50 Jahre gemeinsam unterwegsUnsere Zeitschrift kontinente feiert 50-jähriges Bestehen. Ludwig Ring-Eifel,
einst kontinente-Chefredakteur und nun Chefredakteur der Katholischen
Nachrichtenagentur (KNA), über die wechselhafte Geschichte. |
Von Ludwig Ring-Eifel
Ziemlich genau 20 Jahre ist es nun her, seit ich die Chefredaktion von kontinente abgegeben habe, um 1996 als Vatikan-Korrespondent für die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nach Rom zu gehen. Ich erinnere mich noch genau, wie schwer es mir damals – trotz der verlockenden neuen Aufgabe – fiel, von kontinente wegzugehen.
Kurz zuvor hatten wir Pater Elmar Piller in Knechtsteden zu Grabe getragen, einen der zu meiner Zeit noch aktiven Gründer des ordensübergreifenden Missionsmagazins. Nicht erst bei dieser Beerdigung spürte ich, dass kontinente mehr war als bloß eine Zweckgemeinschaft von seinerzeit 24 Orden in der Missions-Publizistik. Wir waren eine Art Familie. Es gab die Älteren und die Jüngeren, man stritt und versöhnte sich, man feierte und trauerte gemeinsam. Diesen Kreis zu verlassen, war schmerzlich.
Rückblicke bringen es mit sich, dass man im Nachhinein manches beschönigt, weil man die Dinge im verklärenden, etwas unscharfen Licht der Vergangenheit sieht. Das will ich an dieser Stelle so weit wie möglich vermeiden. Die Geschichte von kontinente kann nicht erzählt werden, ohne an Konflikte und Misserfolge zu erinnern, die es – wie in jeder Familie – eben auch gab.
Als ich 1992 zum Chefredakteur berufen wurde, war das Magazin in einer Krise. Unter meinem Vorgänger Pater Johannes Henschel hatte sich ein nicht offen ausgetragener, aber doch unübersehbarer Richtungsstreit breit gemacht. Die einen wollten das Magazin stärker in Richtung eines politisch linken „Eine-Welt-Magazins“ weiterentwickeln, doch die meisten verstanden den damals noch im Untertitel formulierten Anspruch, ein „Magazin für eine missionarische Kirche“ zu machen, anders: Ihnen ging es um die Verkündung des christlichen Glaubens, natürlich verbunden mit tätiger Nächstenliebe und Entwicklungshilfe, aber eben doch mit einem anderen Anspruch als dem bloßen „Eine-Welt-Denken“ und der Kritik am Kapitalismus.
Der Konflikt wirkte sich auch in der Leserschaft aus. Viele langjährige Leser kündigten ihr Abonnement unter Protest, weil sie mit papstkritischen oder linkslastigen Texten nicht einverstanden waren. In der Redaktion und im Herausgebergremium von kontinente bildete sich damals ein Streit ab, der auch auf weltkirchlicher Ebene ausgetragen wurde: Im Streit zwischen Papst Johannes Paul II. und Kardinal Josef Ratzinger auf der einen Seite und Befreiungstheologen wie Leonardo Boff oder weiten Teilen des Jesuitenordens auf der anderen.
Ein damals sehr aktiver journalistischer Mitarbeiter entschied sich konsequent für die Marschrichtung nach links und führte – damals auf der Rückseite des Magazins – den zusätzlichen Slogan „kontinente eckt an“ ein. Ich selbst nahm als Chefredakteur eine zwischen beiden Polen vermittelnde Position ein und brachte auch wieder vermehrt „geistliche“ Inhalte ins Heft. Erst in der Rückschau nach 20 Jahren erkenne ich, dass ich damals die Chefredaktion von kontinente gewissermaßen in der „midlife-crisis“ des Magazins übernommen hatte. Die heldenhaften Zeiten der Gründerphase waren noch in den Erzählungen der Mitwirkenden präsent. Man erinnerte sich an die ersten drei Jahre von 1966 bis 1968, als die Zahl der Mitgliedsorden von anfangs 13 rasch auf über 20 stieg. Es waren die beinahe euphorischen Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965), in Afrika war das zugleich die Phase der Entkolonialisierung. In Europa begann man, die „Dritte Welt“ mit ganz neuen Augen anzuschauen. Die „Nickneger“ verschwanden, die revolutionären Freiheitskämpfer in Lateinamerika und Afrika wurden bewundert. Die Auflage von kontinente stieg damals rasch: Zum einen, weil viele neue Orden hinzukamen, zum anderen, weil man in gemeinsamen Werbeaktionen bei Sonntagsgottesdiensten Dutzende von neuen Abonnenten gewann.
