Europas zwielichtiger GartenAlmería im Südosten Spaniens ist der Garten Europas. In gigantischen Treibhäusern wachsen hier jährlich
3,5 Millionen Tonnen Obst und Gemüse - der Großteil für deutsche Supermärkte. Unter deren Preisdruck
leiden Erzeuger, Händler und Lieferanten. Ganz unten: die afrikanischen Erntehelfer. |
Text: Beatrix Gramlich
Foto: Hartmut Schwarzbach
Wie eine Insel ragt La Mojonera aus dem glitzernden Plastikmeer. Dicht drängen sich die alten Häuser um die Pfarrkirche unserer lieben Frau von Fuensanto: Das Dorf stammt aus Zeiten, in denen manches gut, aber vieles nicht besser als heute war. Bis in die 1980er-Jahre war Almería die ärmste Provinz Andalusiens. Heute ist sie die reichste. Ihren Wohlstand verdankt sie den Treibhäusern, unter denen die Landschaft versinkt – und den Afrikanern, die darin schuften. In den gigantischen Folientunneln pflanzen und ernten sie Tomaten, Paprika, Gurken, Zucchini, Auberginen – 90 Prozent für den Export.
Dabei ist Almería eine Wüste. Der Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ wurde hier gedreht. In dem sandigen Boden wächst nicht viel. Nur wenige Pflanzen stemmen sich trotzig gegen die Trockenheit und den Wind. In den Sommermonaten klettern die Temperaturen bis auf 40 Grad.
„In den Treibhäusern ist es die Hölle“, sagt Luceila Eyang. Die 36-Jährige stammt aus Äquatorialguinea. Vor vier Jahren kam sie nach Almería, die Hoffnung auf ein besseres Leben im Gepäck. In ihrer Heimat hatte sie als Laborantin gearbeitet und sich ein Flugticket zusammengespart. Da das kleine Land in Westafrika früher zur spanischen Krone gehörte, konnte sie mit einem Touristenvisum einreisen. Doch Eyangs Träume zerplatzten innerhalb weniger Wochen. Ihr Diplom wurde nicht anerkannt; das Ziel, ihre Studien in Europa fortzusetzen und einen Arbeitsplatz zu finden, rückte in unerreichbare Ferne.
Lohn: 28 Euro am Tag
Vor ihrer Abreise hatte Eyang ihre fünf Kinder in die Obhut ihrer Brüder gegeben; ihre Familie bringt sie schon lange alleine durch, die Väter haben sich einer nach dem anderen aus dem Staub gemacht. Doch nachdem ihr Touristenvisum für Spanien ausgelaufen war, wurde es für die junge Mutter schwierig. In der Kirche traf die gläubige Katholikin einen Farmer, der ihr trotz fehlender Papiere Arbeit anbot. Ein Jahr lang ackerte sie in seinen Gewächshäusern – für 28 Euro am Tag. Die Arbeit ist eine Plackerei – vor allem das stundenlange Bücken, wenn neue Pflanzen gesetzt werden.
„Nachts sprühten sie Pflanzen- schutzmittel“, erzählt Eyang. „Wenn es an die Haut kommt, verursacht es Juck- reiz.“ Schutzkleidung gab es nicht. Die Arbeiter behalfen sich mit langen Ärmeln und Handschuhen. „Aber im Sommer hältst du das nicht aus. Was in den Treibhäusern passiert, ist Ausbeutung. Da arbeitet kein Spanier.“
Trotz allem hatte Eyang Glück. Als Bewohnerin einer ehemaligen Kolonie bekam sie schon nach einem Jahr eine Aufenthaltserlaubnis. Damit fand sie einen Job in einem Lagerhaus. Von drei Uhr nachmittags bis zwei Uhr morgens packte sie dort Gemüse in Kisten – für sechs Euro die Stunde. Die Mutter konnte Geld nach Hause schicken und ihre Familie unterstützen. Doch die ständige Überanstrengung forderte ihren Preis. Seit einem Jahr ist ihr rechter Arm teilweise gelähmt, sie selbst arbeitsunfähig. Eyang erhält 600 Euro Sozialhilfe, zwei Drittel davon zahlt sie für die Wohnung, die sie sich mit einer Frau und deren Tochter teilt. 150 Euro schickt sie nach Hause, von den restlichen 50 Euro lebt sie. Hin und wieder schenken ihr die Afrikamissionare eine Tüte mit Lebensmitteln.
Die Patres, die eigentlich in Afrika arbeiten, sind den Migranten gefolgt. Zu Dritt leben sie in einer kleinen Kommunität in der 100 000 Einwohner-Stadt Roquetas de Mar, zwei Kilometer von den Touristenstränden entfernt, in unmittelbarer Nachbarschaft zum afrikanischen Viertel. Erste und Dritte Welt liegen hier direkt nebeneinander. „Die meisten kommen, wenn sie Rat suchen“, sagt Pater Alick Mwamba, 37. Der Sambier und seine Mitbrüder unterrichten die Migranten in Spanisch, helfen bei Behördengängen, wenn jemand eine Wohnsitzbescheinigung oder einen Anwalt braucht.
Sie möchten die ganze Reportage lesen? Dann bestellen Sie hier ein kostenloses Probeheft
Zurück zur Nachrichtenübersicht Juli/August 2022