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Die Angelegenheit scheint eindeutig: Der Jurist und Schriftsteller Bernhard Schlink („Der Vorleser“) plädiert dafür, den Kirchenaustritt nicht mehr auf dem Amt – also gegenüber dem Staat – erklären zu müssen, sondern vor einem Pfarrer – gegenüber der Kirche also. Dazu in ein Pfarramt zu gehen, beinhalte immerhin die Chance auf ein klärendes Gespräch, zeigt sich der Autor überzeugt. Zwar dürfe niemand gegen seinen Willen dazu gezwungen werden, erklärt Schlink in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Aber viele hätten ohnehin das Bedürfnis, ihren Schritt zu begründen.
2018 kehrten allein in Deutschland etwa 430000 Menschen der Kirche den Rücken zu. Was sagen bei diesem „Andrang“ die Pfarrer zum Vorschlag? Die bürokratische Last könnte sie erdrücken und bedrückende Abschiedsgespräche sie frustrieren. Nur wenige würden sich freuen, viele Gründe für die Austritte zu erfahren. Was mögen andererseits Austrittswillige denken, wenn sie just zu der Stelle gehen sollen, mit der sie nichts mehr zu tun haben wollen? Zwar könnten einige die Gelegenheit nutzen, dem Herrn Pastor noch einmal ordentlich die Meinung zu sagen. Aber die meisten scheidenden Schäfchen, die ohnehin nur die Kirchensteuer sparen wollen, würden sich einem Gewissenszwang ausgesetzt fühlen. Das Ganze ist wohl eher ein kläglicher Versuch, längst verlorene Seelen zu retten. Besser, wir lassen es, wie es ist.
Von Franz Jussen
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