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Pastor Marcos Perreira da Silva (links) und seine Missionare besuchen Gefangene in Rio. Foto: Reuters

Der evan­ge­li­ka­le Pas­tor Mar­cos Per­rei­ra da Sil­va (links) und sei­ne Mis­sio­na­re be­su­chen Ge­fan­ge­ne in Rio. Fo­to: Reu­ters

Pfingst­kir­chen in Bra­si­li­en

Spen­den für das See­len­heil

Bra­si­li­en ist das größ­te Land Latei­na­me­ri­kas und das Land, in dem welt­weit die meis­ten Ka­tho­li­ken le­ben. Doch de­ren Zahl sinkt seit Jah­ren. Auf dem Vor­marsch sind die evan­ge­li­ka­len Pfingst­kir­chen, die der ka­tho­li­schen Kir­che die Vor­rei­ter­rol­le st­rei­tig ma­chen.

„Ein­mal zum Flug­ha­fen, bit­te.“ Der Ta­xi­fah­rer nickt, klappt die Bi­bel zu und dreht den Zünd­schlüs­sel. Für ihn ist es ganz nor­mal, in der Bi­bel zu le­sen, wenn sich ei­ne Pau­se er­gibt. Die meis­ten Bra­si­lia­ner sind re­li­gi­ös. Doch sie sind auch prag­ma­tisch. Sie ge­hen dort­hin, wo sie sich wohl füh­len, wo sie ein Zu­hau­se fin­den. „Re­li­gio­si­tät fällt in Bra­si­li­en auf frucht­ba­ren Bo­den“, sagt Kle­mens Paff­hau­sen, Län­der­re­fe­rent für Bra­si­li­en bei der Bi­sc­höf­li­chen Ak­ti­on Ad­ve­niat. Will hei­ßen: Der Glau­be an Gott ist für die Men­schen selbst­ver­ständ­lich. Der ka­tho­li­sche Glau­be ist ei­ne Art Ge­rüst, das den Men­schen Halt gibt. Das be­deu­tet aber nicht, dass sie in ei­ne ka­tho­li­sche Kir­che ge­hen, wenn sie be­ten wol­len. Die Bra­si­lia­ner fei­ern gern, sind be­geis­te­rungs­fähig. Sie su­chen die Spi­ri­tua­li­tät – und hier set­zen die evan­ge­li­ka­len Pfingst­kir­chen an.

Wie Pil­ze aus dem Bo­den

„Sie sind dort, wo die Men­schen sind, wo sich Ar­me tref­fen“, hat Jo­han­nes Nig­ge­mei­er be­o­b­ach­tet. Der Theo­lo­ge, der aus Pa­der­born stammt, lebt seit 28 Jah­ren in ei­nem Ar­men­vier­tel in der Nähe von Rio de Janei­ro. Er weiß: Die Pfingst­kir­chen sprie­ßen wie Pil­ze aus dem Bo­den. An den Pe­ri­phe­ri­en der gro­ßen Städ­te, zum Bei­spiel. In den Fa­ve­las, den of­fi­zi­ell nicht an­er­kann­ten Ar­men­sied­lun­gen. In ei­nem neu­en Wohn­ge­biet sind Pfingst­kir­chen die Ers­ten, die prä­sent sind. Wäh­rend 1960 noch 91 Pro­zent der Bra­si­lia­ner Ka­tho­li­ken wa­ren, zähl­ten sich 2010 nur noch 64 Pro­zent zur rö­misch-ka­tho­li­schen Kir­che.

In Bra­si­li­en hat sich seit den 1980er-Jah­ren ein re­li­giö­ser Markt ent­wi­ckelt. Im Grun­de kann je­der ei­ne Pfingst­kir­che grün­den, denn die­ser Markt funk­tio­niert nach den Re­geln der frei­en Wirt­schaft. Und: Die Pfingst­kir­chen be­t­rei­ben re­li­giö­ses Mar­ke­ting. Sie sind in den Me­di­en sehr prä­sent, man­che ha­ben so­gar ei­ge­ne Fern­seh­sen­der und neh­men po­li­ti­schen Ein­fluss im Land. „Man­che Pas­to­ren ha­ben sich dumm und dus­se­lig ver­di­en­t“, er­klärt Paff­hau­sen. Sie be­t­rei­ben Fi­lia­len ih­rer Kir­chen als ge­winn­brin­gen­de Un­ter­neh­men.

