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Januar 2015
Meine Zeit als Missionarin in Deutschland
Seit Januar 2014 lebte Schwester Doris Chembo im oberpfälzischen Kloster Strahlfeld. Wenige Wochen vor ihrer Rückkehr nach Sambia beschreibt sie in einem Brief die Erfahrungen, die sie in diesem Jahr in Deutschland gesammelt hat.
Mein letzter Bericht endete mit unserer Ankunft am Nürnberger Flughafen, wo die extreme Kälte mir so zusetzte, dass ich dachte, ich würde erfrieren. Die Schwestern, die uns abholten, brachten warme Jacken, Schals und Handschuhe für uns mit und „retteten“ damit mein Leben! Ganz warm wurde uns dann bei der herzlichen Begrüßung durch die Strahlfelder Schwestern. In der ersten Zeit musste ich mir selbst immer wieder sagen: Du bist wirklich als Missionarin in Deutschland. Der Traum wurde Wirklichkeit.
Wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass mich die Nachricht von meinem Einsatz in Deutschland zuerst sehr nervös gemacht hat. Alle möglichen Fragen gingen mir durch den Kopf: Wie kann ich mich mit den Schwestern und anderen Leuten in Deutschland verständigen? Wie gehen wir miteinander um, wird meine dunkle Hautfarbe eine Rolle spielen? Wie wird es mir mit dem Essen gehen? Aber allen diesen Unsicherheiten zum Trotz war ich fest von meiner missionarischen Berufung überzeugt und bereit, unseren älteren Schwestern in Strahlfeld zu helfen. Schließlich haben sie in jungen Jahren denselben Schritt getan und sich auf den Weg nach Afrika gemacht, um unserem Volk zu helfen.
Die Zeit in Deutschland ist für mich ein wertvoller Lebensabschnitt. Seit Januar 2014 lebe ich in der Strahlfelder Gemeinschaft, zu der rund 70 Schwestern gehören. Manche sind auf der Kranken- und Pflegestation und ans Bett gebunden, aber die Mehrzahl der Schwestern ist noch sehr aktiv. Im Grunde trägt jede einzelne von ihnen zum Gelingen des normalen Alltags bei. Sehr schnell merkte ich, dass viele der Schwestern zwar alt sind, aber doch sehr talentiert. Einige malen mit Aquarell -oder Acrylfarben, stellen Karten mit Enkaustikmalerei oder wunderschönen Naturfotos her, dekorieren Kerzen, gestalten Tischdekorationen und kennen sich gut mit Heilkräutern und Gartenarbeit aus. Es macht mich sehr glücklich, mit diesen Schwestern zu leben und ich spüre, es bringt Freude in die Gemeinschaft, dass wir da sind.
Verschiedene Arbeitsbereiche
Im Laufe des Jahres wechseln wir vierteljährlich unsere Einsatzbereiche. Meine erste Aufgabe war es, im Refektorium, dem Speisesaal der Schwestern, zu helfen. Ungefähr 40 von ihnen essen dort regelmäßig. Es war ein gutes Gefühl, dafür verantwortlich zu sein, dass alle Tische für die jeweiligen Mahlzeiten gedeckt und der Raum sauber und aufgeräumt war. Das Servieren gehört ebenfalls zu dieser Aufgabe. Das fand ich sehr interessant, da ich auf diese Weise viel schneller die verschiedenen Gerichte kennen lernte. Besonders freute ich mich auf die Tage, an denen es Apfelstrudel gab.
Zusätzlich zur Verantwortung für den Speisesaal kommt an einem Tag der Woche die Möglichkeit, sich kreativ zu betätigen. Dabei lernte ich das Seidenmalen und die Enkaustik-Maltechnik. Diese kleinen Kunstwerke wurden für die Herstellung von Karten genommen.
Der nächste Arbeitsbereich brachte mich in die Waschküche, wo ich neue Mitarbeiterinnen des Klosters kennen lernte und es oft sehr lustig war. Alle verstehen sich gut und nahmen mich sehr freundlich in ihrer Mitte auf. Ich lernte neue Möglichkeiten des Wäschefaltens, was ich ganz hilfreich fand. Im dritten Quartal war ich in der Kranken- und Pflegeabteilung des Klosters beschäftigt. Das habe ich gerne getan. Viele der kranken Schwestern waren früher in Afrika und wir konnten uns über diese Zeit unterhalten. Dabei spürte ich, dass viele von ihnen Sambia oder Simbabwe sehr vermissen. Ich übernahm kleine Aufgaben wie Kaffee oder Mahlzeiten servieren, Essen eingeben oder auch Betten machen. Oft besuchte ich die Kranken in ihren Zimmern und half, wo es gerade nötig war. Die größte Herausforderung auf der Krankenstation war für mich die deutsche Sprache. Ich konnte zu der Zeit erst sehr wenig Deutsch und fand es schwer, mich auszudrücken. Da die meisten unserer Schwestern, auch die beiden, die zum Pflegepersonal gehören, früher in Afrika waren, konnte ich sie stets fragen. Das machte mein Leben ein wenig leichter. Seit Anfang Oktober bin ich nun in der Sakristei und helfe bei allen dort anfallenden Tätigkeiten, auch beim Reinigen der Kapelle. Das ist eine sehr schöne und besinnliche Aufgabe.
