Zu Hause sterben wir langsamSie haben Freunde in der glühenden Wüstensonne sterben sehen, wurden überfallen, entführt, gefoltert.Jetzt warten die jungen Männer in Agadez, Nigers Tor zur Sahara, auf ihre nächste Chance. Sie wissen, dass die Flucht nach Europa lebensgefährlich ist, aber sie werden es wieder versuchen. |
Text: Beatrix Gramlich
Foto: Hartmut Schwarzbach
Ein Blick genügt, um zu erahnen, was diese Menschen hinter sich haben. In einem sandigen Hof sitzen sie auf einem Halbrund aus groben Holzbänken: ein Dutzend junge Männer, in sich zusammengesunken, als wäre alle Kraft aus ihrem Körper gewichen. Einige starren auf ihre Füße, andere verbergen das Gesicht in den Händen. Sie sind erschöpft, verzweifelt, desillusioniert. In ihrer Heimat sind sie die Hoffnungsträger, in Europa unerwünscht, im Niger ein Nichts.
Lehmmauern schirmen das Grundstück nach allen Seiten vor Neugierigen ab. Im Inneren des Gevierts steht ein Flachbau mit zwei nackten Räumen. „In God we trust“ hat jemand mit weißer Farbe an die Wand gepinselt. Es klingt wie ein trotziger Protest gegen diesen trostlosen Ort. Es gibt keine Küche, kein Bad, kein Wasser, nur ein Plumpsklo in der Ecke des Hofs. Wasser zum trinken, zum kochen, um sich und ihre Kleidung zu waschen, müssen sie in Kanistern kaufen. „Wenn wir schlafen gehen, legen wir Kartons auf den Boden“, sagt Emmanuel. Er kommt aus Nigeria und ist seit fünf Jahren auf der Flucht. „Wir haben Angst“, gesteht Thomas aus Liberia. „Der Besitzer will die Miete eintreiben und wir haben kein Geld.“ 45 Euro im Monat kostet das Quartier, das sich rund 40 Flüchtlinge teilen. Manche leben wochenlang hier, andere Monate. Sie suchen sich Gelegenheitsjobs, verrichten Handlangerdienste oder betteln in den Straßen – bis sie Geld genug haben und einen Schleuser finden, der sie durch die Sahara bringt.
Die Einwohner von Agadez, einer 120 000 Einwohner-Stadt im Norden des Niger, nennen die Flüchtlingsquartiere „Ghetto“. Die Menschen darin bleiben unsichtbar...
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