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22. Februar 2015
Zu Besuch im Gefängnis in Äthiopien
Keine Ausweiskontrolle, kein Passierschein, ein lächerlicher Zaun und Wärter, die uns freundlich begrüßen: Es ist ziemlich leicht, in Äthiopien ins Gefängnis zu kommen. Kaum sind wir durchs Tor, stehen wir mitten unter Mördern, Dieben, Vergewaltigern – aber es wirkt gar nicht so. Männer sitzen an Webstühlen und Nähmaschinen, spielen Volleyball oder kochen sich auf Holzkohlefeuern etwas zu essen. Tagsüber dürfen sich die Häftlinge im Gefängnis von Addis Alem frei auf dem Gelände bewegen. Erst abends werden sie in den Zellen eingeschlossen: in engen, dunklen Schlafsälen, in denen oft mehr als 100 Mann dicht aneinandergedrängt liegen. Zehn weibliche Gefangene backen für die insgesamt 1000 Häftlinge Injera, ein saures Fladenbrot und das Grundnahrungsmittel der Äthiopier. Viele Frauen haben ihre Kinder bei sich. Und viele sitzen unschuldig ein. So wie Elfnis Worku, die zu lebenslanger Haft verurteilt ist, weil jemand ihr einen Mord angehängt hat. Anklage und Verhandlung haben ganze drei Tage gedauert. Sie hatte nicht einmal Zeit, sich einen Anwalt zu nehmen. „40 Prozent der Gefangenen sind unschuldig“, sagt Girma Firrisa. Er ist Priester und besucht die Häftlinge regelmäßig. „Aber oft“, sagt er, „fühle ich mich hilflos.“
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