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Franz Jussen, Redakteur

Wort­wech­sel

Sind Auf­fang­la­ger in Nord­afri­ka sinn­voll?

Un­fass­bar: Seit dem Jahr 2000 sind im Mit­tel­meer fast 40000 Flücht­lin­ge er­trun­ken. Die tat­säch­li­che Zahl der Op­fer dürf­te noch weit höh­er lie­gen, denn vie­le Boot­s­un­glü­cke zwi­schen Afri­ka und Eu­ro­pa wer­den über­haupt nicht ent­deckt. Das Meer vor un­se­rer Haus­tür ist zur töd­lichs­ten Flucht­zo­ne der Welt ge­wor­den. Für man­che EU-Po­li­ti­ker liegt die Lö­sung auf der Hand: ver­hin­dern, dass Flücht­lin­ge in Boo­te ein­s­tei­gen. Statt­des­sen den An­spruch auf Schut­z­ oder Asyl be­reits in afri­ka­ni­schen Auf­fang­la­gern klä­ren. Die Wir­kung sol­cher La­ger könn­te der des EU-Tür­kei-Ab­kom­mens ähn­lich sein. Die Flücht­lin­ge wä­ren aus den Au­gen, aus dem Sinn.

Da­zu müss­ten al­ler­dings zu­vor ein paar Hin­der­nis­se über­wun­den wer­den: Die Eu­ro­päer müss­ten ih­re Scheu ab­le­gen, mit Schur­ken­staa­ten Ver­trä­ge ab­zu­sch­lie­ßen und ih­nen viel Geld für den Un­ter­halt der La­ger zur Ver­fü­gung zu stel­len. Nicht ein­fa­cher dürf­te es sein, ge­nü­gend EU-Grenz­beam­te zu fin­den, die be­reit wä­ren, vor Ort un­ter strik­ter Ein­hal­tung der Flücht­lings­kon­ven­ti­on in Sch­nel­l­ver­fah­ren über zig­tau­sen­de Ein­zel­schick­sa­le zu ent­schei­den.

Und: Wer glaubt noch an Eu­ro­pas Be­reit­schaft, Schutz­be­dürf­ti­ge auf­neh­men und un­te­r­ein­an­der ver­tei­len zu wol­len? Wer macht ab­ge­lehn­ten Be­wer­bern den Rück­weg durch die Sa­ha­ra in die al­te Hei­mat sch­mack­haft? Wer hin­dert Sch­lep­per da­ran, neue, noch ge­fähr­li­che­re Rou­ten für Flücht­lin­ge nach Eu­ro­pa zu fin­den? Auf­fang­la­ger in Afri­ka sind kein Mit­tel ge­gen das mas­sen­haf­te Flücht­lings­­s­ter­ben im Mit­tel­meer. Die Idee ist ent­we­der das Er­geb­nis nai­ven Wun­sch­den­kens oder der Aus­druck ge­ziel­ter Ab­schot­tungs­po­li­tik.

Von Franz Jus­sen

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