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„Je­sus springt mich an als Sta­chel im Fleisch"

Chris­ti­an Stückl ist Re­gis­seur und ins­ze­niert die Pas­si­ons­spie­le in Obe­ram­mer­gau zum vier­ten Mal. Ei­gent­lich soll­ten die Spie­le im Mai be­gin­nen, auf­grund der Co­ro­na-Pan­de­mie wur­den sie ins Jahr 2022 ver­scho­ben.

Al­le zehn Jah­re wird in Obe­ram­mer­gau die Hälf­te al­ler Ein­woh­ner zu Schau­spie­lern. Ein Jahr lang las­sen sie sich Haa­re und Bär­te wach­sen, um das Lei­den und Ster­ben Je­su auf die Büh­ne zu brin­gen. Das Al­pen­dorf er­füllt da­mit ein ural­tes Ver­sp­re­chen. Nach über­stan­de­ner Pes­te­pi­de­mie ge­lob­te die Ge­mein­de 1633, zum Dank in al­le Ewig­keit Pas­si­ons­spie­le auf­zu­füh­ren. Chris­ti­an Stückl, 58, ins­ze­niert das Spek­ta­kel, das zu­letzt mehr als ei­ne hal­be Mil­li­on Zu­schau­er an­lock­te, zum vier­ten Mal. We­gen der Co­ro­na-Pan­de­mie sind die Spie­le, die im Mai star­ten soll­ten, in das Jahr 2022 ver­scho­ben wor­den. Stückl, der die Pas­si­ons­spie­le ra­di­kal er­neu­ert hat, er­zählt im In­ter­view, warum er die Au­s­ein­an­der­set­zung sucht, es gut fin­det, dass ein Mos­lem ei­nen Jün­ger spielt, und wo er Je­sus be­geg­net.

Herr Stückl, seit 1987 füh­ren Sie Re­gie bei den Obe­ram­mer­gau­er Pas­si­ons­spie­len. Wird das nicht lang­wei­lig?

Ich bin ja noch In­ten­dant am Münch­ner Volks­thea­ter und ma­che vie­le ver­schie­de­ne Sa­chen. Obe­ram­mer­gau hat für mich ei­nen ganz spe­zi­el­len Wert. Ich bin mit den Spie­len auf­ge­wach­sen. Ich woll­te sie schon als 16-Jäh­ri­ger re­for­mie­ren.

Sie ha­ben den Schwer­punkt von der Pas­si­on auf das Le­ben Je­su ver­la­gert. Ist das nicht ein Bruch mit der Tra­di­ti­on?

Es gab schon 1880 die Dis­kus­si­on: Wie weit darf man ein Pas­si­ons­spiel ve­r­än­dern? Da­mals schrieb ein Pro­fes­sor für Thea­ter­wis­sen­schaf­ten, das Pas­si­ons­spiel hät­te nicht über­lebt, wenn es sich nicht stän­dig ge­wan­delt hät­te. Bis An­fang des 20. Jahr­hun­derts gab es in je­der Ge­ne­ra­ti­on ei­nen neu­en Text, ein neu­es Büh­nen­bild. Erst mit dem ein­set­zen­den Tou­ris­mus hat man vor der Ve­r­än­de­rung Angst be­kom­men. Dann hat sich 70 Jah­re fast gar nichts mehr ve­r­än­dert. Als ich 1980 als 18-Jäh­ri­ger mit­ge­spielt ha­be, gab es ei­nen rich­ti­gen Stau. Jetzt ma­che ich es zum vier­ten Mal. Je­des Mal ha­ben wir ein neu­es Büh­nen­bild, ha­ben an der Mu­sik und am Text ge­ar­bei­tet. Wir se­hen uns da in ei­ner gu­ten Tra­di­ti­on – in der Tra­di­ti­on der Ve­r­än­de­rung.

Wor­auf le­gen Sie bei Ih­rer Ins­ze­nie­rung be­son­de­ren Wert?

Als ich an­ge­fan­gen ha­be, wur­den wir zu Recht an­ge­grif­fen, dass un­ser Pas­si­ons­spiel an­ti­jü­di­sche Zü­ge hat. Für mich war wich­tig, Je­sus in sei­nem ei­gent­li­chen Um­feld zu zei­gen: nicht als den ers­ten Chris­ten, son­dern als Ju­den. Beim ers­ten Mal war ich selbst noch sehr jung und ha­be ge­dacht, Je­sus muss ein Re­vo­luz­zer sein. Und da war mir haupt­säch­lich wich­tig zu zei­gen: Er ist laut, er ist kräf­tig, er stellt et­was dar. Beim letz­ten Mal 2010 war mir wich­tig, mehr Ge­wicht auf die Je­sus­ge­schich­te zu le­gen, weil ich das Ge­fühl hat­te, wir er­zäh­len nur die Lei­dens­ge­schich­te, die letz­ten sechs Ta­ge, und vie­le Men­schen wis­sen ei­gent­lich im­mer we­ni­ger über das Le­ben Je­su.

Und was neh­men Sie 2020 in den Blick?

Je­sus hat sich oft am Rand der Ge­sell­schaft auf­ge­hal­ten – er war ein Freund der Zöll­ner und Hu­ren. Am Teich geht er zu den Ar­men, zu de­nen, die nicht ins Was­ser kom­men, ob­wohl sie sich Hei­lung ver­sp­re­chen. Er geht zu den Kran­ken. In der Si­tua­ti­on, die wir ge­ra­de er­le­ben – mit Flücht­lin­gen, mit Ar­mut und Leid – stellt sich die Fra­ge: Was hat Je­sus uns zu sa­gen? Des­we­gen ha­be ich den ers­ten Teil der Pas­si­ons­spie­le stark um­ge­schrie­ben und ver­sucht, die so­zia­len Mo­men­te in den Blick zu neh­men.