Die Zeit der Zuwächse war jedoch in den 1990er Jahren schon lange vorbei. Die verkaufte Auflage ging selbst bei den traditionell „starken“ Mitgliedsorden wie den „Weißen Vätern“, den Comboni-Missionaren oder den Kapuzinern kontinuierlich zurück. Dasselbe geschah mit der Zahl der Kirchgänger und der Neueintritte in die missionarischen Ordensgemeinschaften. Gleichzeitig taten sich neue Horizonte auf: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs entdeckten auch die Orden den weitgehend heidnisch gewordenen deutschen Osten. Pater Henschel zog damals zusammen mit zwei weiteren Patres nach Graal-Müritz und begann in Mecklenburg eine Art Strandkorb-Mission. Auch Mitglieder anderer Orden, die bei kontinente mitmachten, engagierten sich im Osten, wenn auch mit bescheidenem missionarischen Erfolg. Und in der kontinente-Redaktion – damals noch in Köln am Ursulaplatz – feierten wir die erste Abonnement-Bestellung aus der ehemaligen DDR.
Auch technisch und gestalterisch gab es Krisen. Eine Besonderheit von kontinente bestand und besteht darin, dass jede mitmachende Gemeinschaft einen eigenen Innenteil gestaltet. Im Redaktions-Jargon taufte man sie die „Proprien“, abgeleitet vom lateinischen Wort „proprium“ (Eigenes). Während sich der gemeinsame Mantelteil dank computer-gestütztem Layout und Hochglanz-Farbdruck von Jahr zu Jahr weiterentwickelte, blieben die Innenteile der Orden lange Zeit noch in Umwelt-Grau und Schwarzweiß hinter der graphischen Entwicklung zurück. Erst ab 2006, als kontinente mit der Zeitschrift „missio aktuell“ des Hilfswerks missio in Aachen unter dem gemeinsamen Titel kontinente fusionierte, wurde der Weg frei zum durchgehenden Farbdruck und einer professionelleren Gestaltung auch der Innenteile.
Trotz vielfältiger Veränderungen ist bei kontinente manches konstant geblieben. Nach wie vor ist es ein länder- und ordensübergreifendes Magazin mit einer Leserschaft von Südtirol bis Sylt. Noch immer halten die Missionare über den Eigenteil ihres Ordens den wichtigen Kontakt zu ihren Familien und zu den Spendern. Auch die für kontinente typische Mischung aus genau beobachteten und einfühlsam fotografierten Reportagen, verständlichen Länder-Informationen, Glaubensinhalten und Meinung ist geblieben. Sie macht das Magazin einmalig in der deutschen Medienlandschaft.
Und noch immer ist es bei kontinente selbstverständlicher als anderswo, dass die Kirche weltumspannend und die Welt nur eine einzige ist. Mittlerweile ist bei den Spiritanern mit Samuel Mgbecheta erstmals ein aus Afrika stammender Pater verantwortlicher Redakteur für den Eigenteil des Ordens im kontinente-Magazin. Bemerkenswert ist daran eigentlich nur die Tatsache, dass es so lange gedauert hat, bis es endlich so weit war.
Hier können Sie mehr zum kontinente-Jubiläum erfahren.