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Phil Schulze-Dieckhoff
Die Geschichte meiner Berufung
Kurz vor meinem Eintritt ins Priesterseminar wollte ich mit meiner damaligen Freundin an einem Einkehrwochenende teilnehmen, um ihr die Gemeinschaft zu zeigen, die mir während des Auslandsjahres in Paris so sehr ans Herz gewachsen war: Hier hatte ich einige Klausuren vorbereitet, hatte an manch einem Wochenende Erholung vom Stadtleben gesucht und war im Sommer mit der Gemeinschaft durch Frankreich gewandert.
Kurz vor jenem Wochenende wurde mir plötzlich klar, dass ich mich nicht in aller Öffentlichkeit mit meiner Freundin zeigen könne, wenn ich Gott und ihr gegenüber nicht vorher die Berufungsfrage verneint hätte. Diese stand seit einigen Monaten ungeklärt im Raum und damit als Hindernis zwischen uns. Vielleicht war es die Lektüre der „Geschichte einer Seele“ von Theresia von Lisieux, die die alte Frage ein neues Mal entzündet hatte. Jedenfalls fielen die starken Worte der Karmelitin auf fruchtbaren Boden. Denn bereits die Pilgerwochen zu Beginn des Frankreichjahres in Paray-le-Monial hatten in mir einen neuen religiösen Hunger wachgerufen. Seitdem ging ich täglich zur Messe und habe auch das regelmäßige Beichten begonnen. Alles was ich tat und las, war im Grunde mehr und mehr katholisch.
Das Ringen um eine Entscheidung
Kurzum, die Frage verlangte nun das erste Mal unausweichlich eine endgültige Antwort – sie war mir schon häufig durch den Kopf gegangen, seit der Kindheit. Jedoch war sie immer verdrängbar gewesen. Jetzt wollte ich aber den richtigen Moment finden, um dem Guten Gott vors Angesicht zu treten, ihm zu geloben, ein guter Ehemann und Vater vieler Kinder zu werden, denn ich hätte gerne eine große Familie gehabt. Es war meine feste Überzeugung, ich könne in einem Akt auf alles verzichten, was mich am Priestertum stets so unerklärlich anzog. Dieser Zeitpunkt schien nun gekommen, denn ich konnte das Problem nicht mehr guten Gewissens vertagen.
Als mir das klar wurde, verbrachte ich einen verzweifelten Abend und Morgen in der Hauskapelle meines Pariser Wohnheims. Nachdem ich alle Möglichkeiten vor dem Tabernakel hin und her gewälzt hatte, um mir auf irgendeine Weise meine Zukunft in der Kirche als hoch engagierter Laie vor dem Zölibat zu retten, versuchte ich am Mittag, Verzicht auf das Priestertum zu setzen. Leider musste ich gleich während des Mittagessens mit Freunden feststellen, dass die erwartete Befreiung hin zum Weltleben, die der Verzicht bewirken sollte, ausgeblieben war. Deshalb musste ich mit dem Problem weiter ins Gebet gehen. Nun war das Beten ergebnisoffen und ich mir selbst gegenüber ehrlicher.
Ich will Ihm folgen
Die Bilder meiner Kindheit kamen mir in den Sinn: So viele Male hatte der Herr mich wieder und wieder in seine Kirche gerufen – der Benediktinerhabit und die Messgewänder der Priester, die mich so sehr anzogen; der heftige Wunsch, immer die Kirche zu verteidigen, von der ich als Jugendlicher im Grunde kaum etwas wusste; die naive Idee, einmal Theologie zu studieren, die ich einem Freund anvertraut hatte; zwei Abreisen aus Deutschland, die erste nach Israel, die zweite nach Frankreich, vor denen ich beide Male die Idee im Hinterkopf trug, dass ich die neue Freiheit nutzen könne, um vielleicht in einem Orden Heimat zu finden. Und dann das herrliche Bild Christi, der das Brot vermehrt und das Brot des ewigen Lebens schenkt – das will ich auch tun, Herr! Christus, der Versöhnung mit dem Vater schenkt – ich will alle zu Ihm führen! Christus, der am See Genezareth die Apostel zu sich ruft – ich will Ihm auch folgen!
Regelrecht verliebt!
Es folgten Tage großer Klarheit der Berufung. Das Opfer der Gegenwart und der Zukunft, die ich mir vorgestellt hatte, als auch die notwendigen schwierigen Gespräche konnte ich in großer Leichtigkeit vollbringen.
Unmittelbar mit der Berufung war mir auch klar gewesen, dass ich nicht nur Priester werden, sondern auch in die Gemeinschaft Sankt Martin eintreten wolle. Ich hatte die Gemeinschaft ein Jahr lang immer besser kennengelernt und mich wohl regelrecht in sie verliebt: Dort fand ich Priester mit sehr klaren Worten und gleichzeitig mit großer Sanftmut; Priester mit großem Sinn für Tradition, ohne sich im Netz des politischen Traditionalismus zu verfangen; vor allem aber Priester und Seminaristen, die mit der Kirche und in ihr heilig werden wollten.
Der Rektor des Seminars akzeptierte mich noch für das bereits laufende Jahr. Einige Wochen später wurde ich Seminarist der Gemeinschaft Sankt Martin.
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