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Babyklappen - abschaffen oder nicht?
Der Zweck ist nobel, das Mittel umstritten: Seit 1999 gibt es in Deutschland die Möglichkeit, Kinder anonym abzugeben. Inzwischen bieten rund 350 Träger Frauen in Notsituationen an, ihr Baby anonym zur Welt zu bringen, anonym an Personal zu übergeben oder es in eine Babyklappe zu legen. In 130 Kliniken, darunter katholische Krankenhäuser, ist eine anonyme Geburt möglich. Eine Studie des Deutschen Jugendinstitutes im Auftrag des Bundesfamilienministeriums kommt nun zu dem Ergebnis, dass die „aktuelle Situation der anonymen Kindesabgabe in mehrfacher Hinsicht ein Dilemma für alle Beteiligten darstellt“. Das ursprüngliche Ziel, Tötungen und Aussetzungen zu verhindern, wurde nicht erreicht – das belegen die Zahlen. Außerdem konstatiert die Studie Missbrauch der Babyklappen. So gibt es wiederholt Fälle, in denen ältere oder behinderte Babys in den Babyklappen lagen oder in denen Kinder ohne Einwilligung der Mutter abgegeben wurden. Rechtlich wiegt der Einwand am schwersten, dass jedes Kind ein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung hat. Der Deutsche Ethikrat drängte schon 2009 mehrheitlich auf eine Abschaffung der Angebote. Dessen stellvertretende Vorsitzende, die Medizinethikerin Christiane Woopen, wiederholte nun diese Forderung mit der Begründung, den Angeboten fehle die Transparenz über den Verbleib der Säuglinge. Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, ebenfalls Mitglied im Ethikrat, plädierte hingegen dafür, die Angebote der anonymen Geburt als letztes Mittel zur Rettung von Leben beizubehalten. Recht hat er. Denn, so sagt es Bundesfamilienministerin Kristina Schröder: „Wir sind über jedes Kind glücklich, das durch eine Babyklappe gerettet wird.“
Von Nadine Ortmanns
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Eine Auswahl der Leserzuschriften:
Maria Schmid, Schwäbisch Gmünd, schreibt:
Habe sieben Kinder aufgezogen und bei Enkeln mitgeholfen. Bin glücklich über jedes von ihnen. Es werden so viele öffentliche Mittel vertan, da sollte man die Möglichkeiten zur Rettung eines Kindes nicht abschaffen.
Alessandra Picard aus Rodgau ist der Meinung:
Ich bin ganz klar für die Beibehaltung von Babyklappen. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass das Leben wichtiger ist als das Wissen der eigenen Herkunft. Ich bin selbst adoptiert und hatte nie das Bedürfnis, meine leiblichen Eltern kennenzulernen. Ich bin in einer tollen Familie aufgewachsen, bei Eltern, die sich bewusst für ein Kind entschieden haben. Und diese Chance bietet die Babyklappe oder anonyme Geburt. Dass die Zahlen die Wirkung der Babyklappen nicht belegen, iegt meiner Meinung nach auch daran, dass viel zu wenig bekannt ist, wo es solche Klappen gibt, und wo werdende Mütter wirklich anonym Hilfe bekommen. Grund der Diskussion ist ja auch, dass die Psychologen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, in ihren Studien hauptsächlich Betroffene fragen, die mit der Situation ein Problem haben, weil in ihrem Leben bei Pflege oder Adoptiveltern etwas schief gelaufen ist. Die vielen, die wie ich die eigene Herkunft nicht kennen und trotzdem glücklich sind, werden in der Regel nicht befragt, weil diese ja auch die Hilfe von Psychologen nicht in Anspruch nehmen.
Helga Beckmann aus Darmstadt schreibt dazu:
Man kann Herrn Weihbischof Losinger und Frau Ministerin Schröder nur zustimmen, die Babyklappen unbedingt als letzte Rettung für ungewollte Babys beizubehalten. Wer weiß denn, ob all die Babys, die da abgegeben wurden, andernfalls nicht tatsächlich getötet oder ausgesetzt worden wären? Da nur mit Statistiken herumzuarbeiten, geht an der Wirklichkeit vorbei. Angesichts so vieler in den Familien vernachlässigter und/ oder misshandelter ungeliebter Kinder ist es auch kein Missbrauch der Babyklappen, wenn ältere oder behinderte Babys (...) auf diese Weise vor solch einem trostlosen Dasein gerettet werden und die Chance erhalten, ein besseres Leben führen zu können.
Rainer Höfer, Düsseldorf, meint:
Es mag sein, dass die Babyklappe die eine oder andere junge Mutter dazu verführt, sich eines vermeintlichen Problems zu entledigen. Es mag sein, dass sie statistisch gesehen das ursprüngliche Ziel, Tötung und Aussetzung zu verhindern, nicht erreicht hat. Es mag auch sein, dass die Babyklappe entgegen den ursprünglichen Absichten zum Ablegen älterer oder behinderter Kinder missbraucht wird. Aber was bedeutet das alles gegen die Chance, ein gefährdetes Leben zu retten?