Dorfleben: Pater Gregor mit Nuer-Rindern. |
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Phom, 2. Januar 2014
Combonipater Gregor Schmidt:
Ich bin im Rebellengebiet der Nuer im Nordosten des Bundesstaates Jonglei. Jeden Tag kommen hunderte Menschen, die vor der Regierungsarmee fliehen. Sie berichten, dass Männer umstandslos erschossen werden. Aber auch Frauen und Kinder sind nicht sicher. Ich bin seit dem 4. Advent in der Kapelle in Phom und habe jeden Morgen nach dem Gebet ein Arbeitstreffen mit Michael, dem Katechisten. Heute erzählt er mir von der Predigt eines Pastors, der den Gottesdienstbesuchern versichert hat, dass die Nuer mit Jesu Hilfe im Kampf gegen den Präsidenten und sein Volk, die Dinka, siegen werden. Der christliche Gott degradiert zu einem Stammesgott…
Ich antworte Michael, dass der „Sieg“ im Sinne Jesu darin besteht, dass sich Menschen bekehren – konkret, dass sich Nuer und Dinka versöhnen werden. Ich frage ihn, was er von der Weissagung des Propheten Ngundeng hält. Der lebte vor knapp einem Jahrhundert und sagte voraus, dass ein Nuer im Süden des Sudan die schwarzen Völker regieren wird. Er wird ein Linkshänder mit einer Zahnlücke sein, Eigenschaften, die auf den Rebellenführer Riek Machar zutreffen. Michaels Antwort lautete: Wenn er auf Gewalt angewiesen ist, um Präsident zu werden, dann ist er von der Weissagung nicht gemeint. Michael ist ein Christ, ich spüre, dass er Jesus und sein Versöhnungswerk sich zu eigen gemacht hat. Während wir an diesem Morgen Tee trinken, explodiert eine Granate keine 100 Meter von uns entfernt. Der Markt grenzt an das Grundstück der Pfarrei. Dort ist ein Soldat mit einem Händler in Streit geraten. Als Polizisten dem Händler zu Hilfe kommen, zündet der Soldat eine Handgranate, die zwei Personen tötet und viele verletzt. Mir wird bewusst, dass die friedlichen Tage in Phom nicht selbstverständlich sind. Der Täter wird noch am selben Tag standrechtlich erschossen. Alle Soldaten sollen verstehen, dass sie sich gegenüber Zivilisten korrekt verhalten müssen. |