Laienmissionare im Einsatz
Berufen: Liesbeth Glas war Laienmissionarin in Afrika und hilft jetzt Afrikanern in den Niederlanden. ©: de Bode
Sie kündigen Job und Wohnung, nehmen Abschied von Freunden und Familie. Ihr Ziel: längerfristig in Afrika missionarisch tätig zu werden. Das Evangelium und die Botschaft Christi sind den Laienmissionaren dabei Richtschnur und innerer Kompass.
„Die weiße Frau hat Angst“, schallt es über das Wasser. Immer wieder rufen die Insassen des bedrohlich schwankenden Kanus, das sich mühsam seinen Weg über den Fluss bahnt, diese Worte. An Bord befindet sich Liesbeth Glas. Die niederländische Laienmissionarin ist auf dem Weg zu ihrem neuen Einsatzort in Liberia. Ihre Aufgabe: Das vom jahrelangen Bürgerkrieg verwüstete Dorf Maher Zoe Gbandy soll eine Schule bekommen. Am Ufer hat sich bereits eine kleine Menschenmenge angesammelt. Endlich angekommen, bleibt Liesbeth beim Aussteigen im Schlamm stecken. Mit vereinten Kräften ziehen die Einheimischen sie heraus. Barfuß und nass bis zu den Knien tritt sie den Dorfältesten entgegen. Spätestens jetzt kann sich niemand mehr das Lachen verkneifen. Das Eis ist gebrochen. „Das war mir unglaublich peinlich“, erinnert sich die heute 47-Jährige an ihre Ankunft und lacht. Die abenteuerliche Bootsfahrt sollte fortan zu ihrem regelmäßigen Arbeitsweg gehören. Extremer hätte der Unterschied zu Liesbeths früherem Leben kaum sein können. Bis sie 2001 nach Afrika aufbrach, war sie als Hotelmanagerin in Amsterdam tätig.
Für Gerechtigkeit, gegen Armut
„Es war eine Karriere, man verdient Geld, um seine Rechnungen zu bezahlen. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass etwas fehlte.“ Den Wunsch, den afrikanischen Kontinent nicht nur als Touristin zu besuchen, sondern sich dort für Gerechtigkeit und gegen Armut einzusetzen, hegte Liesbeth bereits seit ihrer Kindheit. Als sie von dem Ausbildungsprogramm für Laienmissionare der internationalen Ordensgemeinschaft Society of African Missions (SMA) hört, spricht sie dies sofort an. „Man arbeitet an der Basis, lebt mit den Menschen. Für mich ist das der Inbegriff der Botschaft Christi“, erklärt sie. Angesichts stetig sinkender Priesterzahlen machte sich die katholische Kongregation der SMA Afrikamissionare vor mehr als 25 Jahren auf die Suche nach zeitgenössischen Formen der Mission und des interkulturellen Dialogs. Man beschloss, neben Ordensleuten und Priestern auch Laien die Möglichkeit zu geben, sich missionarisch zu engagieren.
Dazu wurde 1985 ein Ausbildungszentrum für Laienmissionare ins Leben gerufen. Bewerber sollten zwischen 25 und 40 Jahre alt sein, eine katholische Lebensüberzeugung, soziales Engagement sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung mitbringen. Körperliche und psychische Belastbarkeit sind ebenfalls unabdingbar. Marcel Elsenaar ist der Koordinator des Ausbildungszentrums in Amsterdam und Ansprechpartner für Interessierte. Gemeinsam erörtert er mit ihnen ihre Beweggründe, klärt über die Arbeitsweise und Organisation der SMA auf. „Ich beobachte, dass viele aus ihrem Arbeitsalltag ausbrechen wollen“, sagt er. „Sie fühlen sich oft durch rigide Strukturen und Bestimmungen daran gehindert, ihren Mitmenschen bestmöglich zu helfen.“ Um als Laienmissionar zu bestehen, brauche es Durchhaltevermögen, Selbstständigkeit und manchmal müsse man auch ein bisschen starrköpfig sein. Denn: „Wer erwartet, dass die Organisation alles für einen macht, wird enttäuscht“, so der Theologe.
Sind sich beide Seiten einig, kann mit der einjährigen Vorbereitung auf eine Aussendung begonnen werden. Gemeinsam wird ein maßgeschneidertes Paket von zehn Wochenendschulungen zusammengestellt, die sich über sechs Monate verteilen. Im Mittelpunkt stehen das persönliche Engagement und die Motivation. Beschließt der Kandidat den nächsten Schritt zu tun, kündigt er seinen Job und zieht ins Ausbildungszentrum, um die dreimonatige Vollzeitausbildung zu absolvieren. Hier teilen Ordensmitglieder ihre langjährige Missionserfahrung, vermitteln Kenntnisse zu Missionsgeschichte, afrikanischer Kultur, Landeskunde und Entwicklungsthemen. Sprachkurse, Tropenkenntnisse und Gesundheitsfürsorge gehören genauso zum Programm wie Bibelkunde, Gottesdienstgestaltung und interkulturelle Kommunikation. Ein mehrwöchiger Afrikaaufenthalt gibt den künftigen Laienmissionaren Gelegenheit, Projekte kennenzulernen. Sind all diese Hürden erfolgreich genommen, geloben die neuen SMA-Mitglieder in einem feierlichen Gottesdienst ihrer Berufung treu zu sein. Der Aussendung zum künftigen Arbeitsplatz in Westafrika steht nun nichts mehr im Weg.
