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Zei­chen der Lie­be in Au­sch­witz fin­den

Pfar­rer Man­f­red De­se­laers lebt seit mehr als 30 Jah­ren als deut­scher Seel­sor­ger im pol­ni­schen Au­sch­witz.
Er ist über­zeugt: En­ga­ge­ment und Er­in­ne­rung kön­nen hel­fen, un­se­re Welt zu hei­len.

In­ter­view: Eva-Ma­ria Wer­ner
Fo­tos: KNA-Bild


Man­f­red De­se­laers, 68, lei­tet als Aus­lands­seel­sor­ger der Deut­schen Bi­schofs­kon­fe­renz das Zen­trum für Dia­log und Ver­söh­nung in Au­sch­witz und führt Grup­pen durch das ehe­ma­li­ge Kon­zen­t­ra­ti­ons­la­ger. Die Be­geg­nun­gen mit ehe­ma­li­gen Häft­lin­gen sind für ihn zu „Schlüs­sel­mo­men­ten“ ge­wor­den.

Sie ha­ben über den Au­sch­witz­kom­man- dan­ten Ru­dolf Höß pro­mo­viert. Was ha­ben Sie aus sei­ner Bio­gra­fie ge­lernt?
Höß ist nicht vom Mond ge­fal­len, er war ein Mensch. Al­le, die nach dem Krieg mit ihm ge­spro­chen hat­ten, wa­ren über­rascht, wie „nor­mal“ er war. Die Schlüs­sel­fra­ge ist für mich: Wie kann ein nor­ma­ler Mensch so et­was Sch­reck­li­ches tun? Höß fand in der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ideo­lo­gie ei­ne Recht­fer­ti­gung für die Ju­den­ver­nich­tung. An­fangs hat­te er kei­ne Zwei­fel an dem, was er tat.

Das blieb aber nicht so ...
In sei­nem Pro­zess schil­dert er Sze­nen auf der Ram­pe – wie Kin­der spie­len und ei­ne Frau ihn an­sch­reit. Er muss stun­den­lang durch die Ge­gend rei­ten, um die­se Bil­der zu ver­drän­gen. Ich den­ke, in sei­nen Ge­wis­sens­bis­sen zeigt sich die Stim­me Got­tes. Wenn wir sa­gen, Au­sch­witz darf nie wie­der pas­sie­ren, müs­sen wir ver­ste­hen, was falsch ge­lau­fen ist.

Ha­ben wir ver­stan­den? Auch heu­te sind Men­schen wie­der an­fäl­lig für Ideo­lo­gi­en, gren­zen an­de­re aus ...
Un­ser Ge­wis­sen kann uns hel­fen zu er­ken­nen, wel­ches Men­schen­bild falsch ist und was an ei­ner Ideo­lo­gie nicht stimmt. Die Zehn Ge­bo­te sind je­dem ins Herz ge­schrie­ben. Wie sieht un­se­re Be­zie­hung zu an­de­ren aus? Vor al­lem zu de­nen, die nicht in un­ser Welt­bild pas­sen und uns in­fra­ge stel­len? Neh­men wir sie ernst und ge­ben ih­nen Platz? Das geht nicht oh­ne Of­fen­heit und Op­fer­be­reit­schaft. Wir müs­sen uns fra­gen: Ver­traue ich Gott oder ver­traue ich mei­ner Macht, mei­nen Waf­fen oder den Mau­ern, die ich um mich her­um ge­zo­gen ha­be?

Das Kon­zen­t­ra­ti­ons­la­ger scheint wie ein Ort, an dem die Men­sch­lich­keit ver­lo­ren hat. Sie wei­sen je­doch im­mer wie­der auf Zei­chen der Lie­be in Au­sch­witz hin. Wo er­ken­nen Sie die?
Neh­men wir das Bei­spiel von Ma­xi­mi­li­an Kol­be. Der Fran­zis­ka­ner op­fer­te sein Le­ben, in­dem er für ei­nen Fa­mi­li­en­va­ter in den Hun­gerbun­ker ging. Mi­li­tärisch hat er ver­lo­ren. Er ist er­mor­det wor­den. Die SS war so ge­se­hen stär­ker. Aber sei­ne Mit­häft­lin­ge sag­ten, dass sein letz­ter Akt der Lie­be und So­li­da­ri­tät in ei­ner Welt, in der al­le nur Angst um sich hat­ten und ter­r­o­ri­siert wa­ren, für sie ein Sieg der Lie­be über den Hass war. Kol­be hat ge­zeigt, dass es Wich­ti­ge­res gibt als zu über­le­ben. Und das ist zu lie­ben.

Zu ei­ner solch op­fer­be­rei­ten Lie­be sind aber nur die We­nigs­ten fähig, oder?
Sol­che Men­schen gab es im La­ger nicht wie Sand am Meer, aber es gab sie. Und den­ken Sie an Ale­xej Na­wal­ny, der kürz- lich im si­bi­ri­schen Strafla­ger ums Le­ben kam. Der rus­si­sche Op­po­si­tio­nel­le ist nach sei­ner Ver­gif­tung und Ge­ne­sung aus Deut­sch­land nach Russ­land zu­rück­ge­kehrt, ob­wohl er wuss­te, was das be­deu­ten wür­de. Die Re­ak­tio­nen auf sei­nen Tod zei­gen, dass die Men­schen spü­ren: Er ist zu­rück­ge­kom­men für uns.

