Text: Christina Brunner, Fotos: Bente Stachowske
Diee Handtasche ist der Tabernakel. Behutsam wickelt Schwester Mercy weiße Tücher um die goldene Hostienschale, steckt die Bibel dazu und spricht ein kleines Gebet. Dann wandert sie los. Schwester Mercy Mateyu ist jetzt Kirche auf dem Weg zu den Menschen.
Wer in den Dörfern Malawis alt und krank ist, kann sonntags oft nicht zur Kirche kommen, weil die Wege weit und schlecht sind. Umso wichtiger ist es für die Katechistin aus dem einheimischen Orden der Teresienschwestern, sie zu besuchen und ihnen die Kommunion zu bringen. „Sie haben viele Probleme, und die kann ich nicht lösen, denn ich habe ja selbst nichts. Aber ich sage ihnen: Schaut auf Gott, er liebt euch! Und das macht ihnen Mut.“
Das Wichtigste: nicht vergessen zu werden
Im ersten Dorf wartet Priska, die nur noch ein Bein hat. Sie strahlt, als die Ordensfrau mit ihrer kostbaren Handtasche in den Hof kommt. Schwester Mercy setzt sich auf den einzigen Stuhl, den es im Haus gibt und stimmt mit Priska und deren Nachbarinnen ein Lied an. Hühner rennen herum, während die Frauen dem Bibeltext lauschen, den Schwester Mercy mit lauter Stimme vorträgt. An diesem Tag wird sie das noch viele Male tun. „Ich bin so froh, wenn sie kommt“, sagt Priska. „Ich brauche Jesus in der Kommunion, um meinen Glauben zu stärken.“
Im Hof von Sivinda, der mit seinen 87 Jahren nur noch an Krücken gehen kann, versammeln sich gleich mehrere Mitfeiernde. „Wir gehören doch alle zu dieser Kirche, auch wenn wir nicht mehr zum Gottesdienst gehen können.“ Seine Nachbarin Atrasca, 84, nickt. „Nicht vergessen zu werden, das ist das Wichtigste für uns.“
Seelsorge fördern
Alt sein in Malawi ist nicht leicht. In dem kleinen Binnenland in Südost-Afrika leben mehr als 70 Prozent der 21 Millionen Einwohner unter der Armutsgrenze. Die Ernte reicht oft nicht, um alle Familienmitglieder satt zu bekommen. Die Alten, die Behinderten und die Kranken sind in vielen Häusern „unnütze Esser“. Mit Sorge beobachten die Bischöfe, dass immer mehr alte Leute als Hexen verdächtigt, bedroht und auch getötet werden. Mit einer Kampagne will die Kirche in Malawi Großeltern seelsorglich begleiten und Jugendliche ausbilden, die sich für die Rechte alter Menschen einsetzen sollen.
Botschaft: Du bist Teil der Kirche!
Schwester Mercys letzter Besuch gilt Luka, einem jungen Mann, der schwer geistig behindert ist. Er lebt mit seiner Schwester zusammen in einem Lehmhaus, pflanzt Mais und Reis in seinem Garten und bietet auch den Nachbarn Hilfe an. Betteln will er nicht. „Die Leute waren dagegen, dass ich ihn besuche. Er sei verrückt und verstehe ja nichts von dem, was ich sage“, erzählt Schwester Mercy. „Aber das stimmt nicht. Er kann zuhören und sprechen.“ Auch Luka sieht glücklich aus, als er neben ihr auf seiner Strohmatte sitzt und das kleine Lied mitsummt, das Schwester Mercy angestimmt hat. Seit sie ihn b sucht, würden auch die Dorfbewohner Luka mit anderen Augen betrachten, sagt sie. Die 37-Jährige macht das froh: „Unser Orden wurde ursprünglich gegründet, um Sklaven zu befreien. Das tue ich, wenn ich Luka und die anderen besuche. Es macht ihnen Mut. Sie wissen dann, sie gehören dazu. Denn sie sind Teil der Kirche!“
Sie selbst fühlt sich durch die Freude in den Augen ihrer kleinen Gemeinde bestärkt: „Meine Probleme werden klein, wenn ich sehe, womit sie kämpfen. Ich brauche diese Besuche – sie machen auch mich frei!“