Vorurteile überwinden - und im Gespräch bleibenJessica Löscher und Dua Zeitun bieten in Osnabrück interreligiöse Führungen
für Schulklassen an. Ihr Ziel: weniger Hass, mehr Dialog. |
Text: Christina Brunner
Fotos: Ina Celmer
„Was seht ihr?“ 33 Schüler gucken in die Luft. „Einen Turm“ „Mit einer Uhr!“ „Große
Fenster und Statuen!“ Jessica Löscher steht vor dem Hauptportal des Osnabrücker Doms und nickt zu allem. „Haben auch Moscheen Türme?“, fragt sie. Gleich drei Hände gehen hoch: „Ja, aber die heißen Minarett. Und es hängen keine Glocken drin.“ „Aber auch dort werden die Gläubigen zum Gebet gerufen, oder?“
An diesem kalten Wintermorgen ist die achte Klasse der Felix-Nussbaum-Hauptschule auf der Suche nach dem, was Muslime und Christen verbindet. Und unterscheidet. Begleitet werden die 14-Jährigen von Jessica Löscher, Museumpädagogin im Diözesanmuseum Osnabrück, die das Programm entwickelt hat. Zusammen mit Dua Zeitun, einer muslimischen Theologin, bietet sie seit 2009 interreligiöse Führungen für Kinder und Jugendliche an. Die beiden sind Freundinnen geworden. Und Dua Zeitun, mit Kopftuch und langem Mantel, geht bei jeder Führung selbstverständlich mit in den Dom. „Beim ersten Mal hab‘ ich mich schon sehr fremd gefühlt. Jetzt ist der Ort mir so vertraut, ich denke nicht mehr: Das ist dein Gotteshaus und das ist meins. Ich kann ein spirituelles Ge- fühl in beiden finden.“
„Respekt, Leute!“
Für viele Muslime ist das nicht selbstverständlich. Sie fragen sich, ob ihre Religion es ihnen erlaubt, eine christliche Kirche zu betreten. Manche Eltern verbieten es ihren Kindern sogar, an den Stadtführungen teilzunehmen. Aber wer in Osnabrück etwas über die Stadtgeschichte lernen will, kommt an dem mächtigen Dom nicht vorbei.
So entstand die Idee der interreligiösen Führungen, die die Schulklassen zuerst nach St. Petrus und dann in die Ibrahim-Moschee bringen. Das Ziel ist es, etwas zu erfahren über den Glauben und die Riten des Christentums und des Islam, ohne zu werten oder sie lächerlich zu machen. Und auch für die Kinder, die vielleicht noch christlich getauft wurden, ist vieles neu. Nur einige we- nige haben schon einmal hinter die Domtüren geschaut.
Staunend stehen die jungen Leute in dem mächtigen und doch ziemlich nüchternen Kirchenschiff. „Ist das echtes Gold da auf der Statue? Was kostet das?“, will Achmed sofort wissen. Löscher schmunzelt: Diese Frage hört sie fast immer. Und sie ist ein gutes Stichwort. „Was ist denn eigentlich wertvoll?“ Das Gold macht es nicht, eher das Alter und dass man es nicht so einfach nachmachen kann, wenn es zerstört wurde, da ist sich die Klasse einig.
Luan und Fatima zeigen am Weihwasserbecken, wie Muslime die rituellen Waschungen vor dem Gebet verrichten. Am Taufbecken geht es wieder um die Unterschiede: „Wer Christ werden will, muss sich taufen lassen“, sagt Jessica Löscher, „Moslem ist man automatisch mit einem muslimischen Vater.“ Bei den Führungen darf alles gefragt werden. Nur wenn es um aktuelle politische Debatten geht, halten sie sich raus. Und Beleidigungen werden nicht geduldet. Meistens wird viel gefragt, vor allem im Dom.
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