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Franz Jussen, Redakteur

Fo­to: Berns/kon­ti­nen­te

Wort­wech­sel

Darf ei­ne Pre­digt po­li­tisch sein?

„Man kann über al­les pre­di­gen – nur nicht über zehn Mi­nu­ten!“ Auf die­se amü­sant for­mu­lier­te Grund­re­gel ha­ben sich vie­ler­orts Pfar­rer und Ge­mein­den ge­ei­nigt. Sie ga­ran­tiert, das ein­ge­plan­te Zeit­fens­ter für den Got­tes­di­enst ein­hal­ten zu kön­nen. „Über al­les“ pre­di­gen zu dür­fen – al­so den ers­ten Teil die­ser Grund­re­gel –, wird aber hef­tig dis­ku­tiert. Ge­s­trit­ten wird dar­über, ob Pre­dig­ten po­li­tisch sein dür­fen. Aus­ge­löst hat die De­bat­te der Jour­na­list Ulf Po­schardt in den so­zia­len Me­di­en. In ei­nem Tweet mach­te er sei­nem Är­ger über ei­ne Weih­nachts­p­re­digt Luft: „Wer soll ei­gent­lich noch frei­wil­lig in ei­ne Christ­met­te ge­hen, wenn er am En­de der Pre­digt denkt, er hat ei­nen Abend bei den #Ju­sos bzw. der Grü­nen Ju­gend ver­bracht?“ Ist das der Ruf nach be­sinn­li­chem Ge­sül­ze aus ei­ner hei­len Welt? Nach mut­lo­ser und duck­mäu­se­ri­scher Lei­se­t­re­te­rei von Kir­chen­­leu­ten, die ih­ren theo­lo­gi­schen El­fen­bein­turm bes­ser nicht ver­las­sen soll­ten? Dür­fen Pfar­rer nicht län­ger er­klä­ren, was die Ge­schich­ten aus der Bi­bel für uns heu­te be­deu­ten? Es kann we­der theo­lo­gisch noch po­li­tisch laut ge­nug zu­ge­hen, wenn es um die Wür­de des Men­schen, die Sc­höp­fung oder Frem­den­lie­be geht. Nicht zu al­lem Ja und Amen sa­gen, un­be­qu­em sein – das sind zwin­gen­de Bot­schaf­ten von der Kan­zel aus. Pre­dig­ten dür­fen nicht nur, sie müs­sen ge­le­gent­lich po­li­tisch sein. Die Al­ter­na­ti­ve wä­re Schwei­gen.

Von Franz Jus­sen

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