Steiniger Weg zum Frieden
Sri Lanka hatte schon immer einen widersprüchlichen Ruf: Auf der einen Seite ein Urlaubsparadies mit Wellnessangeboten. Auf der anderen Seite Schauplatz eines brutalen 30-jährigen Bürgerkriegs mit knapp 100.000 Opfern, in dem die Religion eine fatale Rolle gespielt hat.
Friedensgebet: Der drei Jahrzehnte dauernde Bürgerkrieg ist zu Ende. Doch viele Menschen warten noch auf Versöhnung und Normalität.
Überwiegend hinduistische Tamilen, die vor allem den Norden bewohnen, kämpften im Bürgerkrieg gegen buddhistische Singhalesen. Die Tamilen machen etwa 18 Prozent der gut 20 Millionen Einwohner aus. Während der Kolonialzeit wurden sie von den Briten gefördert, um die Mehrheit der buddhistischen Singhalesen kleinzuhalten. So stellten sie einen großen Teil der Verwaltung und waren überdurchschnittlich gut gebildet. Die Singhalesen rächten sich nach der Unabhängigkeit 1948 und verdrängten die Tamilen aus vielen öffentlichen Positionen. Das führte zu deren Radikalisierung. Ausdruck davon waren die „Liberation Tigers of Tamil Eelam“, zumeist „Tamil Tigers“ genannt. Diese Bewegung wollte die Abspaltung von Sri Lanka mit Gewalt durchsetzen.
Entwurzelt und traumatisiert
Ein Anschlag auf eine Kaserne im Juni 1983 gilt als Beginn des Bürgerkrieges. Fast drei Jahrzehnte dominierten die „Tamil Tigers“ den Norden; Waffen besorgten sie sich über das Meer. Als es der Armee gelang, ihre Flotte zu zerstören, war das Ende der Tigers eingeläutet. Doch der Preis war hoch, knapp 300.000 Menschen waren am Ende Flüchtlinge im eigenen Land, entwurzelt, traumatisiert, perspektivlos. Buddhistische Mönche haben die Militäroperationen mit all ihren Grausamkeiten als „humanitäre Kampagne“ gepriesen, die verantwortlichen Offiziere gesegnet und die Regierung zur Unnachgiebigkeit angehalten. Das steht im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung über den Buddhismus, der als besonders friedfertige Religion gilt. In Sri Lanka hat die Lehre Buddhas eine nationalistische Note bekommen. Mangala, selbst ein Mönch, erläutert die Motivation seiner Glaubensbrüder. Der 29-Jährige führt im Norden Trainingsprogramme für tamilische und singhalesische Jugendliche durch. Mangala räumt ein: „Als der Buddhismus nach Sri Lanka gekommen ist, wurden die Mönche zu Ratgebern des Königs. Damit fiel ihnen auch die Aufgabe zu, das Land zu beschützen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Der singhalesische Buddhismus sieht sich in der Pflicht, das Land und seine Einheit zu verteidigen.“ Bis heute bedient sich die Regierung des Buddhismus. Er boomt im Norden. Die Regierung propagiert die Aussöhnung und pumpt viel Geld dorthin. Neue Straßen werden gebaut, alte erweitert und neue Gebäude entstehen aus den Ruinen. Dazwischen künden große Schautafeln in Singhalesisch, Tamilisch und häufig auch Englisch von der nationalen Versöhnung. Vordergründig hat die Regierung einiges erreicht. Nahezu alle Flüchtlinge sind inzwischen wieder angesiedelt. Mit Unterstützung ausländischer Hilfsorganisationen haben manche von ihnen eine Perspektive. Noch etwa 5000 befinden sich in Lagern im äußersten Nordosten, darunter 1500 ehemalige Tiger-Kämpfer.
