|
|
Wie weit reicht die Loyalität mit der Kirche?
Seit Monaten gibt es keine Chance wegzugehen: Wer in Köln aus der Kirche austreten will, muss warten, bis ein Termin frei ist. Das kann dauern, denn die virtuelle Schlange der Frustrierten ist lang. Und manchmal möchte ich mich am liebsten auch anstellen.
Selbstverliebte Bischöfe, die nicht zuhören wollen, engagierte Laien, die vor die Mauern des Kirchenrechts laufen, der verzweifelte Versuch, Schändliches unter der Decke zu halten, damit „die Kirche“ keinen Schaden nimmt – damit macht meine Kirche es mir schwer, zu ihr zu halten. Sie verstellt mir manchmal sogar den Blick auf Gott. Jedes Unternehmen, das seine Mitarbeiter so behandelt, verdient, dass die Besten gehen.
Und doch: Da ist die kleine alte Ordensfrau, die vor schwerbewaffneten Polizisten in Myanmar auf die Knie geht und bittet: Erschießt mich und lasst die jungen Leute gehen! Ich freue mich über die Gemeindereferentin, die mit immer neuen tollen Angeboten genau meine Bedürfnisse trifft. Ich bewundere die Gemeinden, die Kirchenasyl bieten, und auch die Theologen, die sich in schwierige Diskussionen trauen, obwohl sie keine schnellen Lösungen präsentieren können.
Sie alle möchte ich nicht allein lassen. Und ich will mich nicht vertreiben lassen von denen, die glauben, dass nur sie richtig katholisch sind. Ich möchte protestieren, wenn was falsch läuft, und mich einmischen. Ich werde nicht austreten. Und mich weiter sehr oft schämen müssen.
Christina Brunner
Zurück zur Nachrichtenübersicht Mai/Juni 2021
|