Foto: Massie |
|
„Mut ist Ausdruck des Glaubens“
Priester Jacques Mourad im Interview über den Wiederaufbau des Klosters Mar Elian
Der syrisch-katholische Priester Jacques Mourad will das vom IS verwüstete Kloster Mar Elian im syrischen Qaryatein wieder zu einem Ort des Friedens und der Begegnung von Christen und Muslimen machen. Mourad gehört der Gemeinschaft von Mar Musa an und war 2015 von Dschihadisten entführt und monatelang gefangen gehalten worden. Im kontinente-Interview erzählt er vom Wiederaufbau-Projekt.
Was bewegt Sie dazu, Mar Elian wiederzubeleben ?
Wir wollen mit diesem Projekt ein konkretes Zeichen der Hoffnung zu setzen. Das Projekt ist Zeugnis des Engagements der Kirche und soll zeigen, dass wir Veränderung bewirken können. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unserer Geschichte: Die Christen von Qaryatein sind seit dem ersten Jahrhundert hier angesiedelt, der Apostel Thomas hat hier gepredigt. Es ist nicht Gottes Wille, dass die Christen verfolgt werden und ihre Heimat verlassen müssen. Da müssen wir als Kirche handeln, auch aus Respekt gegenüber unserer Vorfahren, die ihren Glauben treu gelebt haben. Auch möchte ich die Menschen aus Qaryatein ermutigen, nachhause zurückzukehren, indem wir ihre zerstörten Häuser wieder aufbauen und ihre Felder neu bepflanzen.
Wieso ist das Kloster ein wichtiger Ort für sowohl Christen als auch Muslime ?
Wie alle heligen Orte in Syrien wird auch Mar Elian als Segensort für alle Menschen verstanden. Es war schon immer ein Pilgerort für Christen und Muslime, die aus unterschiedlichen Orten kommen. Nach all dem, was wir hier erlebt haben, ist dieser Ort noch bedeutsamer geworden, auch aufgrund seiner lebendigen Geschichte, an die sich die Menschen mit Mut und Dank erinnern. Ich muss an dieser Stelle anmerken, dass es die Muslime sind, die uns auffordern, die Reliquien von Mar Elian zurückzugeben, die sich im Moment in Homs befinden.
Wie wollen Sie an diesem Ort die Menschen zusammenbringen?
Die Menschen sind bereits zusammengekommen, jeden Tag gibt es viele Kloster-Besuche. Natürlich ist es ganz anders als vor der Verwüstung durch den IS 2016. Unser Plan ist es, das Kloster wieder zu einem Begegnungs- und Pilgerort zu machen, zu einer Friedensoase, die von mutigem Glauben zeugt. Um das zu realisieren, werden wir erst die Häuser der Christen und Muslime wiederaufbauen und Hilfen bereitstellen, damit sie ihre Felder erneuern können.
Sie wurden 2015 vom islamischen Staat entführt. Inwiefern beeinflusst diese Erfahrung Ihr Handeln in Bezug auf Mar Elian?
Ich wandle weiter auf meinem spirituellen Weg voller Vertrauen in Gott, der mir den Weg weist. Dieses Vertrauen ist wie ein Tanz auf dem Wasser, bei dem ich ihm mein Leben anvertraue und er mir im Gegenzug alle Menschen anvertraut, die mich umgeben. Deshalb gehören für mich selbst die Dschihadisten zu denjenigen, die Gott für meinen Weg vorgesehen hat. Diese Entscheidung Quaryatein wiederaufzubauen, um den Christen hier wieder ein Leben in Würde ermöglichen zu können, ist eine klare Antwort auf das, was mir widerfahren ist. Mit der Aufbauarbeit zeigen wir: Wir glauben in einen lebendigen und gerechten Gott.
Wie ist die Situation vor Ort? Ist die Wiedereröffnung des Klosters gefährlich?
Momentan gleicht die Situation in Qaryatein einem Albtraum, weil mehr als die Hälfte der Stadt zerstört ist. Circa 8000 Menschen sind trotzdem schon zurückgekehrt, sie beweisen Mut und Geduld. Zum Glück sind ein paar Schulen geöffnet, auch das Stadtkrankenhaus hat wieder aufgemacht. Um gute Bildungsarbeit und Krankenversorgung zu leisten, fehlt es aber noch dringend an Hilfen. Im Moment ist es hier nicht gefährlich, aber tragischerweise hat der Krieg dazu geführt, dass die Syrer ihr Vertrauen in alles verloren haben.
Sind Sie eine mutige Person?
Mut ist Ausdruck des Glaubens.
Wann werden Mitbrüder und -schwestern wieder in Mar Elian leben können?
Dieses Jahr kann noch keiner ins Kloster einziehen. Die Zimmer sind noch nicht bezugsfertig, wir brauchen noch Zeit und Geld. Ab Frühjahr 2023 könnte es möglich sein, wieder in Mar Elian zu wohnen. Bis dahin folgen wir aber den Arbeiten und überprüfen sie regelmäßig.
Wer wird den Wiederaufbau des Klosters finanzieren?
Bis jetzt haben wir noch keine Freiwilligenorganisation um Hilfen gebeten, weil wir noch keinen Bischof in unserer Diözese Homs haben. Aber das Orient-Hilfswerk Frankreichs, „Œuvre d’Orient“, hat das Projekt der Baumpflanzung finanziert. Mit einer weiteren, großzügigen Spende dieses Hilfswerks werden bald die Aufbauarbeiten der Häuser der Christen Quaryateins beginnen. Wir brauchen aber noch mehr finanzielle Unterstützung, um auch den Aufbau des Klosters und der Kirche voranzutreiben. Gleichzeitig sind wir uns über unsere Rolle in der Stadt bewusst: Wir können uns nicht nur um uns kümmern, wir müssen auch an Projekten in der Stadt teilnehmen, Schulen und Krankenhäuser fördern.
Interview: Beatrix Gramlich; Foto: Cécile Massie
Zurück zur Nachrichtenübersicht Mai/Juni 2022
|