Das religiöse Leben ist neu erwacht
Unter den Neubauten befinden sich buddhistische Tempel, obwohl der Buddhismus keinerlei Wurzeln im Norden hat. „Wir haben gewiss nichts gegen den Buddhismus, aber die Tempel, die hier gebaut werden, sollen den singhalesischen Soldaten mit ihren Familien bei uns eine neue Heimat geben. Das ist kein Beitrag zur Versöhnung“, beklagt ein alter Tamile, der lieber nicht namentlich genannt werden möchte. Ungeachtet aller Probleme ist das religiöse Leben neu erwacht. Über zehn Prozent der Tamilen sind Christen, unter der Gesamtbevölkerung stellen sie knapp acht Prozent. Am Ende des Krieges waren nahezu alle Kirchen im Norden zerstört. In den ländlichen Gebieten dominieren bis heute ausgebrannte Ruinen, doch in den größeren Orten ist wieder eine gewisse Normalität eingekehrt.
Ruf nach Freiheit bleibt ungehört
Madhu ist das regionale Zentrum der Katholiken und ein berühmter Marienwallfahrtsort. Während des Krieges war die Kirche lange Zeit ein wichtiger Zufluchtsort, bis auch sie zwischen die Fronten geriet. So ganz hat sich der Ort noch nicht davon erholt. Von den einstmals mehr als 5000 Einwohnern ist knapp die Hälfte nicht wieder zurückgekehrt. Wer konnte, floh nach Indien.
Der Pfarrer von Madhu, Santhiapally Emilianuspillai, ist ein beeindruckender Mann, nicht nur wegen seiner Körperfülle. Er wirkt ebenso furchtlos und entschieden wie warmherzig und gastfreundlich. Und er ist einer der wenigen, der den Mut hat, die Probleme offen anzusprechen. Emilianuspillai beklagt, dass die Spaltung zwischen den beiden Volksgruppen sogar mitten durch die katholische Kirche geht:„Es ist schwer sich einzugestehen, aber wir haben keine Stimme. Sogar die singhalesischen und tamilischen Katholiken sind gespalten, denn unser Ruf nach Freiheit wird nicht gehört. In der Vergangenheit, während der letzten Phase des Krieges, hat die Kirche geschwiegen, als Tausende von Menschen gestorben sind. Darum denken viele Menschen, die Kirche war nicht mit ihnen. Aber Christi Kirche ist eine Kirche der Liebe, der Gerechtigkeit und der Einheit, auch wenn wir davon manchmal nicht viel spüren.“
Doch Emilianuspillai sieht auch Zeichen der Hoffnung. Zu der großen Wallfahrt an Mariä Himmelfahrt kommen nicht nur tamilische Christen. Es ist ein Ereignis, dass alle ethnischen und religiösen Gruppen im Land anspricht. Die Hinduisten kennen viele Muttergottheiten und die Buddhisten verehren Königin Maya, die Mutter des Erleuchteten. So hat Emilianuspillai seine ganz besonderen Erfahrungen mit der Wallfahrt gemacht: „Diese Kirche von Madhu wird von allen respektiert. Das spüre ich deutlich, wenn Tamilen und Singhalesen kommen. Dann geht es sehr friedlich zu. Im letzten August waren 600.000 Menschen hier, und es gab keinerlei Meinungsverschiedenheiten. Nur wenn Politiker auftauchen, dann gibt es viele Probleme.“
Es gibt also durchaus Hoffnung für den Norden von Sri Lanka, dass nach einem 30-jährigen Krieg echter Frieden einkehrt. Ein Friede, der nicht von den Gewehren der Soldaten gewährleistet wird. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Politik allmählich zurückzieht und es den Menschen selbst überlässt, Frieden zu schaffen und Versöhnung zu praktizieren, statt dies von oben zu propagieren. Zurückhalten müsste sich auch der buddhistische Klerus. Das ist eine ungewohnte Herausforderung für viele buddhistische Mönche. Womöglich liegt bei ihnen der Schlüssel zum Frieden. Dann könnten wieder Berichte über die faszinierende Landschaft und die attraktiven Urlaubsangebote das Bild von Sri Lanka prägen.
Von Klemens Ludwig
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