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Herbst 2015
Ein Trauerjahr für Schwester Diana Sefo
Lange hat sich Schwester Diana aus Papua-Neuguinea nicht gemeldet. Das hat einen sehr traurigen Grund, den sie in ihrem neuen Bericht ausführlich schildert. Gleichzeitig überrascht sie die Leser mit der Ankündigung, von ihrer Gemeinschaft für einige Jahre nach Deutschland entsendet zu werden.
Ich komme von einer sehr abgelegenen, weltabgeschiedenen Insel der Provinz Neuirland (New Ireland) in Papua Neu Guinea, die Insel heißt Anir Island. Sie ist einer der problematischsten Landesteile Papuas, auf denen kein Zugang zu Dingen wie Telefon, Mobilfunk und Internet besteht. Andere Dienstleistungen wie Behelfsflugplätze und Verkehrswege auf dem Land sind keine effektiven Mittel für den Personentransport. Zum Beispiel ist der Behelfsflugplatz schon seit vielen Jahren geschlossen. Das einzig verfügbare und wirksame Transportmittel in meiner Heimatregion ist der Seeweg. Es kommt einem ziemlichen Kampf gleich, zum nächsten Einkaufszentrum zu gelangen; es befindet sich in Namatanai und liegt auf der Hauptinsel der Provinz Neuirland, und mit dem Boot braucht man fünf Stunden, um dorthin zu gelangen. Geduldiges Warten bildet einen Teil des Lebens der Menschen, insbesondere bei schlechtem Wetter und rauer See. Während meines diesjährigen Urlaubs habe ich das erlebt, was auch alle anderen Inselbewohner bereits erlebt haben oder noch durchmachen. Ich brauchte fast eine Woche, um zu Hause anzukommen. Ich hoffe, diese Erfahrung erklärt, warum ich erst wieder mit zeitlich großem Abstand melde. Vielen Dank für Ihr Verständnis!
Bitte gestatten Sie mir, mit meinem Bericht fortzufahren. Als ich meinen letzten Artikel für Kontinente schrieb, befand ich mich noch in meinem zweiten Noviziatsjahr. Am 29. Juni 2013 legte ich mein erstes Gelübde ab. Es war ein Segen und ein besonderer Tag für mich, weil genau an diesem Tag auch das Fest der Hl. Petrus und Paulus begangen wurde. Meine lieben Eltern und andere Verwandte waren da, um das Ereignis mitzuerleben. Ich wurde dem Mutterhaus in Vunapope zugewiesen, wo ich im Haushalt mithelfen sollte. Freudig erledigte ich sechs Monate lang diese meine erste Aufgabe für die Gemeinschaft. Neben der täglichen Routine konnte ich auch Zeit mit unseren drei älteren Schwestern verbringen, während derer ich mich um sie kümmerte. Mitunter forderten sie mich heraus und ermutigten mich, in meiner Berufung stark und treu zu sein.
Als die sechs Monate vorüber waren, wurde ich einer neuen Gemeinschaft in der Provinz Hela zugewiesen; diese Provinz ist eine der im Hochland Papua Neu Guineas gelegenen Provinzen. Am 11. Februar 2014 verließ ich Rabaul mithilfe eines Transitfluges über Port Moresby, und kam noch am selben Tag in der Provinz Hela an. Die für mich neue Umgebung und das dortige Klima waren eine neue Erfahrung für mich. Dort war es kalt und manchmal neblig. Das war ein großer Unterschied zu den Küstenregionen Papua Neu Guineas. Die Menschen in der Provinz Hela sind durch ihren Stammesnamen bekannt und werden mit diesem auch benannt: der Stamm der Huli. Nach und nach habe ich auch begriffen, dass selbst die Art, wie sie in Familien zusammenleben, sich von den diesbezüglichen Gewohnheiten in den meisten Küstenregionen unterscheidet. Männer leben von ihren Frauen und Kindern getrennt, sind aber auch für ihre Freundlichkeit und Großzügigkeit bekannt. Die Gegend selbst wird verschönt durch die vielen Pflanzen und Blumen, Flüsse und das Gebirgspanorama. Sie ist sehr reich durch ihre eigene Kultur und ihre natürlichen Ressourcen.
Einfach bei den Menschen sein
Als ich in meine neue Gemeinschaft aufgenommen worden war, hatte ich auch in einige Aktivitäten außerhalb meiner Schwesterngemeinschaft. Da ich gerne singe und Gitarre spiele, traf ich mich immer wieder mit der Jugend. Ich brachte ihnen die geeigneten Kirchenlieder bei und half ihnen bei der Vorbereitung der Lieder für die Sonntagsliturgie. Jeden Samstag nahm ich als spirituelle Begleiterin am Treffen der Frauen der "Legion Mariens" teil. Nach dem Treffen dieser Frauen widmeten wir uns eine Stunde lang den Kindern, die uns etwas vorlasen, und wir verbesserten ihre Lesefehler. Viermal wöchentlich traf ich mich mit Jugendlichen, die leider nicht die Möglichkeit haben, die weiterführende Schule oder das Gymnasium zu besuchen. Dieser Gruppe Jugendlicher half ich, indem ich ihnen Grundlagen der häuslichen Pflege und einige praktische Fähigkeiten beibrachte. Dazu gehörten, um nur einige zu nennen: backen, kochen, Gesundheitsvorsorge, Hygiene und putzen; dies sind die Dinge, die wir ihnen in diesen kurzen Kursen nahebringen. Besuche in den Außenstationen sind eine Aktivität, die wir praktizieren, wenn wir sonntags unseren Gemeindepfarrer begleiten. Wir sind in der Lage, in anderen Pfarreien zu helfen, wenn es dort Bedürfnisse gibt.
