Tanzen für das LebenNach dem Tod ihrer Mutter lebte Remy Nanyonga als Kind alleine im Ghetto in Kampala. Das Leben war hart, die Leute nutzten sie aus und missbrauchten sie. Remy hat gehungert, aber nie aufgehört, an ein besseres Leben zu glauben. |
Text: Ulf Schubert; Fotos: Kathrin Harms
Dieser Mann war früher ein Nachbar. Er kam zu mir, meinte, ich solle in sein Haus kommen, seine Hemden bügeln. Ich sagte, „Nein, Mann, du willst mit mir schlafen, mich mit Aids anstecken.“ Das Leben ist tough, ist hart hier in Ksanga. Ich war elf, als meine Mutter starb. Ich habe erst gedacht, sie würde schlafen. Da war sie schon tot. Ich war noch ein Kind und musste mich alleine durchschlagen. Klar ist das hier ein Ghetto. Aber das Leben ist mehr, als nur ein Opfer zu sein. Heute bin ich 19 Jahre alt. Meinen Vater habe ich nie getroffen. Die Nachbarn sagten, er hatte viele Frauen, hat gesoffen. Es schmerzt mich, sie so über ihn reden zu hören. Ich kannte ihn ja nicht. Meine Mutter hat Männer gehasst. Zumindest hat sie das immer so gesagt. Ich hatte bis kurz vor dem Tod meiner Mutter noch nie etwas von Aids gehört. Ich war noch ein Kind, dachte, es wäre Malaria. Meine Mutter hat mich ja geboren. Ich dachte, ich hätte auch Aids. Die Leute hier sagen immer nur, der oder die starb an „der Krankheit“. Aids ist den Leuten peinlich. Die Nachbarn wollten uns rausschmeißen. Sie sagten, meine Mutter sei verhext. Sie wollten uns hier nicht mehr haben, hatten Angst vor Zauberei, vor der Krankheit. Ich glaube nicht an Hexerei.
„Ich habe nie meinen Körper verkauft“
Meine Mutter und ich waren ziemlich alleine. Ich habe meine Mutter gepflegt, sie gefüttert. Früh am Morgen stellte ich mich manchmal an die Kreuzung, dort wo die Laster mit den Bananen und Süßkartoffeln vorbeikamen. Manchmal fiel etwas ab. Meine Mutter machte hinterher ins Bett. Ich habe die Laken und ihre Kleidung gewaschen. Nach ihrem Tod zog ich von Hütte zu Hütte. Immer auf der Suche nach Essen. Die Leute sagten mir: „Remy, du gehörst in eine Familie.“ Mal gaben sie mir etwas zu essen. Mal nicht. Manchmal durfte ich für ein paar Tage bleiben, mal jagten sie mich fort. Ich flehte sie an: „Lasst mich bei euch bleiben, lasst mich euer Hausmädchen sein.“ Ich wollte eine Familie. Ich fühlte mich echt einsam. Wenn der Hunger zu groß wurde, habe ich mir angewöhnt, mich auf meine Füße zu konzentrieren. Ich habe immer gespürt, dass da noch etwas ist, das auf mich wartet, nie aufgegeben. Ich habe nie gestohlen oder meinen Körper verkauft. Viele Mädchen hier lassen sich von den Männern aushalten. Ich bin aus der Schule geflogen, konnte mir das Schulgeld nicht mehr leisten. Ich war eine gute Schülerin, bin gerne dort gewesen. Der Lehrer sagte mir, dass es ihm Leid tue, aber er nichts für mich tun könne. Ich habe viel geheult.
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