O Maria, hilf!In Kibeho soll Maria ein Massaker des Völkermords von 1994 vorhergesagt haben. Heute ist dort ein Wallfahrtsort – der einzige vom Vatikan anerkannte in Afrika. Die Frömmigkeit der Pilger ist für Mitteleuropäer befremdlich. |
Text: Eva-Maria Werner; Foto: Fritz Stark
Ein seltener Anblick: Jugendliche, die lautstark um Rosenkränze und grellbunte Andachtsbildchen feilschen. Am Devotionalienstand ist gerade viel los. Nach dem Pilgergottesdienst wollen Schüler aus der ruandischen Provinzstadt Butare Mitbringsel für Familie und Freunde erwerben. Die Verkäuferin wechselt Geld, packt Ware ein, beantwortet Fragen. Zehn Minuten lang, dann ist alles vorbei. Der Lehrer drängt zum Aufbruch, der Schulbus setzt sich in Bewegung und verschwindet in einer Staubwolke. Stille legt sich über den Platz. Mit einem kleinen Seufzer lässt sich die Verkäuferin auf die Plastikplane sinken, auf der sie ihre Ware ausgebreitet hat. Langsam ordnet sie Rosenkränze und Gebetsbilder. Dann legt sie die Hände in den Schoß und wartet. Es kann Stunden dauern, bis der nächste Pilgerbus über holprige Straßen den Hügel von Kibeho erklimmt.
Die Pallottiner haben die Pilgerseelsorge übernommen
An Wochentagen ist der Andrang am Wallfahrtsort überschaubar. Ein paar Dutzend Pilger verlieren sich auf dem weitläufigen Gelände schnell. An Wochenenden und den Hauptfeiertagen aber füllt sich der Platz vor der Kirche „Mutter der
Schmerzen“. An Hochfesten kommen bis zu 25000 Menschen. Kibeho wächst von Jahr zu Jahr. Der kleine Ort im südwestlichen Ruanda, nur 20 Kilometer von der burundischen Grenze entfernt, zählte Anfang der 80er- Jahre nur wenige Häuser. Mittlerweile haben sich dort acht Ordensgemeinschaften angesiedelt. Die Pallottiner haben die Pilgerseelsorge übernommen, andere haben Schulen und Kindergärten eröffnet, eine Gesundheitsstation, Gästehäuser und ein Ausbildungszentrum für blinde Kinder. Die Gebäude liegen auf den umliegenden Hügeln. Das Internat „Marie Mercie“, wo alles begann, existiert noch. Daran angeschlossen, in einer kleinen Einzimmerwohnung, lebt Nathalie Mukamazimpaka. Die ehemalige Internatsschülerin ist eine der „Seherinnen“, der die Muttergottes in den 80er-Jahren mehrmals erschienen sein soll. Die einzige, die nach wie vor in Kibeho lebt.
Acht Stunden Gebet täglich
Die 52-Jährige wirkt schüchtern. Sie empfängt die Besucher in einem schneeweißen, glänzenden Kleid und mit scheuem Lächeln. Die „Seherin“, wie sie von allen in Kibeho genannt wird, verbringt acht Stunden täglich im Gebet versunken in der „Kapelle der Erscheinungen“. Sie ist keine Frau großer Worte. Ruhig und leise erzählt sie von den Ereignissen, die sich vor gut 35 Jahren an diesem Ort mitten in Afrika zugetragen haben sollen. Am 28. November 1981, berichtet sie, sei ihr die Muttergottes erstmals erschienen. „Maria schwebte vier Meter über der Erde, sie war unvergleichlich schön, trug einen blauen Mantel über dem Scheitel und ein weißes Kleid. Sie stand im Licht, in einem sehr weichen Licht und sagte in unserer Landessprache Kinyarwanda: ,Nathalie, mein Kind, bete viel, denn die Welt ist sehr schlecht.‘“ So fasst Mukamazimpaka die erste Begegnung zusammen. Es folgten turbulente Monate für die damals 17-Jährige. Lehrer und Mitschüler glaubten nicht, was sie und ihre beiden Klassenkameradinnen, die ebenfalls Erscheinungen hatten, berichteten. Die Mädchen erlebten ein Wechselbad der Gefühle: Angst, Ehrfurcht, Ablehnung. Die Nachricht von den Erscheinungen sprach sich in der Umgebung schnell herum.
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