen. Angriffe auf Krankenhäuser und Gesundheitsstationen hindern die Menschen daran, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. UN-Generalsekretär António Guterres appellierte auf einer Geberkonferenz am 19. Juni an die internationale Gemeinschaft: „Das Ausmaß und die Geschwindigkeit, mit welcher der Sudan auf Tod und Zerstörung zusteuert, ist beispiellos.“ Deutschland hat 200 Millionen Euro Hilfe zugesagt.
Text: Eva-Maria Werner
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