Der Kälte trotzen
Warum die Liebe Gottes das beste Frostschutzmittel ist
Von Kerstin-Marie Berretz OP
Bonn. Die letzte Lichterkette ist abgehängt und das letzte Weihnachtsplätzchen verspeist - im Januar ist die Zeit der großen Gefühle wieder vorbei. Nachdem die Menschen über Wochen hinweg am Fest der Liebe nicht vorbei kamen, kehrt nun wieder der Alltag ein. Die guten Vorsätze zum neuen Jahr sind jetzt wichtig, und draußen ist es immer noch dunkel und ungemütlich.
Kein Wunder, dass sich da jeder halbwegs vernünftige Mensch, der auf die Straße muss, tief in seinen Mantel verkriecht und so wenig wie möglich mit der Welt um sich herum zu tun haben möchte. Irgendwie verständlich, dass dann jeder versucht, möglichst als erster in der Bahn zu sein oder den Parkplatz ganz vorne am Eingang des Supermarktes zu bekommen - egal, dass der eigentlich für andere gedacht ist, die vielleicht schlechter laufen können. Dick vermummt mit Schal und Mütze, Mantel und dicken Handschuhen hat man auch nicht unbedingt einen Blick für denjenigen, der gerade hinter einem geht und doch auch noch durch die Tür wollte. Irgendwie scheint das schmuddelige Winterwetter im Januar allen aufs Gemüt zu schlagen. Die Kälte, die langsam durch die Füße in den Körper kriecht, scheint ohne Halt weiter zu wandern bis ins Herz. Diese Kälte scheint dann oft auch alle Gefühle einzufrieren.
Eigentlich schade. Es muss ja nicht das ganze Jahr über Weihnachten sein mit all dem Kitsch - aber etwas von der Freude und der Aufmerksamkeit für den Nächsten könnte man doch hinüberretten in den Januar. Denn genau darum geht es. Wir haben dieses Fest gefeiert, weil es um den Nächsten geht. Relativ profan wird das deutlich an den vielen Geschenken, die man verschenkt und - hoffentlich - auch bekommen hat. Sicher mag da auch ein großes Stück Gewohnheit und ein bisschen Druck dabei sein, aber vom Ursprung her geht es um ein Zeichen für den anderen: Ich sehe dich, ich mache mir Gedanken, was dir gefallen könnte. Weil ich dich schätze und mag.
Weil Gott uns Menschen schätzt und mag, kam Jesus als Mensch zur Welt. Als unser Geschenk und für unser Leben, Tag für Tag. Damit eben die Kälte nicht bis in das Herz hineinkriecht und sich da festsetzt, sondern damit klar ist: Jeder ist so wunderbar, dass er das schönste und beste Geschenk bekommen soll, nämlich die Liebe Gottes, die Mensch wird. Dieses Geschenk ist der beste Frostschutz und ein riesen Bollwerk gegen die Kälte, die ins Herz schleichen und alles grau machen will. Mit dem Wissen um dieses Geschenk, das alle empfangen haben, ist es gar nicht nötig, sich einen Panzer aus Wintermantel, Schal, Mütze und Handschuhe anzulegen. Denn wer sich darüber im Klaren ist, dass er ein von Gott reich beschenkter Mensch ist, der kann Tag für Tag von diesem Geschenk etwas abgeben - weil es niemals verbraucht ist.
Und so ist es gar nicht mehr so schwer, auch im grauesten Januargrau ein froher Mensch zu sein und die echte und tiefe Liebe zu spüren, mit der jeder von Gott geliebt ist. Und dann haben wir auch wieder einen Blick für den, der hinter uns geht und auch noch durch die Tür möchte. Dann brauchen wir uns nicht mit ausgefahrenen Ellbogen den ersten Platz an der Tür zur Bahn zu sichern, sondern können gelassen und freundlich bleiben. Und warum nicht einfach mal den Arbeitskollegen an der Kaffeemaschine anlächeln und ein paar Worte wechseln?
Das wird vielleicht keine riesigen Begeisterungsstürme auslösen, aber einem selber tut es gut. Es öffnet einen für das, was um einen herum gerade passiert. Es entspannt Situationen und führt vielleicht dazu, mit jemandem ins Gespräch zu kommen, ganz nett und unverbindlich. Und am Ende bekommt man vielleicht ein Lächeln zurück geschenkt und die Tür aufgehalten. Versprechen lässt sich das nicht. Aber wer die Welt auch im Alltag ein bisschen liebevoll und mit dem Glanz von Weihnachten betrachtet, der entdeckt viel Schönes. Und der bekommt immer wieder auch die Gelegenheit, einem anderen wirklich zu begegnen. Da kann es möglich sein, hinter die Fassade eines anderen zu blicken und auch die eigene, oft mühsame, Fassade einmal bröckeln zu lassen. Dem anderen nahe zu kommen und ihn nahe kommen zu lassen - so wie Gott uns nahe kommt und uns nahe kommen lässt.
(C) Katholische Nachrichtenagentur