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Meine Mission
Die Feuerwehr-Nonne
Schwester Andrea Stadermann, 58, absolvierte eine Lehre zur Buchbindern, bevor sie mit 23 Jahren den Benediktinerinnen beitrat. Seit 1987 lebt sie in der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim. Hier erzählt sie von ihrer Leidenschaft als Feuerwehrfrau:
Bei uns im Kloster ist es wie in einer großen Familie: Man arbeitet dort, wo gerade jemand gebraucht wird. Ich bin sehr praktisch veranlagt, war schon als Buchbinderin und Winzerin im Einsatz. Jetzt kümmere ich mich um die Haustechnik. Zur Feuerwehr kam ich erst nach meinem 50. Geburtstag. Es wurde eine Nachfolgerin für eine ältere Mitschwester gesucht, die sich um Brand-schutz kümmerte. Ich habe mich gemeldet. Für mich war klar, dass ich nicht nur die Theorie lernen, sondern mich auch praktisch einsetzen möchte – bei der Feuerwehr.
Das war natürlich „das Ereignis“, als ich als erste Frau - und noch dazu als Ordensschwester - zur Eibinger Feuerwehr kam. Ich hatte da keine Berührungsängste, und meine Feuerwehrkameraden haben mich freundlichst aufgenommen. Jetzt sind wir zwei Feuerwehrfrauen, und ich hoffe, dass wir noch weibliche Verstärkung bekommen. Dann müsste sich aber eine Lösung für die Umkleide- kabine finden: Momentan ziehen wir Frauen uns in einem Abstellraum um.
Mittlerweile bin ich Hauptfeuerwehrfrau. Meinen Piepsen trage ich immer am Gürtel. Es kommt schon vor, dass der Alarm losgeht, wenn ich in der Kirche bin, und ich daraufhin hinausrase. Daran haben sich meine Mitschwestern gewöhnt. Sie beten immer, wenn ein Einsatz stattfindet und schätzen mein Engagement. Natürlich hat es auch einen Vorteil für uns im Kloster, wenn sich jemand mit Rauchmeldern auskennt.
Bei Einsätzen begegne ich Menschen in Extremsituationen, Leuten aus dem Ort, die ich kenne und die in Not geraten. Dadurch entsteht eine intensive Verbindung, nicht nur zwischen den Menschen und mir, sondern auch zwischen dem Kloster und der Bevölkerung - auch abseits der Einsätze: Einmal im Jahr findet das Feuerwehrfest statt, da bediene ich immer. Für die meisten ist das ein ungewohntes Bild, wenn die Nonne Essen und Trinken serviert – aber auch eine tolle Gelegenheit, um mal anders in Kontakt zu kommen.
Den Alarm-Pieper immer am Gürtel
Als Feuerwehr-Schwester möchte ich etwas von meinem Leben mit Gott zu den Menschen tragen – nicht mit Worten, sondern allein durch mein Dasein. Nach schlimmen Einsätzen sprechen meine Kameraden und ich offen über das ,was wir erlebt haben. Ich würde mich zwar nicht so bezeichnen, aber da kann ich ein bisschen als Seelsorgerin fungieren. Ich sehe da rin eine große Chance, Kirche mal anders zu verkörpern. Die wenigsten meiner Kameraden sind kirchlich sozialisiert. Sie sind aber sehr an meinem Leben als Ordensschwester interessiert und fühlen sich auch verbunden mit unserem Kloster: Sie übernehmen zum Beispiel mit Begeisterung den Parkordnungsdienst, wenn wir Tag des Offenen Denkmals haben. Das berührt mich sehr.
Ich bin schon fast im Rentenalter, was die Feuerwehr anbelangt. Mit 60 ist normalerweise Schluss. Es gibt die Möglichkeit zu verlängern. Ich weiß nicht, ob ich das mache, werde aber bei meinen Mitschwestern auf Werbetour gehen. Vielleicht findet sich ja eine Nachfolgerin.
Aufgezeichnet von Pia Scheiblhuber
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