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Nordostindien
Konflikt in Manipur zwischen Kuki und Meitei
Zwischen den zwei ethnischen Gruppen Kuki und Meitei sind im nordostindischen Bundesstaat Manipur jahrzehntelange Spannungen eskaliert. Der Auslöser: Meitei haben beantragt, als registrierte Stammesgemeinschaft anerkannt zu werden. Einen solchen sogenannten „Scheduled Tribe“-Status haben Kuki bereits seit 1968. Im März entschied das Oberste Gericht in Manipur zugunsten der Meitei. Darauf reagierten Kuki am 3. Mai mit einem Protestmarsch – Meitei riefen zum Gegenprotest auf.
Die Gewalt eskalierte: Häuser wurden angezündet, Schulen angegriffen, Kirchen zerstört. Mitte Mai nahm der Nationale Oberste Gerichtshof Manipurs Gerichtsbeschluss zurück. Die Ausschreitungen halten dennoch an.
Kuki sind vorwiegend Christen, Meitei mehrheitlich Hindus. Abgesehen von der Religion unterscheiden sie sich durch ihren sozialen Status und ihre Siedlungsgebiete: Kuki sind ein „Scheduled Tribe“, gelten somit offiziell als indigene Minderheit und erhalten Zugang zu Förderprogrammen. Sie haben das exklusive Recht, die Bergregion zu bewohnen, die sich über 90 Prozent des Bundesstaates erstreckt. Meitei leben hingegen im Tal und machen 53 Prozent der insgesamt 3,3 Millionen Einwohner aus.
In einem offenen Brief ruft Dominic Lumon, Erzbischof von Manipurs Hauptstadt Imphal, zu Frieden auf. Er beschreibt darin, wie vielschichtig die Feindseligkeit zwischen den beiden Ethnien ist: Meitei würden Kuki als illegale Immigranten aus Myanmar diffamieren und – wegen des vor allem in den Bergregionen stattfindenen Mohnanbaus – als Drogendealer. Kuki beklagen wiederum, Meitei würden die Region politisch und ökonomisch dominieren und hätten bereits viele Privilegien.
Lange Zeit blieb der Konflikt fast unbeachtet. Manipur Regierung, geführt von der hindu-nationalistischen BJP-Partei, schaltete das Internet ab, Informationen drangen Kaun nach außen. Indiens Premierminister Narendra Modi reagierte erst im Juli, als sich ein Video verbreitete: Es zeigt einen Mob von Meitei-Männern, der zwei nackte Kuki-Frauen über eine Landstraße treibt und missbraucht. Modi verurteilte die sexuelle Gewalt, nicht aber den Konflikt. Das würde ihm mit Blick auf die Wahlen 2024 schaden, glaubt Santiago Savarimuthu, Priester und Finanzdirektor der Diözese Mizoram (einem Nachbarstaat von Manipur), die viele Flüchtlinge aufgenommen hat. „Für die hindu-nationalistische Regierung sind die Spannungen vorteilhaft: Sie polarisieren die Gesellschaft und bestärken Hindus, Modi wiederzuwählen“, so der missio-Partner.
Ethnischer, religiöser oder geopolitischer Konflikt?
Anti-BJP-Kreise glauben sogar, die Zentralregierung heize den Konflikt an. Delhi will nämlich den Auftrag für den Platinabbau in den von Kuki bewohnten Bergregionen an Asiens reichsten Unternehmer Mukesh Ambani vergeben. Spielen also auch geopolitische und wirtschaftliche Gründe hinein? „Die Lage ist sehr unübersichtlich“, sagt Savarimuthu. Er würde sich von der katholischen Kirche mehr Unterstützung wünschen: „Die Indische Bischofskonferenz hat lange gebraucht, bis sie sich zu dem Konflikt äußerte. Vom Vatikan gibt es noch keine offizielle Stellungnahme. Darüber bin ich enttäuscht.“ Viel Hilfe kommt jedoch von Ordensleuten, die die Geflüchteten in den Notlagern mit Lebensmitteln, Decken und Medikamenten versorgen und ihnen seelsorglich beistehen.
Text: Pia Scheiblhuber
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