11.000 Kilometer auf AchseWüste, Schlamm, Steppe. Sengende Hitze, Wolkenbrüche und kalte Nächte.All das hat Alexander Lawundy aus Salzkotten auf seiner Fahrradtour von Sharm el Sheik in Ägypten bis zum Kap der Guten Hoffnung in Südafrika erlebt. |
Text: Nadine Ortmanns; Fotos: Alexander Lawundy
Fast sieben Monate brauchte der 20-Jährige für die Extremtour. Doch ihm kam es nicht darauf an, Zeitrekorde zu brechen. Er wollte den Kontinent Afrika und seine Menschen kennenlernen.
„Es war eine Art Fernweh ohne konkretes Ziel.“ Alexander Lawundy tut sich immer noch schwer, die Beweggründe für seine ungewöhnliche Radtour zu schildern. Doch vielleicht ging es ja im Grunde genommen darum, einfach mal etwas zu wagen. Nach dem Abitur packte ihn dieses Gefühl, wie es viele Jugendliche nach 13 Schuljahren verspüren – jetzt die Welt kennenlernen, mal was anderes sehen. Doch während sich die Abenteuerlust der meisten jungen Menschen etwa durch eine Reise auf die Balearen bereits stillen lässt, hat Alexander einen verrückten Traum: Er will mit dem Fahrrad Afrika von Nord nach Süd durchqueren!
Seine Eltern, besonders seine Mutter, sind entsetzt. Und auch Freunde räumen diesem Traum kaum Chancen ein. Doch Alexander lässt sich nicht beirren. Er beginnt mit den Vorbereitungen, sammelt Informationen über die Länder und nimmt Kontakt auf zu Leuten, die eine solche Tour schon gemacht haben. Als ein Gewinner des Landeswettbewerbs „Jugend forscht“ in Nordrhein-Westfalen darf er derweil ein Praktikum in einem Forschungszentrum in Dresden machen. Auch dort will man ihn aus „Karrieregründen“ davon überzeugen, die waghalsige Idee lieber nicht in die Tat umzusetzen. „Und da stand für mich fest: Jetzt erst recht!“, erzählt Alexander.
Am 24. Januar 2012 war es dann soweit. Mit seinem Fahrrad – „ein ganz normaler Drahtesel“ – und etwa 40 Kilo Gepäck startet er seine Reise in Sharm el Sheik. 10.956 Kilometer liegen vor ihm. Er reist alleine. „Dann ist man fremden Menschen gegenüber offener“, begründet der heute 21-Jährige seine Entscheidung. Auch rückblickend bereut er den Entschluss nicht. „Die Pyramiden, der Kilimandscharo, Kairo – das alles war beeindruckend. Doch die Höhepunkte meiner Reise waren die kleinen Begegnungen mit den Menschen.“ In der Wüste auf der Sinai-Halbinsel lädt ihn etwa ein Beduine in seine Höhle ein. „Einfach so. Da saßen wir zwei dann, haben Tee getrunken und Fotos geguckt.“ Im Sudan leidet er unter der unerträglichen Hitze, die tagsüber über die 50-Grad-Marke steigt, und dem heißen Wüstenwind, der ihm direkt ins Gesicht schneidet. Da lädt ihn eine Hirtenfamilie ein, bei ihr zu übernachten. „Sie haben mir ein Bett fertig gemacht, und die Mutter hat extra einen Kartoffel-Zwiebel-Eintopf gekocht“, erinnert sich der Salzkottener.
