Text: Christina Brunner; Fotos: Bente Stachowske
Seit dem Tag, als seine Mutter starb, darf Francis kein Kind mehr sein. Bevor es hell wird, steht er auf: Die Hühner und Ziegen müssen gefüttert werden. Den beiden Kaninchen geht es nicht gut, aber Francis weiß nicht, wen er um Rat fragen soll. Seine Großmutter liegt noch auf der Strohmatte, die Knochen tun der 72-Jährigen weh. Ohne die Hilfe des schmächtigen Jungen kann sie nicht aufstehen. Francis‘ Tag beginnt mit vielen Sorgen. Er endet auch so.
Große Last auf Kinderschultern
Jede fünfte Familie in Malawi ist eine sogenannte „child-headed family“. In ihr sorgen Kinder für ihre jüngeren Geschwister oder Großeltern. Die Eltern sind gestorben, meist an Aids. Die Immunschwächekrankheit ist ein großes Problem in dem bettelarmen Land. Zwar verteilt die Regierung kostenlose Medikamente, aber viele Kranke wissen nichts von dem tödlichen Virus in ihrem Körper. Oder wollen es nicht wissen, denn die soziale Ausgrenzung der Infizierten ist in den Dörfern nach wie vor groß. Francis‘ Mutter starb im Januar. Seitdem liegt alle Last auf den schmalen Kinderschultern. „Jetzt muss ich ihm Mutter sein“, sagt die Großmutter, die gleichzeitig Vormund ist, aber die Trauer um die tote Tochter lähmt auch sie. „Ich möchte so gern einmal noch mit meiner Mutter reden“, murmelt der 14-Jährige und schaut zu Boden. Seine Einsamkeit ist mit Händen greifbar. „Meine Oma ist schwach, die kann nichts mehr tun. Sie ist oft krank, sie friert, weil wir keine Decke kaufen können, aber was soll ich denn machen? Wir müssen doch auch essen!“
Francis hofft, dass ihm jemand Arbeit gibt, im Garten vielleicht oder bei der Maisverarbeitung, das könnte er schaffen neben der Schule. Aber Großmutter Agness Phiri hat wenig Hoffnung, dass das klappt. Im Dorf Milimbu gibt es viele, die nichts haben und genau wie Francis mangelernährt sind. Auch in diesem Jahr ist die Ernte schlecht ausgefallen. Selbst der Chief, der Dorfvorsteher, hat nur acht Säcke Mais für sich und seine siebenköpfige Familie gelagert. Ab Oktober werden sie hungern.
Francis, sagt der Chief, hätte doch noch Glück. Er kann zur Schule gehen, ohne Schulgebühren zu zahlen. Für Aidswaisen wie ihn haben die Franziskanerinnen von Salzkotten in Madisi eine Schule gegründet. 1600 Kinder drängen sich hier in den Klassenräumen zusammen, 60 Prozent haben keine Eltern mehr. Und auch die anderen machen sich oft hungrig auf den stundenlangen Marsch zum Unterricht.
Schwester Raynelda, die Schulleiterin von St. Francis, weiß: So kann man nicht lernen. Ein Frühstück und ein Mittagessen, angereichert mit Gesundem aus dem Schulgarten, helfen durch den Tag. „Auch die, die noch Eltern haben, kommen ungewaschen und krank, ohne Stift, kein Buch …“ Schwester Raynelda seufzt und lächelt dann: „Wir geben so viel mehr als nur Schulunterricht!“
Schule für Aidswaisen begann unter Bäumen
Schon vor 30 Jahren erkannte Schwester Klara Lüers die Not der Aidswaisen und begann mit einer Schule unter Bäumen. Mittlerweile ist die Schule der Franziskanerinnen extrem beliebt, auch wegen der niedrigen Gebühren, die sich selbst arme Familien leisten können. „Unsere Gründerin wollte sich für Waisenkinder einsetzen, dass die eine Schulbildung bekommen. Da passt das doch hier“, lacht die 82-Jährige, die schon seit fast 40 Jahren in Malawi lebt.
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