Tanzen gegen das StigmaSchwester Teresa kämpft in Malawi gegen die brutale Ausgrenzung von Aidskranken.
Bei ihren Hilfsprojekten will sie auch den Umweltschutz voranbringen. |
Tetx: Christina Brunner
Fotos: Bente Stachowske
Sie beginnen leise und zaghaft. Besucher tanzend und singend zu begrüßen, ist in Malawi selbstverständliche Gastfreundschaft, aber sie sind vorsichtig. Wie nahe dürfen sie kommen? Was halten die Fremden, die Weißen, die Gesunden aus?
„Kann jemand allein leben? Nein!“, singen sie – eigentlich ein Hochzeitslied, Musik für glückliche Momente. Die haben sie selten. Die HIV-Infektion bestimmt ihr Leben.
Schwester Teresa tanzt mit. Sie lacht, sie singt, sie reißt alle mit. Sie tanzt mit Eliane, deren Mann sie allein mit vier Kindern zurückließ. Mit Emmanuel, der manchmal einfach aufgeben möchte. Mit der traurigen 15- Jährigen, die ihren Namen nicht sagen will. Für einen Moment fallen alle Lasten ab. „Dass sie kommt, ist ein Geschenk für uns“, sagt Emmanuel Musumbue.
Aids ist ein Stigma
Aids ist längst kein Todesurteil mehr. Medi- kamente sind verfügbar; in Malawi, einem der ärmsten Länder der Erde, werden sie sogar kostenlos ausgegeben. Trotzdem bleibt die Infektion ein Stigma. Und deshalb eine Herausforderung für Schwester Teresa Mu- lenga, gelernte Geografie-Lehrerin und Do- zentin an der Katholischen Hochschule von Lilongwe. „Wir Teresienschwestern wurden gegründet, um Menschen aus der Sklaverei zu befreien“, sagt die 43-Jährige. Und was Befreiung bedeutet mit einem potenziell tödlichenlichen Virus im Körper, das wird schnell klar, als die Tänzer und Tänzerinnen ihre Geschichte erzählen. Offen und frei von Scham.
Die Aidskranken machen sich bei den Treffen gegenseitig Mut, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen
„Sie haben mich gefragt: Warum lebst du noch? Du bist doch nur noch ein toter Körper.“ (Eliane Maganga)
„In meinem Dorf bin ich die einzige, die infiziert ist. So eine wie mich unterstützt niemand. Mein Mann ist tot, wieder heiraten kann ich nicht. Seit SchwesterTeresa da ist, kann ich sagen: Ja, ich habe HIV. Ich lebe – als fröhlicher Mensch, weil ich Gottes Güte erfahren darf!“ (Valentina Debwe)
„Wenn ich allein bin, habe ich Angst. Ich sehe, dass die Leute auf mich zeigen. Dank der Unterstützer-Gruppe interessiert es mich nicht, ob sie mich auslachen oder beschimpfen. Mit den anderen zusammen fühle ich mich frei. Schwester Teresa ermutigt uns zu beten, damit wir stark bleiben. Gott ist da und er liebt uns.“ (Hackso Bizeck)
Hackso Bizeck leitet eine der 22 Unterstützergruppen, die Schwester Teresa in den Dörfern aufgebaut hat. Etwa eine Million Menschen sind in Malawi mit Aids infiziert, der größte Teil sind Frauen. Viele lassen sich nie testen und geben so die Krankheit unwissentlich weiter. Sie wollen nicht erleben, was mit einem positiven Testergebnis auf sie zukommt: die regelmäßigen Fahrten zur Klinik, wo man die Medikamente holen muss – und jeder sieht ́s. Die misstrauischen Blicke der Nachbarn, die alltägliche Diskriminierung im Dorf. Man stiehlt ihnen die Ernte von den Feldern. Der Ehemann verlässt seine infizierte Frau, Söhne finden mit dieser Diagnose nie eine Frau.
„Wandelnde Särge“
„Sie nennen uns walking coffins – wandelnde Särge“, sagt Emmanuel Mzumbue, ebenfalls Leiter einer Unterstützungsgruppe. „Aber ich bin doch lebendig und ein Mensch! Und ich will in Würde und Frieden leben, ohne Dis- kriminierung und ohne Gewalt.“
Teresas Mitschwester Margret hört zu und übersetzt, fragt vorsichtig nach. Sie ist heute das erste Mal dabei, und Schwester Teresa freut sich darüber: Auch manche ihrer Mitschwestern möchten lieber nicht mit den „Toten“ essen. „Vielleicht“, sagt sie sehr leise, „sind wir als Kirche auch ein bisschen schuld an der Situation: Wir haben nach ihrer Moral gefragt, nicht nach ihrem Leid.“
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