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WortwechselDarf eine Predigt politisch sein?„Man kann über alles predigen – nur nicht über zehn Minuten!“ Auf diese amüsant formulierte Grundregel haben sich vielerorts Pfarrer und Gemeinden geeinigt. Sie garantiert, das eingeplante Zeitfenster für den Gottesdienst einhalten zu können. „Über alles“ predigen zu dürfen – also den ersten Teil dieser Grundregel –, wird aber heftig diskutiert. Gestritten wird darüber, ob Predigten politisch sein dürfen. Ausgelöst hat die Debatte der Journalist Ulf Poschardt in den sozialen Medien. In einem Tweet machte er seinem Ärger über eine Weihnachtspredigt Luft: „Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?“ Ist das der Ruf nach besinnlichem Gesülze aus einer heilen Welt? Nach mutloser und duckmäuserischer Leisetreterei von Kirchenleuten, die ihren theologischen Elfenbeinturm besser nicht verlassen sollten? Dürfen Pfarrer nicht länger erklären, was die Geschichten aus der Bibel für uns heute bedeuten? Es kann weder theologisch noch politisch laut genug zugehen, wenn es um die Würde des Menschen, die Schöpfung oder Fremdenliebe geht. Nicht zu allem Ja und Amen sagen, unbequem sein – das sind zwingende Botschaften von der Kanzel aus. Predigten dürfen nicht nur, sie müssen gelegentlich politisch sein. Die Alternative wäre Schweigen.
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