Von unechten Klöstern halte ich nichtsWolfgang Scheidtweiler ist Unternehmer mit Herz. Er kauft Brauereien und Firmen auf, um
sie vor der Insolvenz zu retten. Bisher immer mit Erfolg. Nun hat er eine neue Passion.
Zusammen mit einem Ordensmann rettet „Mister Gottvertrauen“ drei alte Klosteranlagen. |
Was um Gottes Willen bringt einen Menschen dazu, alte Klöster zu kaufen?
Wir erwerben sie nicht, wir übernehmen sie in Erbpacht. Das Kloster muss letztlich dem Orden oder der Kirche erhalten bleiben. Vielleicht brauchen sie die Klosteranlage irgendwann wieder zurück. In den Verträgen steht, dass wir jederzeit wieder aussteigen, wenn das gewünscht wird – natürlich gegen Erstattung dessen, was wir substanziell erneuert haben.
Wie kam es dazu, dass Sie gleich drei Klöster retten wollen?
Gerade in der Eifel, die streng katholisch war und noch ein bisschen ist, sind die Klöster besondere Orte. Ich stamme aus einer katholischen Familie in der Eifel. Gottvertrauen war und ist mein Lebensmotor, mein Halt auch in schwierigen Situationen im Leben. Mit diesem Gottvertrauen habe ich die Salvatorianer angesteckt, als im Kloster Steinfeld Ende 2014 eine Insolvenz ihrer Biogasanlage drohte. Die Patres wollten damals sogar das Kloster aufgeben und verkaufen. Binnen 14 Tagen haben der Provinzökonom der Salvatorianer, Pater Lambertus Schildt, und ich eine Lösung gefunden und die Insolvenz zurückgedreht. Heute gehört alles dem Orden.
Was erwarten Sie dafür im Gegenzug von den Orden?
Meine Bedingung für die Erbpacht war: Von unechten Klöstern halte ich nichts. Ich will nur echte Klöster mit echten Ordensleuten. So konnte ich die Salvatorianer überzeugen, in Steinfeld zu bleiben. In einem zweiten Schritt haben wir den direkt benachbarten Benediktinerinnen das Kloster abgekauft. Nachdem die Schwestern das Haus verlassen haben, steht nun fest, dass in diesem Jahr die Trappistinnen der Abtei Maria Frieden in Dahlem ins Steinfelder Benediktinerinnen- Kloster ziehen werden. Schließlich ist in diesem Jahr auch das Kloster Mariawald hinzugekommen, nachdem die Trappistengemeinschaft dort aufgelöst wurde. Für die Abtei bin ich aber noch auf der Suche nach einem Orden. Aber ich sage gleich dazu: Ich kann nicht alle Klöster retten.
Welchen Plan haben Sie? Wird neben jedem Kloster ein Golfplatz entstehen?
Nein, wir haben mehr als 30 Jahre Hotel und Gastronomieerfahrung. Unser Konzept für Steinfeld und Mariawald sind Gästehäuser. Die Menschen suchen heute solche Orte mit besonderer Geschichte und Ausstrahlung. Die Anlagen sind einfach ein Traum. Diese Klöster nicht zu erhalten, wäre eine Sünde. In Steinfeld haben wir bis heute bereits mehrere Millionen Euro investiert, und alles hat sich bestens gefügt. Wir hatten bis zum Ausbruch der Pandemie phänomenale Zahlen. Es kamen Tausende Gäste als Wanderer auf dem Eifelsteig, als Teilnehmer der Akademie-Veranstaltungen oder als Tagungsgäste.
Also wollen Sie viel Geld mit den Klöstern verdienen?
