Foto: Schwarzbach |
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Ein Bischof, der barfuß in die Hütten ging
Zum Tod von Moses Costa, Erzbischof von Chittagong, Bangladesch
Von Beatrix Gramlich
Es gibt Menschen, die trifft man nur ein paar Mal im Leben. Aber diese Begegnungen vergisst man nicht. Erzbischof Moses Costa war so einer: ein sanfter, zurückhaltender Mann mit Weitblick und feinsinnigem Humor, dessen Wärme und Herzlichkeit den ganzen Raum erfüllten. Ich lernte ihn vor sieben Jahren bei einer Recherchereise in Bangladesch kennen. Sein Bischofshaus in Chittagong war so heruntergekommen, dass er kurzerhand in ein kleines Haus umgezogen war, das er von einer muslimischen Familie gemietet hatte. Mit den bescheidenen Mitteln, die der Diözese zur Verfügung standen, baute er lieber Gesundheitszentren, Schulen und Internate.
Im Krankenhaus, einen Steinwurf vom Bischofshaus entfernt, zeigte er uns eine von der Kirche betriebene Station für unterernährte Kinder, deren Mütter dort gleichzeitig lernten, wie sie ihre Familien besser versorgen konnten. Die Ambulanz war das ganze Jahr über mit German Doctors besetzt: Freiwilligenärzte aus Deutschland, die jeweils drei Monate lang kostenlos hier arbeiteten und auch die Menschen in den Slums medizinisch versorgten.
Bischof Moses Costa, der dem Orden vom Heiligen Kreuz angehörte, stand unerschütterlich an der Seite der Armen, egal welche Religion sie hatten. Aber er wusste, dass er vorsichtig sein musste. 400 000 Katholiken sind in dem muslimischen 160-Millionen-Einwohner-Land Bangladesch eine verschwindende Minderheit, radikale Muslime seit Jahren auf dem Vormarsch. An Weihnachten beantragte der Bischof Polizeischutz für die Kathedrale.
Aufhalten ließ er sich trotzdem nicht. Immer wieder reiste er in die Hill Tracts, eine von der Regierung in Dhaka streng abgeschirmten Bergregion im Südosten des Landes. Die indigenen Volksgruppen dort, für die er sich besonders einsetzte, werden vom Staat systematisch unterdrückt und kämpfen seit Jahrzehnten um mehr Unabhängigkeit. Polizei, Militär und Geheimdienst sind allgegenwärtig und machen das kirchliche Leben schwer. Zu unserer Sicherheit begleitete Bischof Moses den Fotografen und mich persönlich in das Gebiet. Damit ich meinen schweren Koffer nicht mitzunehmen brauchte, hatte er mir seine Reisetasche geliehen. Wir fuhren mit einer alten Diplomatenkarosse, die er günstig hatte erwerben können. Die Standarten ließ er wohlweislich stecken: Bei den Beamten machten sie Eindruck, dem Bischof verschafften sie ein wenig mehr Freiheit.
„Meine Arbeit ist hier draußen“, sagte er. Er liebte es, in den einfachen Missionsstationen zu übernachten, in die kleinen kirchlichen Schulen oder zu den Menschen in die Dörfer zu gehen und mit ihnen zu reden. Ihre Hütten betrat er barfuß, nachdem er seine Gummisandalen vor der Tür abgestreift hatte. Die Menschen liebten ihn wegen seiner Einfachheit und Herzlichkeit. Er vertraute ihnen und beauftragte Laien in seiner Diözese mit allen wichtigen Aufgaben, für die kein Priester erforderlich war.
Als ich ihn im Herbst vergangenen Jahres bei seinem Besuch bei missio in Aachen fragte, ob er einen Journalisten in das Rohingya-Flüchtlingslager in seiner Diözese begleiten würde, um dort eine kontinente-Reportage zu recherchieren, stimmte er sofort zu. Kurz nachdem die beiden im März 2020 dort waren, wurde das Camp wegen Corona geschlossen.
Moses Costa war ein tief gläubiger, spiritueller Mensch, der zuhören konnte und den Dialog suchte – auch mit Muslimen. Klug verstand er es, den Christen Respekt zu verschaffen und das kirchliche Engagement auszuweiten. „Wir haben einen großartigen Freund verloren“, sagt Maulana Amjad Hossain, ein islamischer Geistlicher aus Chittagong.
Moses Costa war ein echter Hirte. Er starb am 13. Juli im Alter von 69 Jahren an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Sein Tod macht uns sehr traurig.
Er hörte vor allem zu
Von Sven Wagner
Die Reise in das Rohingya-Flüchtlingscamp (vgl. kontinente 4/2020 Reportage war eine der letzten Reisen von Bischof Moses Costa. Und auch hier standen für den Bischof vor allem drei Dinge im Vordergrund: Menschlichkeit, Dialog und Unterstützung für die Menschen, die sie am allermeisten brauchen. Häufig kommen hohe Repräsentanten der Regierung Bangladeschs, von internationalen Organisationen oder Prominente in das riesige Flüchtlingslager mit bis zu einer Million Menschen. Meist zwängt sich dann ein großer Tross von Menschen – inklusive Personenschützer, Berater und Medienteams – durch die engen und stickigen Gassen zwischen den Zelten der Flüchtlinge hindurch. Das hinterlässt immer auch den Eindruck von Schaulaufen und Scheinwerferlicht. Es entstehen gute Bilder, die das Image der wohltätigen Besucher stärken.
Moses Costa war das Gegenteil davon. Bei seinem Besuch war er oft abseits des Geschehens anzutreffen – weil er so unkompliziert mit den Menschen ins Gespräch kam. Er hörte vor allem zu und wollte all die Geschichten der leidgeplagten Menschen erfahren: Von der jungen Mutter, die mit ihrem Neugeborenen auf der Flucht tagelang im Dschungel umhergeirrt ist. Von der durch Krankheit geschwächten Witwe. Vom Familienvater, der sein ganzes Hab und Gut verloren hatte. Moses Costa fühlte mit, spendete Trost und gab Zuversicht – etwas, das diesen Menschen seit langer Zeit nicht mehr zuteil geworden war.
Und selbst nach einem langen, anstrengenden Tag in dem Flüchtlingslager bat er auf der Rückfahrt mitten durch eine abgelegene ländliche Gegend, kurz anzuhalten. Er führte mich, den Journalisten aus Deutschland, auf ein kleines Stück Land neben einem Feldweg und sagte: „Hier möchte ich noch in diesem Jahr eine Schule bauen. Denn weit und breit gibt es für Kinder aus den umliegenden Dörfern keinen Ort zum Lernen.“ Der Bischof steckte voller Visionen, die er für eine bessere Zukunft in die Tat umsetzte. Visionen, die fehlen werden.
Seine letzte Textnachricht schickte er mir im April dieses Jahres. Auf die Frage, wie die Corona-Situation im Südosten Bangladeschs sei, antwortete der Bischof: „Das Virus breitet sich aus. Lasst uns um den Segen Gottes bitten. Du bist in meinen Gedanken und in meinen Gebeten.“
Eine Reportage, eine Bildergalerie und ein Video erzählen vom
Engagement Erzbischof Costas in Bangladesch:
Sehen Sie hier die Bildergalerie
Sehen Sie hier das Video
Lesen Sie hier die Reportage „Brückenbauer in den Bergen“
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