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Das ärgert mich
Schneller, besser, schöner
Ich mache keine Diät. Mein Schal passt noch. Doch spätestens beim nächsten Friseurbesuch wird mir wieder eine dieser Frauenzeitschriften in die Hände fallen, die mit unerschütterlicher Beharrlichkeit Jahr für Jahr gegen den Weihnachtsspeck zu Felde ziehen und den neuen, ultimativen Weg zur Bikinifigur weisen.
Ich kann auf die tausend besten Tipps für den idealen Body-Maß-Index gerne verzichten – genauso wie auf die inflationäre Ratgeberliteratur zur Selbstoptimierung. Alle sollen ständig besser, schneller, effizienter werden. Denn Chancen, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten, hat angeblich nur, wer gestylt, sportlich gestählt und immer gut drauf ist. Diäten, Work-Outs, Karrierecoachs, Koffeintabletten – für jedes vermeintliche Defizit verspricht die Optimierungsmaschinerie das richtige Mittel. Hauptsache, der Mensch funktioniert und entspricht der Norm.
Mich stört, dass ich jede freie Minute zur Selbstverbesserung nutzen soll. Ich habe keine Lust, mir auf einem Bein die Zähne zu putzen, um mein Gleichgewicht zu trainieren oder in der Schlange vor der Supermarktkasse Vokabeln zu wiederholen. Nichts gegen gute Vorsätze. Aber wir sind Menschen und keine Maschinen: Geschöpfe mit Schwächen und Fehlern, Makeln und Macken, die uns liebenswert und unverwechselbar machen. Wir brauchen Zeit zum Nichtstun, zum Innehalten, zur Muße. Nur in dieser Freiheit kann der Mensch sich entfalten, Kreativität wachsen und Neues entstehen. Wenn nichts geschieht, geschieht manchmal viel.
Von Beatrix Gramlich
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