Kaum das Nötigste: Besonders im Winter reicht bei vielen alten Menschen in Caransebes die geringe Rente nicht für den nötigsten Lebensunterhalt. Foto: fcjm |
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Rumänien
Wenn die Rente nicht zum Leben reicht
Alte Menschen in Rumänien gehören zu den Verlierern der Wende von 1989/90. Sie konnten fast nichts für ihre Altersversorgung tun. Besonders im Winter – auch wenn der vergangene vergleichsweise mild war – erleben die Schwestern in Caransebes die Armut der alten Menschen, wie Schwester M. Hiltrud Wacker berichtet.
Es ist ein trauriger Anblick, wenn man zum Markt kommt und dort die alten Menschen sieht, die das Wenige, das sie haben, verkaufen wollen. Vor meinen Augen erscheint ein alter Mann, zu wenig bekleidet für diese Jahreszeit, mit einer Flasche Milch im Arm. Er wartet, dass man sie ihm abkauft. Oder eine gebückte alte Frau, mit einem kleinen Bollerwagen, gefüllt mit ein paar Kartoffeln, einigen Möhren, fünf Eiern und ein paar Strohblumen aus dem Garten. Sie haben zu essen, aber es fehlt eindeutig an Geld. Deshalb stehen sie dort, um ein paar Lei zu verdienen, mit denen sie vielleicht Medikamente oder den Strom bezahlen können. Sie wohnen meistens sehr bescheiden, ohne fließendes Wasser im Haus und nur mit einer Gartentoilette.
Wir, die Franziskanerinnen Salzkotten, können nicht allen ausreichend helfen. Wir tun das, was uns möglich ist und versuchen, viele alte und hilfsbedürftige Menschen zu erreichen, um ihnen das Leben etwas zu erleichtern. Für Kinder wird einiges getan, für die alten Menschen aber gibt es kaum Hilfen.
Heizkosten belasten
Wir erleben alte Menschen in unserem Alltag, die an unserer Tür um Lebensmittel bitten, die ihre Strom- oder Gasrechnung nicht bezahlen können oder Medikamente benötigen oder von der Sozialstation betreut werden. Manche betteln auf der Straße, andere verkaufen wenige einzelne Dinge wie Gemüse, Eier oder Blumen auf dem Markt. Die alten Menschen, die zu uns kommen, erzählen vom selben Schicksal: Sie haben eine geringfügige Rente von 300 bis 400 Lei, circa 70 Euro, und versuchen den Alltag damit zu bestreiten. Am Ende des Monats oder vor Feiertagen fehlt es meist an Lebensmitteln. Im Winter kommen die Kosten für Strom, Gas oder Holz hinzu. Wenn dann noch eine Krankheit auftritt, werden die Probleme existenziell. Es ist schon sehr viel, wenn ältere Menschen eine Versicherung haben und einen Hausarzt aufsuchen können. Für die verschriebenen Medikamente reicht ihr Geld aber dann meist nicht, und sie bitten in unserer Medikamentenausgabe um Hilfe. Die Mitarbeiterin dort hilft, wo sie kann. Da die Ärzte nur die Zusammensetzung und nicht den Namen eines Medikaments aufschreiben, sucht sie die entsprechenden Medikamente heraus, die aus Deutschland stammen. Die verschriebene Dosis ist meist sehr klein und wird entsprechend ausgegeben. Wenn fünf Tabletten aufgeschrieben sind, werden auch nur fünf verteilt.
Sozialstation
Die Sozialstation der Caritas Föderation Temeswar betreut in Caransebes und der näheren Umgebung fast 80 Patienten. Viele davon werden täglich gepflegt, einige ein bis zweimal in der Woche. Es wird Blutzucker bestimmt oder alle 14 Tage der Blutdruck gemessen. Zum Team der Sozialstation, die von einem sehr engagierten Krankenpfleger geleitet wird, gehören zwei Krankenpfleger und eine Krankenschwester sowie zwei Altenpflegehelferinnen. Die finanzielle Situation der Sozialstation ist eine Herausforderung. Zuschüsse vom Staat gibt es kaum. Die Gehälter der drei ausgebildeten Mitarbeiter werden jeweils zur Hälfte von Sponsoren aus Deutschland und dem örtlichen Bürgermeisteramt finanziert. Die Altenpflegehelferinnen erhalten in diesem Jahr noch ein Gehalt vom Staat, das aber künftig entfallen soll. Materielle Hilfeleistungen gibt es einmal im Monat von der Caritas in Temeswar. Aber deren Hilfsmöglichkeiten sind begrenzt. Alle weitere materielle Unterstützung kommt zum Teil aus dem Mutterhaus der Franziskanerinnen Salzkotten und von Sponsoren.
Kein Geld für Pflege
Den Mitarbeitern der Sozialstation stehen zwei Autos zur Verfügung, ohne die sie ihre Arbeit nicht bewältigen könnten. Die PKW wurden von Hilfsorganisationen gespendet. Alle Kosten, etwa für das Benzin, muss die Sozialstation aufbringen. Für die Pflege der Patienten darf nichts berechnet werden. Sie zahlen nur eine kleine Miete für einen Rollstuhl oder einen Rollator. Die Beiträge sind sehr gering und doch für viele schon zu hoch. Bei den Patienten und Patientinnen der Sozialstation handelt es sich überwiegend um Alleinstehende oder ältere Ehepaare. Es gibt auch einige jüngere Patienten, vor allem Krebskranke oder Menschen mit den Folgen von Schlaganfällen. Häufig leben sie in feuchten, schlecht isolierten Wohnungen. Manche Patienten haben jemanden, der wenigstens einmal am Tag nach ihnen schaut. Es kommt aber auch nicht selten vor, dass die älteren Menschen ihr ganzes Hab und Gut einem Menschen übertragen, der sich als „Betreuer“ ausgibt. Diese Personen sind in vielen Fällen nur auf das Erbe aus. Die älteren Menschen lassen sich darauf ein, da die Kinder im Ausland leben oder weil sie wirklich niemanden mehr haben.
Es fehlen Plätze bei der Versorgung durch „Essen auf Rädern“. Die Caritas ist nicht in der Lage, mehr zu leisten und allen eine warme Mahlzeit am Tag zu ermöglichen. An ihre Grenzen kommen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialstation, wenn es darum geht, alte Menschen im Sterben zu begleiten. Den Mitarbeitern ist das ein wichtiges Anliegen. Immer wieder stellt sich ihnen die Frage, wie sie diese Menschen mehr begleiten könnten. Aber zusätzlich zu ihrer Arbeit ist das nicht mehr leistbar.
Die Zahl bettelnder alter Menschen hat zugenommen. Sie sind nicht so aufdringlich und laut wie die Jungen, aber es gibt sie. Oft sammeln sie auch irgendwo Eisen, wobei sie natürlich im Nachteil sind, da die Jungen schneller sind. Wir geben kein Geld, sagen aber, wo sie bei uns Hilfe erhalten können.
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