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Buchtipps für den Herbst
Die Tage werden kürzer, die Abende länger. Das Freizeitangebot außerhalb der eigenen vier Wände ist in der Pandemie ebenso begrenzt, wie die Möglichkeit zu reisen. Wie schön, dass es Bücher gibt, die uns in ferne Länder und andere Welten entführen, die mal froh machen, uns aber auch so manches Mal schlucken lassen und zum Nachdenken anregen. Vom Bildband samt Film bis zu spiritueller Lyrik vom Rom-Spaziergang bis zu Weihnachtsgeschichten der anderen Art. Viel Freude mit den kontinente-Schmökertipps. |
Bildband und Film
Woman – Was wir erleben, träumen, hoffen
Filmemacherin Anastasia Mikova und Fotograph Yann Arthus-Bertrand trafen Frauen in 40 Ländern, die oft unerwartet offen vor der Kamera über ihr Leben berichteten. Bäuerinnen und Staatschefinnen, Busfahrerinnen und Schönheitsköniginnen schilderten ihre Erfahrungen und Erwartungen zu Themen wie Frau sein, eigener Körper, Sexualität und deren Tabus, Mutter werden, Paar sein, Gewalt und Emanzipation. Die Autoren waren beeindruckt von der Offenheit und dem Bedürfnis der Frauen, endlich zu Wort zu kommen und gehört zu werden und machten daraus einen Kinofilm und ein Buch. Porträtaufnahmen und Interviews zeugen von der Stärke und Widerstandskraft der Frauen in unterschiedlichsten Lebenssituationen und machen deutlich, wie Kultur und Religion, aber auch die eigene Familiengeschichte sie geprägt haben. Film und Buch geben denen eine Stimme, die die Hälfte der Menschheit ausmachen und nicht weiter als das „schwache
Geschlecht“ angesehen werden wollen.
Knesebeck, Klappbrosch., 224 S. mit zahlr. Farb-Abb., € (D/A) 30/30,80.
Kulinarischer Reiseführer
BANGKOK – Original Streetfood / Authentische Rezepte aus Thailand
Seit 20 Jahren reist der Freiburger Koch Ben Kindler regelmäßig nach Bangkok und lässt sich davon inspirieren, was auf den Straßen der Metropole gekocht und gegessen wird. Beschrieben werden sauer-scharfe, salzige und süße Rezepte, die sich sowohl für Anfänger als auch für fortgeschrittene Köche anbieten. Grüner Papayasalat, Satay-Gay-Hähnchen-Spieße, roter Thai-Curry oder Sticky Rice mit Mango warten darauf, zubereitet zu werden. Erklärt wird der Umgang mit dem Wok, mit Kellen, Bambuskorb, Schälchen, Sieb und Mörser. Ebenso erläutert werden die klassischen Zutaten der Thai-Küche wie Austern- und Fischsauce, Currypasten, Chilis, Limetten, Kokosmilch, Galgant u.v.m. sowie die wichtigsten thailändischen Reis-Sorten und deren Zubereitung. Ausdrucksstarke Fotografien bereichern dieses eindrucksvolle kulinarische Bilder- und Lesebuch.
at Verlag, geb., 240 S., zahlr. Farbfotos, € (D/A) 29,90.
Reiseführer für Rom-Liebhaber
Deutsche Spuren in Rom – Spaziergänge durch die Ewige Stadt
Schon immer übte Rom eine Anziehungskraft auf Menschen aus aller Welt aus. Das „Haupt der Welt“ – wie die Stadt über viele Jahrhunderte genannt wurde – war Anziehungspunkt für Regenten, Ordensleute und Bruderschaften, Pilger, Händler, Dichter, Künstler, Männer und Frauen, die sich für immer oder zeitweise hier niederließen. Jörg Ernesti, Professor für Kirchengeschichte, beschreibt 19 ungewöhnliche Spaziergänge zu Orten, die der Massentourismus noch nicht entdeckt hat und an denen Menschen aus dem deutschen Sprachraum jahrhundertealte und mehr oder weniger bekannte Spuren hinterlassen haben. So entdeckt man zum Beispiel beim Besuch des protestantischen Friedhofs, der direkt an der Porta Ostiense und damit gerade noch innerhalb der Stadtmauer liegt, Grabstätten von Goethes Sohn August oder von Gottfried Semper. Im Umfeld der Spanischen Treppe befindet sich die deutsche Künstlerkolonie, die von großen Malern und Malerinnen besucht wurde, die „in Rom nicht nur Rom, sondern auch sich selber finden wollten“. Zwischen Kolosseum und Lateran liegt die Kirche San Pietro in Vincoli. Hier hat der berühmte Philosoph, Theologe und spätere Kardinal Nikolaus von Kues seine letzte Ruhe gefunden. Die umfangreichen Schilderungen der einzelnen Erinnerungsorte deutscher Vergangenheit werden vom Autor eingebettet in die große Geschichte Roms. Wer diese Spaziergänge mitgeht, ob lesend zu Hause oder vor Ort, wird viel Unbekanntes und Interessantes über die historisch-kulturelle Verwobenheit erfahren, die sinnbildlich wunderbar dargestellt ist in einem Bild von Friedrich Overbeck, das Germania und Italia in friedlicher Harmonie zeigt.
Herder, geb., 224 S., mit zahlr. Abb. und prakt. Hinweisen., € (D/A) 30/30,90; CHF 41,50.
