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Sven Wagner

Die ewi­ge Flucht

Im Südos­ten Ban­g­la­deschs liegt ei­nes der größ­ten Flücht­lings­la­ger der Welt. Dort le­ben
Ro­hin­gya, die zu Hun­dert­tau­sen­den ge­walt­sam aus ih­rer Hei­mat Myan­mar ver­trie­ben wur­den.
Sie ha­ben Sch­reck­li­ches er­lebt und nie­mand weiß, was aus ih­nen wer­den soll.

Wenn So­l­ei­ma Kha­tun am Abend die Au­gen sch­ließt, kann sie noch im­mer hö­ren, wie Ge­wehr­ku­geln an ihr vor­bei­zi­schen. Sie sieht Rauch­schwa­den über den bren­nen­den Stroh­dächern und den ver­kohl­ten Reis­fel­dern ih­res Hei­ma­t­orts auf­s­tei­gen. Dann be­ginnt sie in Ge­dan­ken, er­neut los­zu­ren­nen: an den Bam­bus­hüt­ten der Nach­barn vor­bei auf ei­nen dicht be­wach­se­nen Pfad tief hin­ein in den Dschun­gel – nur ir­gend­wie raus aus dem Dorf Don­song im Wes­ten von Myan­mar. So sch­nell ih­re Fü­ße die 50-Jäh­ri­ge tra­gen. Wo­hin, ist in die­sem Mo­ment we­der So­l­ei­ma Kha­tun noch den an­de­ren Dorf­be­woh­nern klar, die in Pa­nik die Flucht er­g­rei­fen. Kha­tun weiß nicht ein­mal, was über­haupt in je­ner Nacht ge­schieht, wer die Be­waff­ne­ten sind und warum plötz­lich He­li­k­op­ter über die­ser ab­ge­le­ge­nen, als un­ter­ent­wi­ckelt gel­ten­den Ge­gend auf­tau­chen. Das Ein­zi­ge, was ihr klar ist: Men­schen wer­den er­schos­sen, er­sto­chen, nie­der­ge­prü­gelt. Und wenn sie jetzt nicht den an­de­ren hin­ter­her­rennt, wird auch sie ster­ben.
Gut zwei­ein­halb Jah­re ist das her. Die Klein­bäue­rin Kha­tun hat ihr Land ver­lo­ren, ih­re Iden­ti­tät, ih­re Frei­heit. In­zwi­schen weiß sie: Der An­griff auf ihr Dorf war ei­ne von meh­re­ren Ak­tio­nen, mit de­nen Myan­mars Mi­li­tär, pa­ra­­mi­li­täri­sche Grup­pen und mut­maß­lich auch Hel­fer aus der Lo­kal­be­völ­ke­rung in kur­zer Zeit mas­sen­haft Men­schen aus dem Bun­des­staat Rak­hi­ne ver­trie­ben und ge­tö­tet ha­ben. Die Op­fer: An­ge­hö­ri­ge der Ro­hin­gya, ei­ner Volks­grup­pe, die sich zum mus­li­mi­schen Glau­ben be­kennt. So wie So­l­ei­ma Kha­tun und ih­re Fa­mi­lie.
Im­mer wie­der schlu­gen den Ro­hin­gya in Myan­mar, dem frühe­ren Bur­ma, Wel­len von Ge­walt ent­ge­gen: 1978 so­wie An­fang der 1990er-Jah­re wur­den meh­re­re Hun­dert­tau­send ge­walt­sam ver­trie­ben. En­de Au­gust 2017 gab es er­neut An­grif­fe – mehr als ei­ne hal­be Mil­li­on Män­ner, Frau­en und Kin­der flo­hen aus ih­rer Hei­mat. Ihr Ziel: Ban­g­la­desch. Rak­hi­ne liegt di­rekt an der Gren­ze zu dem süda­sia­ti­schen Nach­bar­land. Mit­tel­los, oft bar­fuß durch Flüs­se und Schlamm wa­tend, die Män­ner mit Kin­dern oder äl­te­ren Fa­mi­li­en­mit­g­lie­dern auf den Schul­tern, ge­lang­ten die Flücht­lin­ge sch­ließ­lich in die Or­te Ku­tu­pa­long und Na­ya­pa­ra im Südos­ten Ban­g­la­deschs. Hier ist in­zwi­schen das ver­mut­lich größ­te Flücht­lings­la­ger der Welt ent­stan­den: 860000 Men­schen sind es nach An­ga­ben der Ve­r­ein­ten Na­tio­nen, in­of­fi­zi­el­len Schät­zun­gen zu­fol­ge je­doch längst mehr als ei­ne Mil­li­on.

