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„Die Kir­che wird un­se­re Ver­bün­de­te sein“

Pa­tri­cia Gua­lin­ga vom Volk der Kich­wa in Ecua­dor ge­hört zu den 20 In­di­ge­nen, die von Papst Fran­zis­kus nach Rom zur Ama­zo­nas­syno­de ein­ge­la­den wur­den. Die 50-jäh­ri­ge Ka­tho­li­kin lebt in Sa­ra­ya­ku, ei­nem Ort im Re­gen­wald, des­sen 1200 Ein­woh­ner sich ge­gen Erd­öl­kon­zer­ne ge­wehrt ha­ben, die in das Ge­biet des Kich­wa-Vol­kes vor­drin­gen woll­ten. Gua­lin­ga sieht kei­nen Wi­der­spruch zwi­schen der Spi­ri­tua­li­tät der In­di­ge­nen und dem Chris­ten­tum.
„Die Kir­che ist un­se­re Ver­bün­de­te“, sagt sie.

Wie kam es, dass Sie zur Ama­zo­nas­syno­de nach Rom ein­ge­la­den wur­den?
Ich ha­be nach Ver­öf­f­ent­li­chung der En­zy­k­li­ka „Lau­da­to sí“ ver­sucht, mit dem Papst Kon­takt auf­zu­neh­men, ha­be ihm Brie­fe ge­schrie­ben und Bot­schaf­ten über die Nun­tia­tur ge­schickt. Als er 2015 Ecua­dor be­such­te, woll­te ich ihn sp­re­chen. Das war nicht mög­lich, weil die Re­gie­rung kei­nen Dia­log zwi­schen dem Papst und den In­di­ge­nen wünsch­te. Im Rah­men des Pa­na­ma­zo­ni­schen Netz­werks der Kir­che lern­te ich Kar­di­nal Cláu­dio Hum­mes ken­nen. Er war an­ge­tan von mei­ner Idee, wie in­te­gra­le Öko­lo­gie und mo­der­ne Tech­no­lo­gie ver­bun­den wer­den kön­nen, so­dass ich ein­ge­la­den wur­de.

In der Be­rich­t­er­stat­tung zur Syno­de konn­te man vor al­lem über strit­ti­ge The­men wie Frau­en­dia­ko­nat und „Vi­ri pro­ba­ti“ – be­währ­te, ver­hei­ra­te­te Män­ner als Pries­ter – le­sen. Wa­ren das die zen­tra­len Fra­gen?
Für uns In­di­ge­ne vom Ama­zo­nas war die in­te­gra­le Öko­lo­gie (die nicht nur Pflan­zen und Tie­re, son­dern auch Men­schen ein­be­zieht, An­merk. d. Red.) zen­tral. Von Sei­ten der kirch­li­chen Teil­neh­mer war die Fra­ge der Evan­ge­li­sie­rung enorm wich­tig. Und weil es da­zu im Vor­feld schon sehr kon­trä­re Po­si­tio­nen gab, hat sich die Pres­se dar­auf kon­zen­triert. Ich den­ke, al­le The­men ka­men bei der Syno­de aus­führ­lich zur Spra­che.

Was ist aus Sicht der In­di­ge­nen das wich­tigs­te Er­geb­nis?
Die Übe­r­ein­stim­mung, dass man Ama­zo­ni­en als Le­bens­raum wür­di­gen und schüt­zen muss. Zen­tra­le Ide­en un­se­rer Völ­ker sind in das Ab­schluss­do­ku­ment ein­ge­gan­gen. Es gibt gro­ße Über­schnei­dun­gen, et­wa wenn vom Le­ben in Har­mo­nie die Re­de ist, was un­se­rer Idee des „Su­mak kaw­say“ ent­spricht.

Das be­deu­tet?
Ein selbst­be­stimm­tes Le­ben in Har­mo­nie mit der Na­tur und den Men­schen un­te­r­ein­an­der. In Sa­ra­ya­ku et­wa ver­su­chen wir, ei­nen Weg zwi­schen Tra­di­ti­on und Mo­der­ne zu ge­hen. Es gibt im Dorf Sa­tel­li­ten-In­ter­net, ge­mein­de­ba­sier­ten Tou­ris­mus, ei­ne Ge­mein­schafts­bank und ei­ne ei­ge­ne Flug­li­nie, je­doch kei­ne Stra­ßen, weil sie den un­kon­trol­lier­ten Zu­gang von Ein­dring­lin­gen er­mög­li­chen. Auch evan­ge­li­ka­le Kir­chen ha­ben wir in der Ge­mein­de­ver­samm­lung ab­ge­lehnt, weil sie re­li­giö­se Kon­f­lik­te an­hei­zen, die Be­völ­ke­rung spal­ten und da­mit de­ren Zu­sam­men­halt schwächen. „Su­mak kaw­say“ be­deu­tet manch­mal auch Ver­zicht, et­wa, wenn wir mit Lia­nen­gift nur noch al­le sechs Mo­na­te fi­schen, da­mit der Fisch­be­stand nicht ge­fähr­det wird. Und die gro­ße kol­lek­ti­ve Jagd, die früh­er halb­jähr­lich statt­fand, steht nun nur noch al­le zwei Jah­re auf dem Pro­gramm.

