Immer noch demütig und gehorsam?
Es ist Zeit für eine Zwischenfrage. Ein Jahr nach dem Start der Internet-Doku „Um Gottes willen“ will kontinente von den vier Kandidaten für das Ordensleben wissen: Sind Demut und Gehorsam immer noch lebenswert? Phil antwortet aus Frankreich:
In meiner Gemeinschaft hat mich vor dem Eintritt ihre innere Einheit angesprochen. Einerseits fließt diese sicherlich aus der Liebe untereinander, die ihre Wurzel in Christus hat, aber andererseits hat sie daneben ein starkes Fundament im Prinzip der Autorität. Damit meine ich die Väterlichkeit, die die Oberen uns Seminaristen entgegenbringen, und die sich unsererseits in zwei Antworten ausdrückt: Vertrauen und Gehorsam. Je mehr ich in der Gemeinschaft wachse, umso mehr entdecke ich aber auch den Eigenwillen in mir, der sich auf allerlei Weise gegen den Gehorsam stemmt. Wie gerne würde ich gehorchen, so wie Jesus dem Vater gehorcht hat – aber wie oft sträuben sich Bewusst- und Unterbewusstsein dagegen. Wie oft muss ich schmerzhaft die Erfahrung machen, dass ich tatsächlich oft bloß meiner eigenen Vorliebe diene, anstatt den Willen des Vaters zu tun.
Nie mehr als heute, aber nie genug!
Wenn der Sinn der eingangs gestellten Frage ist: Bist du immer noch gehorsam?, kann meine Antwort also nur lauten: Nie mehr als heute, aber nie genug! Daneben klingt in ihr aber ein kritischer Unterton, denn sie scheint ganz aufgeklärt sagen zu wollen: Und wie steht’s um deine Selbstbestimmung? Ja, sind nicht gar Demut und Gehorsam die Ursache von Immobilismus und von Erstarrung in Traditionen? Sind sie letztlich nicht Mittel der Unterdrückung und der Kontrolle einer fortschrittsfeindlichen Kirche und wollen nicht alle andern nur deinen Fortschritt und Erfolg verhindern? Nein! Der Gehorsam ist nicht Knechtung, sondern Leben! Der frische Wind der Neuerung, der Geist, der weht wohin er will (vgl. Joh 3,8-9), ist dort heimisch, wo er eine Haltung der Wahrhaftigkeit in Demut und Gehorsam findet. Tatsächlich, Jesus selbst «wurde gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz» (Philipper 2,8). Das ist nicht die Haltung des Bücklings, sondern des freien Mannes vor dem, den er als seinen Schöpfer und Retter bekennt. So hat Benedikt XVI. in der Predigt der Chrisam-Messe am 5. April ausgerufen: Ist der Ungehorsam ein Weg, um die Kirche zu erneuern? … Spüren wir darin etwas von der Gleichgestaltung mit Christus, die die Voraussetzung jeder wirklichen Erneuerung ist oder nicht doch nur den verzweifelten Drang, etwas zu machen, die Kirche nach unseren Wünschen und Vorstellungen umzuwandeln? Gott ist der, der nicht auf die große Zahl und auf die äußeren Erfolge schaut, sondern seine Siege im demütigen Zeichen des Senfkorns erringt.
Ein inneres Jasagen zum Plan Gottes
Die Gemeinschaft gibt sich jedes Jahr ein Thema zur Meditation, das diesmal zufällig der Weg der Demut im Zeichen von Theresia von Lisieux ist – das trifft sich gut. Wir haben nicht nur eine kleine Reise durch die Normandie auf ihren Spuren gemacht (im Februar), sondern uns vor allem in der Fastenzeit mit ihr auf die Suche nach dem Hochmut begeben, der einen jeden auf seine Weise im Griff hat. Jede Woche kam eine bestimmte Form unter das Mikroskop, Hochmut des Willens, der Intelligenz, der Reichtümer, Hochmut im Geistlichen… Ich bin sehr dankbar für diese ausgezeichnete Vorbereitung auf die Karwoche und das Fest der Auferstehung. Das Ziel ist freilich nicht eine bigotte, äußerliche Form der Unterwerfung, sondern ein inneres Jasagen zum Plan Gottes.
Nach den großen Osterfeierlichkeiten im Seminar haben wir innerhalb des Jahrgangs drei Tage Ferien auf dem Land verbracht. Ich habe bereits erwähnt, dass unser kleiner Trupp unterschiedlicher nicht sein könnte, im Alter und in der Herkunft, in den Interessen und Vorlieben. Umso schöner ist nun unsere echt christliche Gemeinschaft untereinander, die Liebe, die wir füreinander im Laufe eines Jahres ganz spürbar entwickeln konnten.
Das große Ziel ist wieder greifbar
Vier Seminaristen werden Ende Juni vom Bischof von Blois zu Diakonen geweiht, außerdem wird es zehn Priesterweihen geben – das hat der Generalmoderator der Gemeinschaft, Don Paul, gerade verkündet. Auf einmal ist das große Ziel des Seminars wieder greifbar: es ist eben eine Zeit der Vorbereitung und des Übergangs, um Christus in seinem Priestertum ähnlich zu werden, um soweit zu reifen, dass wir sein Hirtenamt mittragen können. Alles hier Geschenkte und Erkämpfte nützt nicht dem eigenen Wohlsein, der eigenen Ehre, sondern immer dem Dienst am Volk Gottes. Für mich wird sich ab September ein Praktikumsjahr anschließen. Dieses werde ich entweder in einer der Pfarreien verbringen, die der Gemeinschaft anvertraut sind, oder in einem Internat, in dem zwei Priester der Gemeinschaft als Seelsorger tätig sind.
Phil Schulze-Dieckhoff