Un­ter Plas­tik­fo­lie im Mo­rast
Im Her­zen von Ku­tu­pa­long sitzt So­l­ei­ma Kha­tun auf dem küh­len Lehm­bo­den ih­rer Hüt­te. Die Un­ter­kunft ist aus ei­nem Bam­bus­ge­s­tell ge­fer­tigt, die Wän­de be­ste­hen aus Pla­nen. Auf ei­ner Fläche von drei mal fünf Me­tern le­ben, ko­chen und schla­fen ihr Sohn, des­sen Frau und der En­kel hier zu­sam­men mit ihr. Die Be­hau­sung, so sch­licht sie wirkt, ist noch ei­ne der bes­se­ren Va­ri­an­ten im Camp. Als die Men­schen 2017 hier an­ka­men, hat­ten vie­le über­haupt kein Dach über dem Kopf und harr­ten wo­chen­lang un­ter dün­nen Plas­tik­fo­li­en im Mo­rast aus, nur not­dürf­tig vor dem Mon­s­un­re­gen ge­schützt. „Wir sind sechs Ta­ge lang im Dschun­gel um­her­ge­irr­t“, er­zählt Kathun und hält ih­re Hand vor den Mund, als ha­be sie Scheu, das Er­leb­te aus­zu­sp­re­chen. Sie wirkt aus­ge­zehrt, die Flucht und das Le­ben im La­ger ha­ben Spu­ren hin­ter­las­sen. Vie­le Flücht­lin­ge sind schwer trau­ma­ti­siert. „Auf der Flucht ha­ben wir Was­ser aus Qu­el­len im Wald ge­trun­ken und kaum ge­schla­fen“, er­in­nert sich Kha­tun. An Es­sen war nicht zu den­ken. Vie­le ha­ben die Rin­de von Ba­na­nen­bäu­men auf­ge­bro­chen, um an das zu­min­dest et­was nahr­haf­te Mark im In­ne­ren zu kom­men. Denn Früch­te tru­gen die Bäu­me zu der Zeit nicht.
Am 25. Au­gust 2017 hat­te das Mi­li­tär in den Dör­fern zu­ge­schla­gen – of­fi­zi­ell aus Ver­gel­tung für vor­aus­ge­gan­ge­ne An­grif­fe durch Ro­hin­gya-Se­pa­ra­tis­ten. In­ter­na­tio­na­le Be­o­b­ach­ter sp­re­chen hin­ge­gen von ge­ziel­ter Ver­t­rei­bung. Und Au­gen­zeu­gen, die heu­te in Ku­tu­pa­long le­ben, schil­dern wahl­lo­se An­grif­fe auf un­schul­di­ge Men­schen: Ra­hi­ma Kha­tun, 40, hat mit an­ge­se­hen, wie zwei ih­rer Brü­der er­schos­sen wur­den. Die 60-jäh­ri­ge Ano­wa­ra Be­gum be­rich­tet von Fol­ter und Ver­ge­wal­ti­gun­gen in ih­rem Dorf. Tan­da Mia, ein ge­stan­de­ner Mann Mit­te 40, spricht mit ei­ner Mi­schung aus Trau­er und Wut dar­über, wie er sein ge­sam­tes Land und Vieh ver­lo­ren hat.

Text: Sven Wag­ner; Fo­to: Ca­ri­tas Ban­g­la­desch

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