Wie ha­ben Sie die Zeit in Rom er­lebt?
Ich kam lei­der acht Ta­ge zu spät we­gen der Pro­tes­te ge­gen die Re­gie­rung in Ecua­dor, bei de­nen die in­di­ge­nen Völ­ker ei­ne fe­der­füh­r­en­de Rol­le spiel­ten. Am meis­ten be­ein­druckt hat mich die Herz­lich­keit des Paps­tes ge­gen­über uns In­di­ge­nen. Er hat uns im­mer wie­der ge­be­ten, of­fen zu sp­re­chen. Dar­auf­hin ha­ben uns al­le Be­tei­lig­ten re­spekt­voll zu­ge­hört, wenn­g­leich vie­le mit un­se­ren Ide­en vom „Gu­ten Le­ben“ in Har­mo­nie mit der Na­tur und all ih­ren Geis­tern und Le­be­we­sen und mit un­se­ren Vor­schlä­gen zum um­fas­sen­den Rechts­schutz des Re­gen­wal­des und der in ihm le­ben­den in­di­ge­nen Völ­ker nicht ein­ver­stan­den wa­ren.

Gab es auch Un­stim­mig­kei­ten?
Es gab kei­ne of­fe­nen Kon­f­lik­te, aber ich spür­te manch­mal un­ter­schwel­lig Wi­der­stand. In den ers­ten Ta­gen gab es Grüpp­chen, die sich bil­de­ten und Di­s­tanz zu uns hiel­ten. Auch die sehr ze­re­mo­ni­el­le Spra­che fand ich ge­wöh­nungs­be­dürf­tig. Wir In­di­ge­nen sa­gen recht sch­nell, wo der Schuh drückt und was wir als Lö­sung vor­schla­gen, aber die Geist­li­chen ma­chen aus je­dem Re­de­bei­trag ei­ne Dok­tor­ar­beit. Im Lau­fe der Zeit aber ver­stand je­der, wie der an­de­re tickt. Von au­ßen gab es von ge­wis­sen Me­di­en Ver­su­che, die Syno­de zu ma­ni­pu­lie­ren: aus dem Kon­text ge­ris­se­ne Zi­ta­te, ag­gres­si­ve Fra­gen von Jour­na­lis­ten, sol­che Din­ge.

Wie war die Be­geg­nung mit dem Papst?
Fran­zis­kus ist ei­ne sehr be­schei­de­ne Per­son. Er ist warm­her­zig und zu­gäng­lich und hat ei­ne sehr kla­re Vi­si­on und ei­ne enor­me Fähig­keit zur Ana­ly­se. Er hat ein Ad­lerau­ge und war bes­tens in­for­miert. Er wuss­te auch sehr gut, was in Ama­zo­ni­en vor sich geht.

Was hat Sie als Frau am meis­ten be­ein­druckt?
Die star­ke und ak­ti­ve Teil­nah­me von in­di­ge­nen Frau­en aus ganz Ama­zo­ni­en. Wir konn­ten gleich­be­rech­tigt re­den und frei un­se­re An­lie­gen vor­tra­gen.

Was war Ih­re Kern­bot­schaft?
Ich ha­be vier Mi­nu­ten ge­spro­chen so wie al­le an­de­ren Red­ner, und ich ha­be mich da­bei auf die In­ves­ti­tio­nen und die Fi­nan­zen der Kir­che kon­zen­triert.

Das ist ein we­nig über­ra­schend, weil es ja auf den ers­ten Blick gar nichts mit Ama­zo­ni­en zu tun hat ...
Ge­nau des­halb ha­be ich es aus­ge­wählt, weil das The­ma sonst über­haupt nicht an­ge­spro­chen wor­den wä­re. Der Um­welt­schutz und un­se­re Kos­mo­vi­si­on wa­ren schon von an­de­ren in­di­ge­nen Sp­re­chern ab­ge­deckt wor­den.

Warum sind die Fi­nan­zen so wich­tig für Ama­zo­ni­en?
Wir in Sa­ra­ya­ku kämp­fen ja ge­gen die In­ter­es­sen der Erd­öl­kon­zer­ne. Ir­gend­wann wird ei­nem klar, dass hin­ter der von ih­nen ver­ur­sach­ten Um­welt­zer­stör­ung viel Geld und mäch­ti­ge In­ves­to­ren ste­cken. Die ka­tho­li­sche Kir­che als In­sti­tu­ti­on, vor al­lem die Va­ti­k­an­bank, kann da Stan­dards set­zen und darf die­ser Dis­kus­si­on nicht aus­wei­chen. Dar­um ha­ben wir Papst Fran­zis­kus in ei­nem ge­son­der­ten Brief noch­mals ge­be­ten.

Wie lau­tet Ih­re Bi­lanz der Syno­de aus in­di­ge­ner Sicht?
Wir in­di­ge­nen De­le­gier­ten sind zu­frie­den. Wir ha­ben es ge­schafft, dass die Kir­che The­men dis­ku­tiert, die für sie früh­er nicht zen­tral wa­ren. Bei der Evan­ge­li­sie­rung ist ein Fort­schritt er­reicht wor­den – in Aus­nah­me­fäl­len dür­fen in Ama­zo­ni­en be­währ­te, ver­hei­ra­te­te Män­ner zu Pries­tern ge­weiht wer­den. Ich glau­be, die Bi­sc­hö­fe und al­le, die auf der Syno­de wa­ren, sind ve­r­än­dert aus ihr her­aus­ge­gan­gen, mit ei­nem an­de­ren Blick. Al­le ha­ben neue Din­ge ge­lernt. Jetzt müs­sen wir das Be­spro­che­ne um­set­zen. Wir In­di­ge­nen den­ken, dass die Kir­che for­tan un­se­re Ver­bün­de­te sein wird.

In­ter­view: San­d­ra Weiss
und Eva-Ma­ria Wer­ner

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