Roman
Der Fremde aus Paris
Die Geschichte ihres Urgroßvaters ist das Kernthema des Debutromans von Isabella Hammad. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Konstantinopel wird der in Nablus geborene Midhat Kamal von seinem Vater nach Frankreich geschickt, um in Montpellier Medizin zu studieren. Hier verändert der Erste Weltkrieg das komfortable Leben des Großbürgertums. Midhat studiert ehrgeizig. Die französische Art zu leben und zu denken, fasziniert ihn. Er ringt um gesellschaftliche Anerkennung und muss schmerzhaft registrieren, dass er „der Araber“ bleibt. Die erste Liebe mit der Tochter seiner Gastfamilie endet tragisch. Midhat flüchtet nach Paris, studiert Geschichte, fühlt sich wohl in Bars und Cafés, spielt den Liebhaber vieler Frauen. Bei den Treffen mit seinen syrischen Freunden kreisen die Gespräche um die politischen Bestrebungen in der arabischen Welt. Die Menschen dort wollen Unabhängigkeit und gründen nationale Bewegungen in Palästina und Syrien. Midhat lebt zerrissen zwischen zwei Kulturen: Fremd in Frankreich und fremd in Nablus, wo er als Händler die Geschäfte seines Vaters fortführen muss. Während Freunde und Verwandte sich ins politische Geschehen einmischen, Stellung beziehen und nicht wenige dies mit dem Leben bezahlen, bleibt er ein tragischer Grenzgänger.
Luchterhand, geb., 736 S., € (D/A) 24/24,70.
Weihnachtsgeschichten
Wo Maria den Josef küsst
Schaffhausen liegt am nördlichen Rand der Schweiz. Aus dieser exponiert liegenden Region stammen die 28 modernen und traditionellen Weihnachtsgeschichten – einige aus früherer, die meisten aus moderner Zeit. Die unterschiedlichen Formen der Erzählungen über die klassische Weihnachtsgeschichte mit kulturellem oder geschichtlichem Hintergrund als auch die Sparten „Krimi“ oder „Fantasy“ zeigen das reichhaltige Schaffen einer Region, die aufgrund ihrer Lage immer wieder zum Schauplatz von Grenzerfahrungen geworden ist. Dazu gehört unter anderem die Erzählung „Heiliger Abend im Licht des Davidsterns“ aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Zu den Geschichten, die sich auf historische Gegebenheiten beziehen, findet sich im Anhang interessantes Hintergrundwissen. Die Frage eines der Weisen aus dem Morgenland, ob es sich gelohnt habe, für das Kind in der Krippe nach Bethlehem zu ziehen und ob sein Stern noch heute Kraft hat und gesehen wird, ist wunderbar erörtert in „Balthasars Erzählung“. Ein empfehlenswertes Buch zum Vorlesen oder für die eigene Lektüre aus dem
TVZ Theolog. Verlag Zürich, paperb., 225 S., (D/A) 19,90/20,50; CHF 22,00.
Abschied nehmen
Abschiedsblätter
Einen geliebten Menschen gehen lassen, ihm in den Tagen des Abschiednehmens beistehen, das Auf und Ab von Gefühlen erleben, körperliches Leid mittragen, die eigene Ohnmacht und Trauer über die unvermeidliche Trennung aushalten, das verlangt Stärke und Offenheit. Katharina Oost hat mit Tagebuchnotizen den im Spätsommer beginnenden und zwei Monate dauernden Abschied von ihrer Freundin festgehalten. Den preußischen Adel in den Adern der einen, der rheinische Katholizismus bei der anderen: Das machte die Mischung einer langen, lebendigen Freundschaft aus. Feinfühlig und ohne Pathos geht der Blick zurück auf gemeinsame Zeiten, begleitet von Fragen der Existenz und des Glaubens. Am Ende kommt der erlösende Tod, und ein Abschied in tiefer Dankbarkeit ist möglich.
Echter, geb., 120 S., € (D/A) 13,30.
Sachbuch
Namen statt Nummern – Auf der Suche nach den Opfern des Mittelmeers
Cristina Cattaneo ist Professorin für forensische Medizin an der Universität Mailand. Dank ihrer Arbeit konnten 38 Familien über den Tod ihrer Angehörigen informiert werden, die bei einer Schiffstragödie im Oktober 2013 und 2015 im Mittelmeer starben. „Es klingt nach nichts. Ein Tropfen im Meer. Es bedeutet alles“, so fasst sie ihre Arbeit der vergangenen Jahre zusammen. Eine Gesellschaft wird nicht nur daran gemessen, wie sie sich um die Lebenden kümmert, sondern auch um die Toten, das ist ihre Motivation, DNA, Zahnbürsten, Knochensplitter, Kinderzeichnungen und vieles mehr zu analysieren. Ihr Buch ist schockierend und aufrüttelnd, den Verstorbenen und ihren Familien aber gibt es einen Teil ihrer Menschenwürde zurück.
Rotpunktverlag, geb., 208 S., € (D/A) 24 /24,50.
Lyrik
Am Rande des Tages – Gedichte
Spiritualität und Lyrik passen für den Priester und Autor Wilhelm Bruners wunderbar zusammen. Auch in seinem neuen Band drückt er seine Gottsuche in poetischen Texten und Meditationen aus. Er beobachtet die jahreszeitlichen Besonderheiten der Natur, wunderschön beschrieben in „spätherbst“. Alltagsdinge schildert er in liebevollen Details. Aber er ist auch sensibel für gesellschaftliche und kirchliche Probleme wie zu lesen in „Hans Küng“ oder „kleriker. selbstherrlich“. Seine lebendige Sprache überzeugt, ermutigt und kommt ohne religiöse Überladung aus. Diese Texte liest man immer wieder.
Tyrolia, Klappbrosch., 96 S., € (D/A) 19,90.
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Text: Elisabeth Drost, Foto: KNA (Alle Rechte vorbehalten)
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