Mönch im KampfMarcus Görl ist Benediktiner-Mönch und Karatetrainer. Seine Kampfkunst unterrichtet er sechs Mal
in der Woche im Kloster Königsmünster. Warum Karate weit mehr als ein Sport ist und wie sich diese
Kunst des Kämpfens mit seinem Leben als Mönch vereinbaren lässt, erzählt er in kontinente. |
Ich bin als Siebenjähriger zum Karate gekommen, mein Lehrer war Japaner. Mir hat das sehr gefallen, weil das Training sehr respektvoll abgelaufen ist, in einer Atmosphäre der Ruhe mit viel Meditation. Ich habe nie aufgehört, auch nicht, als ich Mönch wurde. Denn Karate ist nichts, was man mal ein Jahr macht, sondern am besten sein Leben lang.
Von meinen Mitbrüdern habe ich nie was Negatives gehört, im Gegenteil. Sie freuen sich, dass mein Übungsraum praktisch unter der Kloster-Kirche ist. Ich lehre ja nicht dieses verfälschte Karate, was man oft in Filmen sieht: Dachziegel zertrümmern, Treten und Schlagen, Wettkämpfe um Pokale…
Ein Kampf, der nach innen geht
Karate ist kein Kampfsport, sondern eine Kampfkunst! Es geht nicht um die Befriedigung des eigenen Ichs, um äußere Erfolge. Der Kampf geht nach innen: sich selbst betrachten und sich herausfordern. Ich nehme die Techniken des Karate, um innere Ruhe und Freiheit zu gewinnen, die Verteidigung ist zweitrangig. Deswegen meditiere ich auch mit den Kindern meiner Karateschule vor und nach dem Training.
„Kara“ bedeutet „leer“, „Te“ ist „Hand“ und „Do“ heißt „Weg“. Karate-Do, das ist der „Weg der leeren Hand“. Wir sind da: ohne Waffen, ohne Gewalt. Und so lebt auch der Mönch. Deshalb kann ich beides so gut verbinden. Karate kommt zwar aus Japan und ist aus dem Zen entstanden. Aber das Streben nach innerer Bescheidenheit und Höflichkeit als Lernprinzip für meinen persönlichen Lebensweg, das passt nicht nur für Zen-Buddhisten gut, sondern auch für einen Mönch.
Uns Benediktinern ist ja die „Leib-Sorge“ aufgetragen. Meine Mission ist es deshalb, jedem Schüler zu helfen, sein volles Potenzial zu erreichen. Ich möchte, dass sie offen und frei und lebensfähig werden. Aber weil ich nicht nur der „Sensei“, der Karatelehrer, sondern auch im Kloster bin, muss ich aufpassen, dass sie mich nicht als Guru auf ein Podest stellen. Deshalb sage ich immer zu meinen Schülern: Ich bin hier Mensch, und wir trainieren zusammen. Und nicht: Ich trainiere euch.
Mit Karateschülern über den Glauben sprechen
Als ich vor einem Jahr mit der Karate-Schule ins Kloster umgezogen bin, haben sich meine Schüler total gefreut. Das Wort für den Übungsraum, „Dojo“, bedeutet „Ort der Weg-Übung“. Es ist ein Ruheraum für die Schüler. Und dass der in einem Kloster ist, gibt dem Ganzen noch mal einen weiteren Rahmen. Wenn hier 80 Kinder in weißen Karate-Anzügen vor der Kirche herumwirbeln, und ihre Eltern dazukommen – das sind Begegnungen, die uns Mönchen in der Abtei Freude machen.
Weil ich Mönch bin, kann ich mit meinen Schülern auch über den Glauben sprechen. Das kommt sogar oft vor. Die Frage nach Sinn, was ist Gott, was ist sterben: Das sind die Themen gerade auch der älteren Jugendlichen. Mir ist wichtig, allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in meinem „Dojo“ einen Raum zu geben. Ich bin nur der Mentor. Ich will sie begleiten und ihnen sagen: Lass uns das zusammen meistern.
Mein Leben soll ihnen ein Vorbild sein. Gerade in der Kirche brauchen wir das doch: Vorbilder, die das leben, was sie sagen und andere damit anstecken. Eine Mission gegen die Vertrauenslosigkeit, die es in der Kirche gibt.
Aufgezeichnet von Christina Brunner; Fotos: Abtei Königsmünster
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Zur Person
Bruder Marcus Görl, 44, ist zuständig für die EDV in der Abtei Königsmünster und im Benediktiner-Gymnasium in Meschede im Sauerland. Sechs Mal pro Woche unterrichtet er in seiner Karateschule im Kloster. Mit sieben Jahren hat er begonnen, diese Kampfkunst zu erlernen und hat sie immer weiter betrieben, auch als er ins Kloster eingetreten ist. Heute unterrichtet der Mönch Kinder in seiner Karateschule.
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