Ich bin kein Investor, der nur investiert, um Geld zu verdienen. Ich bin aber auch kein Mäzen, der das Geld, das er an anderer Stelle verdient, großzügig in altes Kulturgut steckt. Ich bin Unternehmer. Mein Ziel ist Nachhaltigkeit, ich will etwas erhalten. Mir geht es darum, altes Kulturgut über einen Zeitraum hinüberzuretten, in dem es vermeintlich nicht gebraucht wird. Mir geht es um den Erhalt von Braukunst, Burgen, Schlössern oder jetzt erst recht auch Klöstern. Zum Beispiel beim Bier: Bier braucht Heimat. Es muss da gebraut werden, wo es herkommt. Deshalb rette ich kleine und mittlere Brauereien. Mit der Bewahrung solcher Kulturgüter kannst du kein schnelles Geld machen. Wir sind damit aber sehr erfolgreich. „Geht nicht, gibt’s nicht“, ist unser Motto. So werden wir auch die alte Klosterbrauerei in Steinfeld wieder zum Leben erwecken.
Wie gehen Sie dabei vor? Sie können nicht gleichzeitig in allen Betrieben sein.
Wir kümmern uns um jede Kleinigkeit. Wir sind keine Wirte, wir sind Brauer. Wir fragen uns: Wie hätte ich es gerne als Gast, wenn ich hier sitze und esse und trinke? Oder im Hotel: Wir testen selbst die Matratzen und Bettdecken in unseren Gästezimmern. Wir fragen uns als Verbraucher, wie er es gern hätte. Das ist unsere Philosophie. Ich schiele nie auf Gewinnmargen. Wir investieren so viel wie nötig, damit es ein tolles Haus wird. Dann läuft’s auch. Das geht, weil wir ein Familienunternehmen sind, zu dem auch Tochter, Schwiegersohn und Patensohn gehören. Es geht nur mit Familie und mit unseren großartigen Mitarbeitern. Das trägt.
Gibt es auch eine Art missionarische Motivation für Ihr Engagement?
Uns geht es besser als 90 Prozent aller Menschen. Unsere Talente zum Wohle anderer einzusetzen, das ist doch unsere Aufgabe. Wir unterstützen auf den Philippinen das Fatima-Center mit einem Kinderheim augustinischer Schwestern. Ich bin ein passionierter Rotarier. Was überall zählt, ist die Nächstenliebe. Mein Bruder hat übrigens aus Dankbarkeit für sein langes Leben die Bruder-Klaus-Kapelle in Wachendorf von dem Schweizer Architekten Peter Zumthor erbauen lassen. Die Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat einst über dieses Kunstwerk geschrieben, es sei der spirituellste Ort, der nach dem Zweiten Weltkrieg erschaffen wurde. Mit den Einnahmen aus den Führungen zur Kapelle unterstützt die Familie die Indien-Hilfe.
Bereitet Ihnen die Corona-Pandemie große Sorgen?
Existenzangst habe ich nicht, obwohl ich sie vielleicht haben müsste. Wir haben durch Corona die Arbeit von zwei bis drei Jahren verloren. Aber die Welt dreht sich weiter. Ich mache mir viele Gedanken, was ich nach Corona als Unternehmer anders machen muss. Wir haben im vergangenen Jahr einen hohen Millionenbetrag weniger Umsatz gemacht. Das ist viel Geld. Wir haben zwar staatliche Hilfen beantragt und erhalten, leben aber von der Substanz. Wir mussten bisher keinen unserer 700 Mitarbeiter entlassen. Die Planlosigkeit der Politik verunsichert die Leute. Jetzt kommt noch der Wahlkampf dazu … Aber irgendwie geht es weiter. Es ist wie bei den Vögeln des Himmels: Sie säen nicht, sie ernten nicht, aber der Vater ernährt sie trotzdem (vgl. Mt 10,29).
Interview und Fotos: Franz Jussen
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Zur Person
Wolfgang Scheidtweiler, 74, ist Bierbrauer, Diplom-Braumeister und Diplom-Ingenieur. Die Scheidtweiler-Gruppe seiner Familie betreibt zwischen Konstanz und der Eifel mehrere Brauereien und Hotels sowie einen historischen Gasometer mit einem 360-Grad-Panorama. Der in Godesberg geborene Scheidtweiler ist im Eifelort Wachendorf aufgewachsen und lebt mit seiner Frau Andrea, die er während des Studiums in Weihenstephan kennenlernte, in Pforzheim. Sie ist die gute Seele an seiner Seite: „Ohne sie wäre ich das alles nicht“, sagt Wolfgang Scheidtweiler. |
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