Sein Op­fer war nicht um­sonst?
Ja. Es lohnt sich, sich zu en­ga­gie­ren, auch wenn man da­für ei­nen ho­hen Preis zah­len muss. Die­se Ein­stel­lung fin­de ich sehr wich­tig. Sie kann un­se­re Welt, die so zer­s­trit­ten ist, hei­len. Um die­sen Weg zu ge­hen, braucht man aber die in­ne­re Ge­wiss­heit, von Gott ge­hal­ten zu sein.

Sie fin­den die Fra­ge, warum Gott Au­sch­witz zu­ge­las­sen hat, falsch. Warum?
Wenn wir so fra­gen, be­han­deln wir die­se Tra­gö­d­ie, als wä­re Gott für sie ver­ant­wort­lich. Aber warum fra­gen wir über­haupt nach der Ver­ant­wor­tung Got­tes und nicht nach der der Men­schen? Ein ehe­ma­li­ger Häft­ling hat ge­sagt: „Wor­auf ha­ben wir ge­war­tet? Auf Men­schen, die uns be­f­rei­en, die uns nicht ver­ges­sen!“

Es liegt al­so vor al­lem an uns?
Wir ha­ben die Wahl, Gu­tes oder Bö­ses zu tun. Ein Stück Brot dort zu „ver­ges­sen“, wo ein hun­gern­der Häft­ling es fin­det, war ein men­sch­li­ches Zei­chen in ei­nem un­men­sch­li­chen Sys­tem.

Im­mer wie­der for­dern Stim­men ein En­de der Er­in­ne­rungs­kul­tur. Was ent­geg­nen Sie?
Die Er­in­ne­rung an Au­sch­witz ist wich­tig, weil wir oh­ne sie vie­le Fol­gen wie et­wa die Ent­ste­hung des Staa­tes Is­ra­el oder die deutsch-pol­ni­schen Be­zie­hun­gen nicht ver­ste­hen. Wenn wir die Ge­schich­te nicht ken­nen, be­g­rei­fen wir un­se­re Welt nicht.Wir müs­sen uns an­schau­en, was pas­siert ist, da­mit es nicht noch­mal ge­schieht. Da­für sind wir ver­ant­wort­lich! Wenn die Er­in­ne­rung nicht da­zu führt, dass wir uns fra­gen, wie wir übe­r­ein­an­der den­ken und als Men­schen im glo­ba­len Dorf mit­ein­an­der um­ge­hen, dann kön­nen wir es auch sein las­sen.

In Kri­sen­zei­ten sa­gen man­che: Ich kann kei­ne Nach­rich­ten mehr schau­en. Sie je­doch set­zen sich seit Jahr­zehn­ten schwie­ri­gen The­men aus. Wie schaf­fen Sie das?
Man muss im­mer da an­fan­gen, wo man steht. Bes­ser we­ni­ger, da­für aber ir­gend­wo ge­nau hin­gu­cken. Wenn ich et­wa an die Ukrai­ner in Deut­sch­land den­ke, könn­te man fra­gen: Was für ei­nen Kon­takt ha­ben wir zu ih­nen? Gibt es Or­te, an de­nen sie ih­re Ge­schich­te er­zäh­len kön­nen? Ein wa­cher Le­bens­s­til ist wich­tig. Aber weil wir nicht al­les ver­dau­en kön­nen, brau­chen wir auch Rück­zugs­mög­lich­kei­ten und Raum fürs Nach- den­ken, für Aus­tausch, für Ge­bet. Ich bin nicht übe­rall ge­for­dert, aber ir­gend­wo bin ich ge­for­dert!

Sie pf­le­gen en­ge Kon­tak­te nach Russ­land und in die Ukrai­ne. Was ist Ih­re Vi­si­on für die Zeit nach dem Krieg?
Ich ha­be kei­ne Vi­si­on für die Zeit da­nach, denn wir ste­cken ja noch mit­ten im Krieg. Was kann man jetzt tun? Ich sa­ge nicht: Frie­den schaf­fen oh­ne Waf­fen. Aber die Re­de ist im­mer von Mil­li­ar­den, die wir in Rüs­tung in­ves­tie­ren müs­sen. Wie viel En­er­gie ver­wen­den wir Chris­ten denn dar­auf, We­ge der Ver­söh­nung zu fin­den? Ich se­he da nur sehr we­ni­ge Be­müh­un­gen.

Wer­den Sie des­we­gen an­ge­grif­fen?
Es gibt Leu­te, die mir sa­gen: „Du hast gut re­den. Aber in den glo­ba­len Zu­sam- men­hän­gen re­gie­ren an­de­re Mäch­te.“ Doch die ha­ben im­mer re­giert. Chris­ten ha­ben auch schon früh­er die Welt ve­r­än­dert, sind als Frie­dens­ver­mitt­ler auf­ge­t­re­ten. Ich ha­be die Er­fah­rung ge- macht, dass Ver­söh­nung mög­lich ist, wenn man Räu­me der Be­geg­nung schafft und We­ge sucht, um ein­an­der zu­zu­hö­ren.

Zu­rück zur Nach­rich­ten­über­sicht 2/2024




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