Weil man so freund­lich emp­fan­gen wird, sich fast wie ein rei­cher Gast füh­len darf, dem die Tür auf­ge­hal­ten wird, wenn er ein Ho­tel be­tritt, strö­men die Men­schen in die Pfingst­kir­chen. Oft sind die­se aus ei­nem frühe­ren Lo­kal oder Wohn­haus ent­stan­den. Sie zie­hen Men­schen an, die ih­rem Le­ben Ge­stalt ge­ben wol­len, die sich mit exis­ten­zi­el­len Fra­gen au­s­ein­an­der­set­zen. Pro­b­le­me wie den Pries­ter­man­gel ha­ben die Pfingst­kir­chen nicht. Bei ih­nen durch­läuft ei­ner, der der Ge­mein­de vor­steht, ei­nen Crash­kurs. Je­der kann hier gut und ger­ne inn­er­halb von sechs Wo­chen zum Pas­tor auf­s­tei­gen, auch wenn er kei­ne aka­de­mi­sche Aus­bil­dung hat. So fun­giert er als Vor­bild: Da ist ei­ner, der es ge­schafft hat, der Ar­mut zu ent­f­lie­hen. Den Zö­li­bat ken­nen die Pfingst­kir­chen nicht, hier dür­fen die Pfar­rer hei­ra­ten.

„Je mehr du spen­dest, des­to mehr wird dir ge­hol­fen.“

Wer al­ler­dings freund­lich be­grüßt wird, wenn er ein Got­tes­haus der Pfingst­kir­che be­tritt, und sich ge­bor­gen füh­len möch­te in der Kir­che, der wird sch­nell da­ran er­in­nert, wes­we­gen er auch hier ist: Durch die Rei­hen ge­hen Men­schen mit Kre­dit­kar­ten-Le­se­ge­rät, da­mit der fäl­li­ge Spen­den­be­trag di­rekt vom Kon­to ab­ge­bucht wer­den kann. Die Gläu­bi­gen sind näm­lich verpf­lich­tet, re­gel­mä­ß­ig ei­nen be­stimm­ten Be­trag an die Pfingst­kir­che ab­zu­ge­ben. Es wird vom „Dízi­mo“ ge­spro­chen, dem Zehn­ten. Es gilt das Mot­to: „Je mehr du spen­dest, des­to mehr wird dir ge­hol­fen.“


„Die Pfingst­kir­chen ar­bei­ten sehr kom­mer­zi­ell, sie sind ei­ne Art re­li­giö­ser Di­enst­leis­ter“, sagt Paff­hau­sen. Sie ap­pel­lie­ren stets an die Op­fer- und Be­keh­rungs­be­reit­schaft ih­rer Gläu­bi­gen. Wer kei­ne ro­si­gen Aus­sich­ten hat, wer sich al­lein ge­las­sen fühlt und der Mei­nung ist, dass sich et­was im Le­ben än­dern muss, dem sa­gen die Pfingst­ler: „Spen­de viel, dann wird dei­ne See­le ge­ret­tet.“ Sie sp­re­chen auch vom Wir­ken des Teu­fels, der ver­führt, und von Dä­mo­nen, die Krank­hei­ten brin­gen. Schuld da­ran kann nach Auf­fas­sung der Evan­ge­li­ka­len nur das ei­ge­ne mo­ra­li­sche Ver­sa­gen sein. Und da­ge­gen lässt sich et­was tun, durch eif­ri­ges Spen­den. Ziel ist es, den Teu­fel zu be­sie­gen und zu Gott zu fin­den. Das pre­di­gen sie. Sie ver­sp­re­chen den Gläu­bi­gen ein bes­se­res Le­ben und die Nähe zu Gott. Da­zu al­ler­dings müs­sen die Gläu­bi­gen den Ge­nüs­sen des Le­bens ab­schwö­ren. Pfingst­kir­chen stel­len ho­he An­sprüche an ih­re An­hän­ger. Zum Bei­spiel: kein Al­ko­hol, kein Sex vor der Ehe.