Eindrücke und Erfahrungen
Ein einschneidendes Erlebnis war für mich der Tod einer Mitschwester und die anschließende Überführung und Beerdigung. Nach der Aussegnung und Verabschiedung der verstorbenen Schwester wurde der Sarg zur Leichenhalle auf dem Friedhof gebracht und blieb dort in der geschmückten Halle bis zum Zeitpunkt der Beerdigung. Für mich völlig unverständlich war es, dass der Sarg nach Gebeten und Liedern allein gelassen wurde und alle Trauernden zurück zum Kloster gingen. In unserer Kultur wäre das undenkbar. Wir lassen unsere Verstorbenen nicht allein, es sind immer Verwandte und Bekannte da, die beten, singen und erzählen. Auch die Zeremonie der Beerdigung ist ganz anders als bei uns. Wir trauern und weinen am Grab und trösten die Hinterbliebenen – es ist eine tagelange Feier, bei der die Familie des Verstorbenen von den Nachbarn unterstützt wird. Diese übernehmen alle anfallenden Arbeiten für sie. Alle Familienmitglieder müssen bei der Beerdigung dabei sein, das ist ganz wichtig. Ich finde die deutsche Art der Beerdigung sehr schwer zu verstehen und bin froh, dass es bei uns anders ist.
Als sehr schöne Erfahrung habe ich die Jahreszeiten erlebt. Der Winter mit seinem Schnee war für uns ganz neu und ich freue mich schon auf den nächsten Winter, auch wenn ich dann sehr frieren werde. Die vielen Blumen im Frühling, das neue Grün überall in der Natur, die Wälder, Wiesen, Felder, Berge und Seen – Deutschland ist ein sehr schönes Land. Die Menschen sind freundlich, arbeiten sehr hart, halten alles sehr sauber, auch in großen Städten, sie sind gut gekleidet, sehr pünktlich und gut organisiert. Sogar der Abfall wird sortiert und in verschiedene Container geleert – das war für mich neu und ich möchte das an andere weitergeben, wenn ich wieder zu Hause bin.
Unsere Verkündigung
Wir sind nach Deutschland gekommen, um die Schwesterngemeinschaft in Strahlfeld zu unterstützen, aber auch, um den Menschen, denen wir bei den verschiedensten Anlässen begegnen, von unserer Glaubensfreude und unserer lebendigen Liturgie Zeugnis zu geben. Das tun wir fast jeden Sonntag in der Klosterkapelle in Strahlfeld, wo sowohl Gäste des Bildungshauses als auch Angehörige der Strahlfelder Pfarrgemeinde teilnehmen. Alle zeigen sich immer sehr beeindruckt von unserem Singen und Trommeln und sagen uns, wie sehr sie diese „Verkündigung“ schätzen. Das freut uns natürlich, denn wir singen und trommeln sehr gerne und zeigen so unsere Freude am Glauben.
Ein besonderes Erlebnis war die Teilnahme am Katholikentag in Regensburg. Ich hätte nie gedacht, dass die Deutschen so viel beten und singen und sich in dieser großen Zahl zu einem Glaubensfest treffen. Am Missio-Stand trafen wir auf einen afrikanischen Chor, der gerade ein Lied in Suaheli sang. Eine von uns vier Schwestern ist aus Kenia und kannte das Lied. So hat sie voller Freude mitgesungen und wir haben dazu getanzt. Das war für uns wie ein Stück Heimat.
Wir haben auch eine Fahrt zu den Ursprüngen unserer Kongregation unternommen. Das hat uns gezeigt, wo unsere ersten Schwestern gelebt haben. Wir haben dabei auch die Klöster von anderen Dominikanerinnen kennen gelernt und erfahren, was uns verbindet. Bei dieser Gelegenheit konnten wir zum ersten Mal die hohen Berge im Süden Deutschlands sehen und die wunderschönen Seen.
Einige Male waren wir in einem Kindergarten, einer Schule oder auch bei einer Lesung zu Gast. Der Afrikatag im Kindergarten war für uns alle lustig und sehr abwechslungsreich. Die Kinder waren sehr interessiert, sie wollten viel über Afrika wissen. Wir zeigten ihnen, wie man Körbe, Schüsseln oder andere Dinge auf dem Kopf trägt und wie die afrikanischen Mütter ihre Kinder auf dem Rücken tragen. Das wollten die meisten Kinder mit uns ausprobieren. Sie waren dabei ganz aufgeregt. Als ich einzelne Kinder auf dem Rücken trug, spürte ich deutlich den Unterschied zwischen einem afrikanischen und einem deutschen Kind. Die afrikanischen Kinder kennen diese Art des Getragenwerdens und fühlen sich sicher auf dem Rücken der Mutter. Sie sind dann ganz entspannt und zufrieden. Die deutschen Kinder waren teilweise unsicher, klammerten sich fest an mich und hatten Angst, herunter zu fallen. Aber am Ende des Tages hatten sie Vertrauen gefasst und wollten immer wieder auf den Rücken genommen werden. Das fand ich sehr lieb und ich werde das immer in Erinnerung behalten.
Mein Dank
Insgesamt kann ich sagen, dass für mich das Jahr in Deutschland sehr wertvoll war und noch ist. Als bereichernd empfinde ich die Zeit mit den Schwestern in Strahlfeld. Wir teilen Freude und Leid und die Liebe zu Gott. Das verbindet uns und ich bin ihnen sehr dankbar für ihre Zuneigung und Unterstützung. Dankbar bin ich auch Herrn Jussen, den wir ja bereits von seinem Besuch in Lusaka her kennen. Er hat uns in Strahlfeld besucht und einen Ausflug mit uns nach Regensburg unternommen. Auch meiner Regionalleitung in Sambia bin ich dankbar dafür, dass sie mir diesen missionarischen Einsatz in Deutschland zugetraut und mich gesandt haben. Möge Gott alle segnen. Allen kontinente Leserinnen und Lesern danke ich für die Begleitung auf unserem Glaubensweg.
Von Doris Chembo |