Trotz­dem geht es in den Pas­si­ons­spie­len um Lei­den und Tod ...

Ich glau­be, dass es bei Je­sus über­haupt nicht um Tod geht. Wer die gan­ze Le­bens­ge­schich­te von Je­sus ver­steht, sieht, dass er nie den Stand­punkt ver­tritt: Dr­ü­b­en im nächs­ten Reich oder im Him­mel wird es bes­ser. Son­dern im­mer: Wir le­ben im Heu­te, wir le­ben im Jetzt. Die Kon­se­qu­enz, mit der er sei­ne Ide­en ge­lebt hat, mit der er sei­nen Weg ge­gan­gen ist, hat ihn letzt­lich ans Kreuz ge­bracht. Ich will nicht die Lei­dens­ge­schich­te Je­su be­sch­rei­ben, son­dern die Le­bens­ge­schich­te – sie ist viel wich­ti­ger.

Sie spie­len mit bis zu 2000 Dar­s­tel­lern. Ver­mit­teln Sie bei der Pro­ben­ar­beit auch Ih­ren ei­ge­nen Glau­ben?

Na­tür­lich tei­le ich mei­ne per­sön­li­che Mei­nung mit: in­dem ich Tex­te be­ar­bei­te wie aus Matt­häus 23: „Weh euch, ihr Schrift­ge­lehr­ten und Pha­ri­säer. Von au­ßen schaut ihr gut aus, aber von in­nen seid ihr fau­lig vor lau­ter Tod. Ihr über­tüncht die Gräb­er.“ Ich den­ke manch­mal: Da steckt mei­ne ei­ge­ne Wut auf die Kir­che mit drin – und: Warum gibt es da kei­ne Be­we­gung? Ich sch­rei­be die­se Tex­te ins Spiel und er­klä­re es mei­nen Schau­spie­lern. Vi­el­leicht bleibt bei dem ein oder an­de­ren et­was hän­gen.

Er­le­ben Sie das mit­un­ter?

Ich ha­be zum Bei­spiel ei­nen 19-Jäh­ri­gen. Er spielt den Ju­das, ist aber ein Mos­lem, der nun plötz­lich an­fängt, sich mit christ­li­chen Ge­dan­ken zu be­schäf­ti­gen. Da ha­be ich ge­merkt, da be­wegt sich et­was. Das mer­ke ich bei meh­re­ren. Ich spü­re bei man­chen un­ter 50-Jäh­ri­gen, dass sie in der Vor­stel­lung sit­zen und den­ken: „Oh Gott, das ist Re­li­gi­ons­un­ter­richt, muss ich mir das an­tun?“ Du kannst nicht je­den be­geis­tern. Mei­ne ei­ge­ne Mei­nung steckt stän­dig mit drin. Aber ich will nicht mis­sio­nie­ren.

Was ist Ih­re In­ten­ti­on?

Ich will ei­ne Au­s­ein­an­der­set­zung. Man muss sel­ber ein Bild ha­ben, wenn man 2000 Mit­wir­ken­den er­klä­ren will, wa-rum sie das Lied nicht auf Deutsch sin­gen, son­dern auf He­bräisch. Wenn man sagt: „Ihr be­tet das Haupt­ge­bet der Ju­den“, und sie sa­gen, „wir sind doch kei­ne Ju­den.“ Un­se­re ka­tho­li­schen und auch die evan­ge­li­schen Ge­hir­ne ver­ste­hen das nicht. Dann musst du stän­dig Wi­der­stän­de auf­b­re­chen, Fra­gen stel­len, dis­ku­tie­ren, re­den. Für mich ist es da­her wich­tig, vor je­den Spie­len mit den 40 Haupt­akteu­ren nach Is­ra­el zu fah­ren. Un­ser Bild von Je­sus ist ein fast deut­sches Bild – von Lu­ther und al­lem Mög­li­chen ge­prägt. Wenn man vor Ort ist, spürt man ei­nen ganz an­de­ren Je­sus.

Ha­ben Sie selbst manch­mal das Ge­fühl, hier be­geg­ne ich Je­sus?

Wenn ich Kin­der­bi­beln auf­schla­ge, dann den­ke ich: Wahn­sinn, wie Je­sus so hand­zahm ge­macht wird, da­mit er uns ja nicht stört. Da­bei stellt er sehr har­te For­de­run­gen: Wenn ihr eu­er Le­ben nicht än­dert ... Wenn ich hö­re, dass Leu­te Angst ha­ben vor der Is­la­mi­sie­rung des Abend­lan­des, den­ke ich: Ka­piert ihr ei­gent­lich, was das heißt, Christ zu sein? Es hat mit mei­nem rea­len Le­ben zu tun! Wenn ich an­de­re aus­g­ren­ze, weg­schaue, wenn es an­de­ren sch­lecht geht – springt Je­sus mich im­mer wie­der an und sagt: Denk um! Da fin­det Be­geg­nung statt.

Das heißt, Sie be­geg­nen Je­sus im­mer wie­der im All­tag?

Meis­tens als Sta­chel im Fleisch, der mich mahnt: So geht es nicht!

In­ter­view: Gu­drun Lux und Bea­trix Gram­lich

Zu­rück zur Nach­rich­ten­über­sicht Mai/Ju­ni 2020




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