Got­tes­di­enst als Event

Die Got­tes­di­ens­te in den Pfingst­kir­chen ha­ben Event-Cha­rak­ter. In der Mas­se wirkt die Spi­ri­tua­li­tät stär­kend. Die Pfingst­ler la­den zu Ge­bets­a­ben­den, Hei­lungs­got­tes­di­ens­ten und Dä­mo­nen­au­s­t­rei­bun­gen, stets be­g­lei­tet von „Pau­ken und Trom­pe­ten“.

In die­sem Um­feld ist es ei­ne Rie­sen­her­aus­for­de­rung für die eins­ti­ge Bas­ti­on ka­tho­li­sche Kir­che, ih­re Gläu­bi­gen zu hal­ten. Die Kon­kur­renz durch die Pfingst­kir­chen, der re­li­giö­se Plu­ra­lis­mus in Bra­si­li­en, bringt die Kir­che in Zug­zwang. „Die ka­tho­li­sche Kir­che wird nur noch als ein gleich­wer­ti­ges An­ge­bot un­ter vie­len ge­se­hen“, schil­dert Paff­hau­sen die La­ge. Das Gros der Bra­si­lia­ner ist ka­tho­lisch ge­tauft, doch treue Kirch­gän­ger schwin­den und es fin­det kei­ner et­was da­bei, wenn ein Christ aus­pro­biert, was die an­de­ren Kir­chen zu bie­ten ha­ben. Wäh­rend die ka­tho­li­sche Kir­che Be­schei­den­heit pre­digt, win­ken die Pfingst­kir­chen mit hoch­wer­ti­gen Im­mo­bi­li­en, die sie kau­fen und zur Kir­che um­funk­tio­nie­ren, selbst­ver­ständ­lich mit Kli­ma­an­la­ge. „Dort gibt es Prunk und Kom­fort, das mö­gen die Leu­te“, sagt Nig­ge­mei­er. Al­lein die War­nung der Ka­tho­li­ken vor der Ge­schäf­te­ma­che­rei der Pfingst­kir­chen zieht nicht mehr, auch nicht der Ver­weis auf das so­zia­le En­ga­ge­ment der ka­tho­li­schen Kir­che, die sich für Ar­me und Aus­ge­sch­los­se­ne ein­setzt.

Dar­um gibt es im­mer mehr jun­ge Pries­ter, die schau­en, wie es die an­de­ren ma­chen, wie die Pfingst­kir­chen ih­re Gläu­bi­gen bei der Stan­ge hal­ten. Sie ha­ben er­kannt, dass den Men­schen ei­ne ein­fa­che Ba­ra­cke im Elends­vier­tel nicht mehr aus­reicht. Auch sie möch­ten den Mo­ment des Be­tens und Prei­sens lie­ber in ei­ner sc­hö­nen Kir­che ver­brin­gen. Was dar­um wächst, ist die cha­ris­ma­ti­sche Be­we­gung inn­er­halb der ka­tho­li­schen Kir­che. Es ist der Ver­such ei­ner Ant­wort auf das Wachs­tum der Pfingst­kir­chen. Bei den cha­ris­ma­tisch ge­präg­ten Kir­chen wird laut ge­sun­gen und ge­klatscht, es kom­men Gi­tar­ren und Schlag­zeug zum Ein­satz. Wo ka­tho­li­sche Pfar­rer Got­tes­di­ens­te le­ben­dig ge­stal­ten, nimmt die Re­so­nanz zu, sind die Kir­chen wie­der voll.

Punk­ten kann die ka­tho­li­sche Kir­che mit Hei­li­gen­ver­eh­rung und Ma­ri­en­gläu­big­keit, die für die Bra­si­lia­ner ei­ne gro­ße Rol­le spie­len. Das wich­tigs­te na­tio­na­le Ma­ri­en­hei­lig­tum liegt in Apa­re­ci­da. Rund zehn Mil­lio­nen Men­schen pil­gern je­des Jahr dort­hin. Als Bra­si­lia­ner, so heißt es, muss man ein­mal im Le­ben in Apa­re­ci­da ge­we­sen sein.


Von Le­na Flei­scher

Zu­rück zur Nach­rich­ten­über­sicht Ju­li/Au­gust 2014


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