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Was kann die Medizin tun?
Interview mit Priv.-Doz. Dr. med. Dan mon O'Dey
Wann sind Sie zum ersten Mal in Kontakt mit dem Thema „Genitalverstümmelung“ gekommen?
Durch einen Artikel in einer Tageszeitung. Ich habe von den Problemen gelesen, war berührt und wusste: „Ich habe darauf Antworten.“
Inwiefern?
Ich habe mich als Plastischer Chirurg bereits seit längerem mit der Wiederherstellung weiblicher Geschlechtsorgane beschäftigt. Tumore etwa können Operationen bedingen, die zu Deformierungen mit Form- und Funktionsverlust führen. Ich interessiere mich besonders für die Wiederherstellung der regelrechten Anatomie und habe mir Schicht für Schicht der betroffenen Körperregion genauer angeschaut. Mein Ziel war, eine Methode zu entwickeln, die den Frauen nicht nur die Funktion, sondern auch die Form ihres äußeren Genitals wiedergeben kann.
Wie kann man sich das vorstellen?
Bei der weiblichen Genitalbeschneidung wird unter anderem der äußere Teil des Klitorisorgans entfernt. Der weitaus größere Organanteil liegt aber in der Tiefe. Aus dem tiefen Teil rekonstruiere ich den amputierten, gefühlsvermittelnden äußeren Teil. Dabei entferne ich entstandene Vernarbungen, verlagere die verbliebenen Nervenbahnen und rekonstruiere eine neue Klitorisspitze. Falls größere Anteile der Vulva fehlen, wie z.B. der Eingang mit äußeren und inneren Schamlippen, rekonstruiere ich diese mit einer von mir speziell entwickelten Lappenplastik. Nach der Wundheilung kann man mit bloßem Auge kaum unterscheiden, ob es sich um eine beschnittene oder unbeschnittene Frau handelt. Die Region von der das Gewebe (sog. Lappenplastik) für die anatomische Rekonstruktion stammt, wird narbenbezogen kaschiert und ist kaum erkennbar. Nach einer mehrere Monate dauernden „nervalen Regeneration“ kommt bei den Patientinnen das klitorale Empfinden zurück.
Sprechen Sie selbst von Genitalbeschneidung oder Genitalver-stümmelung?
Im Sinne der Patientinnen eher von Genitalbeschneidung. Meine Erfahrung zeigt, dass viele Patientinnen sich mit dem Wort „Verstümmelung“ zumindest ohne Aufklärung eher schwertun. Sie wissen, dass der Eingriff kulturell verwurzelt ist und haben oftmals Schwierigkeiten, eine Menschenrechtsverletzung darin zu sehen. Es ist ein Prozess, die Dinge unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten und sie auch so zu benennen.
Sie waren in Tansania, um mit den Massai über Genitalverstümmelung zu sprechen, warum?
Ich wollte mehr über den kulturellen Hintergrund verstehen, mit Eltern, Betroffenen und Beschneiderinnen reden, ergründen, wie die Männer da-rüber denken und erfahren, wie es um die medizinische Versorgung vor Ort bestellt ist. Zudem war es Ziel, mein Wissen über die Rekonstruktion unter Fachärzten zu verbreiten. Dies tat ich durch Vorträge und Gespräche.
Warum haben Sie sich gerade in diesem Gebiet der Plastischen Chirurgie spezialisiert?
Weil ich die Notwendigkeit gesehen habe, auf diesem Gebiet weiterführende Operationstechniken zu entwickeln, welche die körperliche und seelische Integrität wiederherstellen können und es ermöglichen, ein normales Geschlechtsleben zu führen.
Interview: Eva-Maria Werner
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