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Mit Geld die Welt verbessern
Ethisch-ökologische Geldanlagen boomen. Viele Anleger schauen nicht mehr nur auf die Rendite. Sie wollen auch, dass ihr Geld Gutes bewirkt. Mit ihrer Marktmacht tragen sie zur Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft bei – in kleinen Schritten.
Kathrin Schmitt* hat von ihrem Onkel 50000 Euro geerbt. Als Lehrerin ist die 45-Jährige finanziell abgesichert. In nächster Zeit plant sie keine größeren Anschaffungen. Daher beschließt sie, das geerbte Geld anzulegen, als zusätzliche Altersvorsorge. Sicherheit ist ihr wichtig. Mit Finanzfragen hat sie sich bisher noch nicht tiefer befasst. Und auch in Zukunft möchte sie nicht jeden Abend die Börsenkurse verfolgen. Sie entschließt sich, die Hälfte des Geldes sicher auf einem Festgeldkonto anzulegen – das derzeit allerdings so gut wie keine Zinsen bringt – und die andere in einen nachhaltigen Aktienfonds zu investieren. Das ist mit etwas mehr Risiko, dafür aber auch mit einer höheren Rendite verbunden. Kathrin Schmitt möchte auf keinen Fall, dass ihre Anlagen Unternehmen unterstützen, die ihr Geld mit Atomkraft, Pornografie oder Rüstung verdienen. Wichtig sind ihr der Ausbau erneuerbarer Energien und die Förderung von Entwicklungsprojekten. Im Fonds Ökoworld Ökovision Classic findet sie eine für sie passende Anlageform. Sie nutzt außerdem die Gelegenheit, zu einer ethisch-ökologischen Bank zu wechseln. Bei der Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken (GLS-Bank) darf sie als Kundin bestimmen, wofür die Bank ihr Geld auf dem Sparkonto einsetzen soll. Sie entscheidet sich für soziale Wohnprojekte und biologische Landwirtschaft.
Immer mehr Menschen orientieren sich wie Kathrin Schmitt bei ihrer Geldanlage nicht mehr nur nach dem klassischen „magischen Dreieck der Vermögensanlage“, das die Punkte Risiko, Rendite und Laufzeit vereint. Sondern sie beziehen auch Fragen der Nachhaltigkeit in ihre Entscheidungen mit ein.
Die gute Nachricht: Es gibt mittlerweile für fast alle möglichen Anlageformen wie Aktien, Rentenfonds, Anleihen, Wertpapiere oder Versicherungen auch ethisch-ökologische Angebote. Und Studien zeigen, dass, wer in diese investiert, mindestens so gut oder sogar besser verdient als Kunden, die Aspekte der Nachhaltigkeit außen vor lassen. Ein Trend, der zunehmen wird, da mit der ökologischen Transformation der Wirtschaft viele Unternehmen verstärkt in zukunftsfähige Technologien investieren wollen. Allerdings: „Ethisch“ und „nachhaltig“ sind keine geschützten Begriffe. Eine allgemeinverbindliche Definition, was damit gemeint ist, fehlt. Jedes Unternehmen, jeder Finanzdienstleister kann sich theoretisch ein grünes Mäntelchen umlegen und damit Kunden täuschen, Stichwort „Greenwashing“. Kritische Anleger wundern sich auch immer wieder, wenn sie Konzerne wie Renault in einem Nachhaltigkeitsfonds entdecken. Wie kann das sein? Nach dem „Best-in-Class-Ansatz“ werden dort auch Unternehmen aufgenommen, die wie Renault zwar weiterhin Autos mit Verbrennungsmotor anbieten, im Vergleich mit anderen Konkurrenten aus ihrer Branche aber am nachhaltigsten wirtschaften. Für Anleger, die strenge Kriterien anlegen, ist solch ein Nachhaltigkeitsfonds ein fauler Kompromiss. Andere sehen ihn als Chance, einer Branche, die bisher auf fossile Energien setzte, durch das Best-in-Class-Ranking Anreize zu mehr umweltfreundlichen Innovationen zu schaffen.
Die eigenen Werte und Wünsche prüfen
Der Journalist und Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Kessler empfiehlt jedem, der ethisch-nachhaltig investieren möchte, sich Gedanken darüber zu machen, was das eigene Geld auf keinen Fall finanzieren soll. Und umgekehrt, welche Bereiche man gerne unterstützen möchte. Dabei helfen Ausschlusslisten, die etwa fossile Energien, Glücksspiel, Korruption, Verletzung der Menschenrechte, Kinderarbeit oder die Rüstungsindustrie aufführen. Oder Positivlisten, die erneuerbare Energien, soziale Projekte, Artenschutz oder kulturelle Einrichtungen nennen. Gütesiegel, wie das des Forums nachhaltige Geldanlagen (FNG-Siegel) oder die sogenannten ESG-Kriterien (E=Environment/Ökologie, S=Social/Soziales, G=Governance/verantwortungsbewusste Staats- und Unternehmensführung) helfen dann dabei, eine Anlage zu finden, die den eigenen Wünschen und Werten entspricht. Da der einzelne Anleger beim Versuch, sich einen Überblick zu verschaffen, oft überfordert ist, helfen Ratingagenturen, Infoportale und verschiedene Initiativen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Schwarze Schafe lassen sich etwa mit einem Blick auf die Warnliste der Stiftung Warentest unter www.test.de/warnliste identifizieren.
Die Deutschen, die 2021 über ein Privatvermögen von mehr als sieben Billionen Euro verfügten, legen ihr Geld am liebsten klassisch an: auf dem Sparbuch oder in Versicherungen und Pensionskassen. Wer auch in Niedrigzinszeiten Rendite erwirtschaften möchte, wenig Erfahrung auf dem Aktienmarkt, aber hohe ethische Ansprüche hat, dem empfehlen Experten, in einen gemanagten ethisch-ökologischen Aktienfonds zu investieren. Mehr als 1000 davon gibt es in Deutschland, die Qualitätsunterschiede sind enorm. Spitzenreiter sind die im Kasten rechts aufgeführten. Sie zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass ein unabhängiges Expertengremium über die Investitionen wacht. Das tut auch der Beirat der Bank für Orden und Mission, der sich etwa am franziskanischen Gedankengut orientiert. Bei der Steyler Ordensbank sitzen Missionare mit im Ethik-Anlagerat. Sie kennen die Situation in den Entwicklungsländern und können einschätzen, welche Folgen ein Investment dort haben könnte.
„Geld kann verdammt viel Schaden anrichten, es kann aber auch enorm viel bewirken“, sagt Wolfgang Kessler. Egal, ob jemand wie Kathrin Schmitt zusätzlich für das Alter vorsorgen, sich den Traum vom Eigenheim erfüllen oder den Kindern das Studium ermöglichen möchte: Alle potenziellen Anleger können ab dem ersten Halbjahr 2022 von ihren Finanzexperten eine Beratung zum Thema Nachhaltigkeit verlangen. Eine neue EU-Richtlinie sieht das vor. Sie birgt die Chance, dass sich zukünftig mehr Menschen nicht nur beim Kauf von Kleidung und Kaffee über einen fairen Handel Gedanken machen, sondern auch mit ihren Geldanlagen die Welt ein Stückchen besser machen.
* fiktives Beispiel
Von Eva-Maria Werner
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