Neben unserer Tätigkeit in der Pfarrei kümmern wir uns auch um die Kommunionhelfer und Lektoren einschließlich der Liturgiegruppen, und zwar durch eine Art Ausbildung hinsichtlich ihrer Verantwortlichkeiten. Missionare treffen sich vierteljährlich auf Dekanatsebene, um gemeinsam die aktuellen Themen der einzelnen Pfarreien zu besprechen und miteinander noch bessere Wege zu finden, um das Wachstum des christlichen Glaubens im Leben aller Menschen zu fördern. Ich persönlich empfinde meine Arbeit mitunter als sehr schwierig, was durch die Andersartigkeit im Vergleich mit meiner Heimatregion bedingt ist. Die Sprache ist eines der Hauptprobleme bei meinen Begegnungen. Immer, wenn ich entweder auf Englisch oder Tok Pisin zu ihnen spreche, muss ein Dolmetscher das in ihre Lokalsprache übersetzen. Manchmal habe ich das Gefühl, aufgeben zu wollen; aber ich ermutige mich auch immer, demütig zu sein und einfach bei diesen Menschen zu sein. In allem, was ich mit dem Volk Gottes tue, bin ich immer glücklich und froh, weil ich es zur Ehre Gottes tue, und ich habe Freude an pastoralen Aktivitäten.
Schwerste Erfahrung meines Lebens
Nie werde ich jedoch auch die traurigste und schwerste Erfahrung meines Lebens vergessen. Am 27. Juli 2014 erhielt ich nämlich die traurige, kaum fassbare Nachricht, dass mein lieber Vater John Sefo und mein lieber Bruder Rodney sowie sieben weitere nahe Verwandte von mir am 22. Juli mit einem Boot gekentert waren, als sie von unserer Insel (Anir Island) zur Hauptinsel der Provinz Neuirland unterwegs waren. Bis zum heutigen Tage konnten sie nicht aufgefunden werden. Während ich diese Zeilen schreibe, kämpfe ich mit Traurigkeit und Zuneigung zu meinem lieben Vater und meinem lieben Bruder, der seine Frau und drei Kinder hinterließ, von denen das älteste sechs Jahre alt ist. Meine Familie und ich trauern tief im Herzen auch heute noch um Papa und Rodney. Wir hoffen immer noch, sie eines Tages wiederzusehen, aber wann und wo, weiß ich nicht. Allein Gott, der Schöpfer und Spender des Lebens, weiß es. Und ich weiß, Gott, dass du mich jetzt siehst und meinen Aufschrei hörst. Gott, hab Erbarmen mit meiner Familie!
Von der Provinz Hela wurde ich zurückversetzt nach Rabaul in der Provinz Neubritannien (East New Britain). Ich absolvierte ein sechsmonatiges Programm zur Vorbereitung meiner neuen Aufgabe in Deutschland, zusammen mit meiner Mitschwester Sr. Pauline Valarue. Dieses Programm ging im Juli zu Ende. Im Anschluss machte ich Urlaub, den ich für einen Besuch bei meiner armen Mutter Catherine nutzen wollte.
Als ich am 20. Juli zu Hause ankam, begegnete mir meine Großmutter väterlicherseits. Als wir einander sahen, mussten wir beide weinen. Als ich dann zum Haus ging, war alles in Ordnung, aber ich konnte Traurigkeit spüren und dass Papa und Rodney fehlten. Als wir uns unserem Haus näherten, stand meine Mutter dort, sie war in Tränen aufgelöst, und mit ihr waren meine Schwägerin und meine Schwester Michaela. Als ich auf sie zuging, liefen mir die Tränen herunter. Wir hielten uns umarmt und begannen, laut zu schluchzen. Mutter weinte und sagte viele Dinge, zum Beispiel: “Es tut mir Leid für dich, meine Tochter, nun bist du hier, und wer wird dich sehen? Schon ein Jahr ist vergangen, und wir haben immer noch nichts von deinem Papa und deinem Bruder Rodney gehört, noch wissen wir, wo sie sind. Was sollen wir tun? Der, auf den wir alle immer angewiesen waren, ist nicht mehr bei uns.“ In diesem Augenblick war ich voller Schmerz, und gleichzeitig war ich frustriert und konnte mir das Unglaubliche nicht vorstellen, das meinem Papa und meinem Bruder so plötzlich widerfahren sein sollte. Nachdem wir einander unsere Gefühle mitgeteilt hatten und ich sah, dass meine Verwandten mütter- und väterlicherseits da waren, fühlte ich mich wieder besser und glücklich, sie da zu wissen angesichts der Abwesenheit meines Vaters. Ich wusste, dass sie mich sehr unterstützen würden und vertraute ihnen. Trotzdem spüre ich tief in meinem Herzen die starke Erfahrung inneren Schmerzes über den plötzlichen Verlust meines Vaters und meines Bruders Rodney.
Ich dachte auch, dass es ein Glück für mich war, nun zu Hause sein zu können, da während dieser Zeit die Abschiedszeremonie für meinen verstorbenen Vater und meinen Bruder stattfinden sollte, nämlich am Jahrestag ihres Verschwindens auf See. Die Gedenkfeier sollte am 22. Juli stattfinden, musste wegen schlechten Wetters, wodurch sich die Ankunft meines Bruders Lazarus verzögerte, jedoch verschoben werden. Ich danke Gott dafür, dass Lazarus mit seiner Familie schließlich gut zu Hause ankam. Manchmal verstehe ich das Wirken Gottes in meinem Leben nicht, und auch nicht, warum Gott so oder so mein Leben lenkt. Denn es war schwierig für mich, wieder aufzubrechen, ohne an der Gedenkfeier teilnehmen zu können und stattdessen nach Kokopo zurückreisen zu müssen.
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