Franz Jussen |
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Barmherzigkeit für eine Kindermörderin?
Die ehemalige Frau und Gehilfin des Kinderschänders Marc Dutroux, Michelle Martin, 52, hat nach ihrer vorzeitigen Haftentlassung Aufnahme im Kloster gefunden. Im August war die dreifache Mutter und frühere Lehrerin nach 16 Jahren im Gefängnis auf Bewährung frei gekommen. Die Zusage der Klarissen aus Malonne bei Namur, sie bei sich wohnen zu lassen, hat zu wütenden Protesten in Belgien geführt. Auch der Vorsitzende der belgischen Bischofskonferenz und Erzbischof von Mechelen-Brüssel, André-Joseph Léonhard, 79, hat die Schwestern kritisiert, da ihr Handeln dem Ansehen der Kirche „nur schädlich sein“ könne. Sein Bischofskollege aus Lüttich, Aloys Jousten, 74, begrüßte hingegen die Bereitschaft des Klosters, der Dutroux-Komplizin, die zwei junge Mädchen in einem Kellerversteck hatte verhungern lassen, Unterschlupf zu gewähren.
Menschlich ist die Begnadigung Martins für die Hinterbliebenen der Opfer eine fast unerträgliche Zumutung. Gesellschaftlich ist der Fall gar geeignet, das Vertrauen der Bürger Belgiens in ihr Rechtssystem zu erschüttern. Was aber um Himmels willen mag die Klarissen bewegt haben, sich durch die Aufnahme Martins in ihr Kloster dem Volkszorn eines Landes und einer ständigen Polizeiüberwachung auszusetzen? Darauf kann es nur eine plausible Antwort geben: Barmherzigkeit. Die Schwestern wenden die Tugend, sein Herz für die Not eines jeden – selbst einer Kinderschänderin – zu öffnen, bedingungslos an. Dafür nehmen sie sogar in Kauf, als „Komplizinnen des Bösen“ beschimpft zu werden. Ob die Ordensfrauen mit dem Asyl für eine Täterin dem Ansehen der Kirche schaden, ist – mit Verlaub, Herr Erzbischof – ziemlich nebensächlich.
Von Franz Jussen
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