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Wortwechsel
Sind Auffanglager in Nordafrika sinnvoll?
Unfassbar: Seit dem Jahr 2000 sind im Mittelmeer fast 40000 Flüchtlinge ertrunken. Die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte noch weit höher liegen, denn viele Bootsunglücke zwischen Afrika und Europa werden überhaupt nicht entdeckt. Das Meer vor unserer Haustür ist zur tödlichsten Fluchtzone der Welt geworden. Für manche EU-Politiker liegt die Lösung auf der Hand: verhindern, dass Flüchtlinge in Boote einsteigen. Stattdessen den Anspruch auf Schutz oder Asyl bereits in afrikanischen Auffanglagern klären. Die Wirkung solcher Lager könnte der des EU-Türkei-Abkommens ähnlich sein. Die Flüchtlinge wären aus den Augen, aus dem Sinn.
Dazu müssten allerdings zuvor ein paar Hindernisse überwunden werden: Die Europäer müssten ihre Scheu ablegen, mit Schurkenstaaten Verträge abzuschließen und ihnen viel Geld für den Unterhalt der Lager zur Verfügung zu stellen. Nicht einfacher dürfte es sein, genügend EU-Grenzbeamte zu finden, die bereit wären, vor Ort unter strikter Einhaltung der Flüchtlingskonvention in Schnellverfahren über zigtausende Einzelschicksale zu entscheiden.
Und: Wer glaubt noch an Europas Bereitschaft, Schutzbedürftige aufnehmen und untereinander verteilen zu wollen? Wer macht abgelehnten Bewerbern den Rückweg durch die Sahara in die alte Heimat schmackhaft? Wer hindert Schlepper daran, neue, noch gefährlichere Routen für Flüchtlinge nach Europa zu finden? Auffanglager in Afrika sind kein Mittel gegen das massenhafte Flüchtlingssterben im Mittelmeer. Die Idee ist entweder das Ergebnis naiven Wunschdenkens oder der Ausdruck gezielter Abschottungspolitik.
Von Franz Jussen
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