Voller Heiterkeit
Es sind vor allem diese Begegnungen, die Alexanders Bild vom Schwarzen Kontinent gewandelt haben. Vom Klischee etwa, dass in Afrika alles schmutzig ist, hat er sich schnell verabschiedet. „Afrikaner sind sehr sauber. Ich weiß nicht, wie sie das schaffen, aber ich habe mich oft als der dreckige, stinkende Europäer unter ihnen gefühlt“, erzählt er. Imponiert hat ihm auch die Lebenseinstellung. „Afrikaner sind meist voller Heiterkeit“, stellt er fest. Betonte Individualität oder den Zwang, unbedingt etwas leisten zu müssen wie in Europa, gebe es nicht. „In Afrika konnte ich einfach mal sein. So habe ich einen ganzen Tag an einem Fluß gesessen und Nilpferden beim Baden zugesehen.“ Natürlich habe es auch schlechte Tage gegeben, „Tage, an denen ich mich einfach an einen anderen Ort ‚beamen‘ wollte“. So musste Alexander in Namibia zehn Mal seinen platten Reifen flicken. In Botswana fuhr er mitten durch einen Nationalpark und wurde von Einheimischen mehrere Male wegen der Löwen gewarnt. Und im äthiopischen Hochland traf es ihn besonders schlimm, als er einen Magen-Darm-Infekt durchmachte. „Ich habe mich noch nie so schlapp gefühlt. Ich musste dringend ins etwa 100 Kilometer entfernte Krankenhaus“, erzählt Alexander. Doch der Fahrer eines Transporters nutzte seine Notlage aus und knöpfte ihm 60 Euro ab, bevor er ihn mitnahm. „Ich habe nie daran gedacht, die Tour abzubrechen. Ich war schließlich darauf eingestellt, dass es nicht immer nur schön wird.“
Neben seinem persönlichen Abenteuer wollte Alexander auch einen Teil an die Menschen vor Ort zurückgeben. Er rührte deshalb kräftig die Werbetrommel für ein Aids-Waisenprojekt der Franziskanerinnen aus seiner Heimatstadt Salzkotten. In Madisi im ostafrikanischen Malawi unterhält der Orden eine Schule für Aids-Waisen, einen Kindergarten und ein Zentrum für Hauswirtschaft und Handarbeit. Bislang hat sein Aufruf 1050 Euro Spenden eingebracht. „Aber ich messe den Erfolg nicht an der Spendensumme. Ich wollte auf das Projekt aufmerksam machen“, betont Alexander.
Akzeptanz und kein Mitleid
In Madisi sind die Spenden mehr als willkommen. Zurzeit wird dort ein Wohnheim für Schülerinnen gebaut, die nach ihrem Abschluss eine weiterführende Schule besuchen wollen. Die Zahl der Aidswaisen ist dort stetig gestiegen. Im Jahr 2000 besuchten noch 350 Schüler die Einrichtung, heute sind es mehr als 1000. Alexander Lawundy nahm sich drei Wochen lang Zeit, um die Einrichtungen in Madisi kennenzulernen. Er hat eines gelernt: „Das, was die Afrikaner vor allem brauchen, ist Akzeptanz und kein Mitleid.“ Auch gerade deshalb ist er froh, den Schwarzen Kontinent mit dem Rad durchquert zu haben und nicht auf ausgetrampelten Touristenpfaden. Ungern erinnert er sich an Begegnungen mit Touristen: „Die schauen aus dem klimatisierten Bus auf die Einheimischen herab, steigen aus und verteilen Süßes an die bettelnden Kinder.“ Der wohltätige Weiße hilft dem bettelnden Afrikaner – gegen dieses Bild wehrt sich Alexander vehement. „Wenn man sich auf die Mentalität der Einheimischen einlässt, kann man auf diesem Kontinent wunderschöne Momente erleben.“
Ein beklemmendes Gefühl
Je näher Alexander dem Kap der Guten Hoffnung kam, umso mehr beschlich ihn ein komisches, beklemmendes Gefühl. „Ich wusste: Jetzt ist das Abenteuer bald zu Ende.“ Keine einzige Sekunde seiner Tour mag er missen, hat er doch viel über einen für ihn bis dahin unbekannten Kontinent, aber auch über sich selbst gelernt. „Ich weiß jetzt, dass ich für mich selbst verantwortlich bin, für die Prioritäten, die ich in meinem Leben setze. Ich denke, ich werde nun öfter hinterfragen, ob mich das, was ich tue, wirklich glücklich macht“, sagt er.
Spendenkonto
Stichwort „Malawi-Hilfe":
Kongregation der Franziskanerinnen, Salzkotten
Bank für Kirche u. Caritas, Paderborn
Kto. Nr. 11 140 501
BLZ: 47260307
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In Sambia kam dieses neugierige Kind zum Frühstück vorbei.
Im Sudan leidet Alexander unter der unerträglichen Hitze jenseits der 50-Grad-Marke. Ein Schal schützt sein Gesicht vor dem heißen Wüstenwind.
In Kenia überquerte Alexander den Äquator.
Malstunde: In Malawi besuchte Alexander ein Aidswaisenprojekt der Franziskanerinnen Salzkotten.
Herzliche Einladung: Bei dieser Familie in Kenia fand Alexander Zuflucht vor einem Gewitter.
Dieses Autowrack sah Alexander auf seiner Fahrt durch Namibia.
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