Eine verschwiegene GemeinschaftChaldäer, Armenier, Katholiken: Die kleine Schar der Christen im Iran ist bunt und
hat ihre eigenen Traditionen. Der Islam verlangt, sie zu schützen. Aber alle müssen
vorsichtig sein und sind gegenüber Muslimen im Nachteil. Das war nicht immer so. |
Von Beatrix Gramlich (Text) und Hartmut Schwarzbach (Fotos)
„Impasse Katolikha“, Katholische Sackgasse, steht auf dem Straßenschild. Es klingt, als hätte sich jemand in der Stadtverwaltung von Isfahan einen Scherz erlaubt. Als sei der Name eine Anspielung auf den Zustand der christlichen Kirchen im Iran. Denn die kleine Herde der Gläubigen nimmt seit Jahren stetig ab. Lebten vor der islamischen Revolution geschätzte 300.000 Christen im Land, so sind es heute noch knapp 200.000 – während sich im selben Zeitraum die Bevölkerungszahl von 42 auf 80 Millionen verdoppelt hat.
Die „Katholische Sackgasse“ liegt im historischen Djolfa, einem verschlafenen Viertel, in dem wenig zu spüren ist von dem Lebenshunger der jungen, alten Stadt Isfahan mit ihren großartigen Zeugnissen islamischer Baukunst: den Moscheen, Palästen und Gärten wie aus Tausendundeiner Nacht. Hier im alten Djolfa scheint die Zeit stehen geblieben. Hohe Mauern schirmen die verschwiegenen Adelssitze aus dem 17. Jahrhundert vor neugierigen Blicken ab. An den schweren Holztüren hängen Türklopfer aus uralten Zeiten: einer für Männer, einer für Frauen – damit die weiblichen Bewohner schon am Klang erkennen konnten, wenn sie sich vor einem Besucher verschleiern mussten.
Die „Katholische Sackgasse“ endet an der Kirche „Notre Dame du Rosaire“, der Kathedrale von Isfahan. Das imposante, 1681 von den Dominikanern errichtete Gotteshaus zeugt von Tagen, als die Kirche in Persien noch selbstbewusst Pracht und Größe entfaltete. Herach Touroussian bewacht die Kathedrale seit 15 Jahren. Er ist armenischer Christ, aber die Konfession macht für ihn keinen großen Unterschied. „Der Glaube ist mir wichtig“, sagt der 61-Jährige. „Ich wollte mich engagieren, weil die Gesellschaft Druck auf die Kirche ausübt.“ Man würde ihm vieles zutrauen – nur nicht ein solches Bekenntnis.
Touroussian sieht aus, als wäre er geradewegs einem Mantel- und Degenfilm entsprungen: buschige Brauen, schwarze Augen, ein verwegener Schnauzbart, der sein Gesicht in zwei Hälften teilt. Als junger Mann hat er in einem Stahlwerk in Isfahan gearbeitet, später ging er nach Armenien, das damals noch zur Sowjetunion gehörte. Er fand eine Stelle als Schweißer und wurde durch halb Russland geschickt. Leningrad, Moskau, Sotschi: Die Städte, die Touroussian aufzählt, reichen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Fotos von damals zeigen ihn in betont männlicher Pose. Sie hängen in einem kleinen Anbau der Kirche, in dem er sich eine Werk- und Bettstatt eingerichtet hat. Hier restauriert Touroussian Antiquitäten und Trödel. An der Wand strahlt ein Dutzend zu Blumenvasen umfunktionierter Wasserhähne, es gibt Ölkännchen, Heiligenstatuen, Ikonen, eine Seite aus einem alten Messbuch. Jeder Quadratzentimeter ist vollgestopft mit sorgsam aufpoliertem Nippes. Wenn ihn die Müdigkeit übermannt, schläft Touroussian auch hier. Das Bett fällt kaum auf inmitten der Ansammlung von Kuriositäten.
„Früher“, erzählt er, „gab es viele wertvolle Kunstgegenstände in der Kathedrale: Kerzenhalter, das Ambo, selbst die Altarstufen waren aus Silber.“ Vieles wurde gestohlen. Doch seit die Kirche ihn als Wächter angestellt habe, sei nichts mehr weggekommen. Allein seine Anwesenheit bedeutet Schutz. Touroussian verbringt jeden Tag von morgens acht bis Mitternacht auf dem Gelände. Im Hof hat er einen kleinen Gemüsegarten angelegt; gerade versucht er, einem altersschwachen Ventilator neues Leben einzuhauchen.
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