Mittendrin – Missionarsalltag
SMA-Laienmissionare werden für mindestens vier Jahre entsandt. Anfangs arbeiten die Neulinge gemeinsam mit erfahrenen Laienmissionaren. Alle SMA-Projekte sind in den Diözesen eingebettet. Während der Ortsbischof sich um die Arbeitserlaubnis kümmert und die Laienmissionare offiziell einstellt, sichert die örtliche SMA ihre Betreuung. Konkrete Inhalte der Arbeit werden mit den Menschen vor Ort vereinbart. Ihren Lebensunterhalt müssen die Laienhelfer von einem lokalen Monatsgehalt von etwa 350 Euro bestreiten. Zusätzlich sammeln sie in ihren Heimatgemeinden Spenden für ihre Projekte. Einsätze können beispielsweise Wiederaufbauarbeiten in Liberia, Mithilfe in Behinderteneinrichtungen in Ghana oder die Arbeit mit Straßenkindern in Tansania sein. Ferner bringen Laienmissionare ihre Fähigkeiten und Berufserfahrungen in der Gesundheitsfürsorge, an Schulen oder bei Landwirtschaftsprojekten ein.
Liesbeths erster Einsatzort war das liberianische Flüchtlingslager von Buduburam in Ghana. Hier packte sie an, wo sie nur konnte, half bei der Einrichtung sanitärer Anlagen, managte ein Landwirtschaftsprojekt für Frauen und hatte immer ein offenes Ohr für die Nöte der Menschen. „Mein erstes Jahr war sehr schwierig“, zieht sie Bilanz. „Direkt zu Beginn wurden wir Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls. Es gab keine Elektrizität, keine Gesundheitsversorgung.“ Als ihre Kollegin an Tuberkulose erkrankt und in die Niederlande zurückkehren muss, ist Liesbeth auf sich allein gestellt. „Ich habe 20 Kilo abgenommen. Es ist ein missionarisches Leben, das eine Menge persönlichen Einsatz fordert. Es ist kein Beruf, sondern eine Berufung.“ Als 2003 in Liberia Frieden einkehrte, begleitete die Laienmissionarin die heimkehrenden Flüchtlinge, half beim Wiederaufbau. Inzwischen ist auch die Schule im Dorf Maher Zoe Gbandy fertig, und über 100 Kinder werden hier unterrichtet. „Wir haben alles mit den Einheimischen geplant und gebaut“, erklärt Liesbeth. „Es war von Anfang an ihre Schule. Das garantiert den Erfolg des Vorhabens. Alle Projekte, die wir ins Rollen gebracht haben, laufen noch“, berichtet sie stolz. Häufig arbeiten die Laienmissionare in Projekten, die einst von SMA Ordensleuten ins Leben gerufen wurden. Sie können die Arbeit der Patres nicht ersetzen, aber sie können an deren Werk anknüpfen. Die engagierten Laien sehen ihren Auftrag weniger darin, das Evangelium zu predigen, als ihm durch ihre Lebensweise und ihr Handeln Ausdruck zu verleihen. „Evangelisierung ist heutzutage nicht mehr Teil der Mission“, gibt Liesbeth zu bedenken.„Die Menschen in Afrika sind wesentlich religiöser als die meisten Europäer. So gesehen ist unsere Arbeit in den Niederlanden missionarischer. Viele meiner Altersgenossen und junge Leute haben die Kirche schon vor langer Zeit verlassen. Die Kirche in Afrika hingegen ist sehr lebendig, sehr menschlich. Sie lebt unter den Menschen. Davon können wir viel lernen.“
Wieder daheim
Die Mission der engagierten Laien ist mit ihrem Auslandseinsatz nicht beendet. Die SMA will ihren reichen Erfahrungsschatz auch im Heimatland nutzen. Hier setzen sich die Laienmissionare für die Belange Afrikas und ein besseres Zusammenleben ein, werden in der Bewusstseinsbildung oder Lobbyarbeit aktiv. „Wenn sie zurückkehren, ist es wichtig, ihnen zuzuhören und sie zu unterstützen, hier ihren Weg zu finden“, sagt Elsenaar, „denn sie sind nicht mehr dieselben Menschen, die vor vier Jahren ausreisten. Wir helfen ihnen, Arbeit zu finden, in der sie ihre Afrikaerfahrung einbringen können. Manche sind als Gefängnisseelsorger oder Sozialarbeiter tätig, andere arbeiten mit Obdachlosen oder in Zentren für Asylsuchende. Die Reintegration funktioniert in der Regel gut.“
Liesbeth ist seit einem Jahr wieder in Amsterdam. Sie ist mit einem Liberianer verheiratet und hat eine kleine Tochter. Im Südosten der Stadt, der sich „ein bisschen wie Kleinafrika anfühlt“, arbeitet sie in einer Einrichtung für illegale Immigranten. Dank ihrer Erfahrung kann sie den Menschen gezielt helfen. Sie organisiert Niederländischunterricht, hilft bei Behördengängen und Arztbesuchen. „Ich bin immer noch Laienmissionarin“, sagt sie, „und mache meine Arbeit mit Leidenschaft, was ich von meinem früheren Hoteljob nicht sagen konnte.“ Liesbeth genießt es, wieder zu Hause zu sein, ist sich aber sicher: „Ich werde eines Tages nach Afrika zurückkehren.“
Von Marion Weißkirchen
Mehr Informationen unter www.sma-nederland.nl
Sie möchten mehr lesen? Bestellen Sie hier Ihr kostenloses kontinente-Probeabo.