Wir brauchen den Wind einer geschwisterlichen Kirche!Sabine Slawik ist Präsidentin der Europäischen Allianz katholischer Frauenverbände ANDANTE
und KDFB-Vizepräsidentin von Bayern. Im kontinente-Innterview erzählt sie von ihrer Vision
für die Kirche im Jahr 2070, in der Gemeinden lebendig sind und Frauen am Altar stehen. |
Die Kirche der Zukunft – wie soll die aussehen?
Ich wünsche mir, dass wir in 50 Jahren mehr zu einer geschwisterlichen Kirche geworden sind und endlich Schritte gemacht haben für all die Frauen, die die Berufung in sich spüren und das Priesteramt auch gerne ausüben würden. Vielleicht werden wir noch keine Priesterinnen am Altar haben. Aber wenigstens Diakoninnen!
Die Gemeinden werden ja sicher viel kleiner sein …
Ich wünsche mir lebendige Gemeinden, deren Zusammenhalt nach außen deutlicher sicht- und spürbar ist. Zudem bedingt das zunehmende Kleinerwerden das gegenseitige Miteinander. Diese Gemeinden können sehr lebendig sein! Und für die Strahlkraft nach außen müssen neue Formen gefunden werden beziehunsweise eine Offenheit für neue Formen bestehen. Da darf man sich nicht allein mit den Gottesdiensten in den Kirchen zufrieden geben, sondern muss sehr viel mehr hinausgehen. Jesus ging hinaus– er blieb für und mit seinen Botschaften nicht im Tempel.
Sehen Sie schon Entwicklungen in die Richtung?
Das Zweite vatikanische Konzil ist für mein Dafürhalten noch nicht in der Fülle, die es bietet, umgesetzt worden. Das ist die erste große Chance: Zu sehen, was davon noch umgesetzt werden und wer wo mitgenommen werden kann und muss. Wer kann gewonnen werden kann, der bisher viel zu wenig gesehen wurde? Dadurch könnten auch die Priester mehr Raum für ihren Bedarf an Seelsorgeaufgaben haben. Ich hoffe, dass die Chancen und Talente, die Menschen mitbringen, sehr viel mehr genutzt werden. Wir brauchen den Wind einer geschwisterlichen Kirche!
Welche Schritte brauchen wir bald?
Wir brauchen mehr Teilhabe in der Kirchengemeinde. Es ist ja gut, wenn Positionen in den bischöflichen Verwaltungen von mehr Frauen besetzt werden können. Aber das reicht nicht aus für ein lebendiges Leben der Gemeinde vor Ort. Die Gemeinde darf nicht müde werden, sich einzubringen. Und die Priester sollten das Ehrenamt bestärken, statt die Kirchenräume zu verschließen oder Hindernisse aufzustellen, kritische Stimmen – egal ob von Seiten der Jugendarbeit oder von Frauen kommend - als Chance zu sehen, miteinander ins Gespräch und Tun zu kommen.
Ich wünsche mir auch, dass die weltweiten und schon über viele Jahre bewährten Bewegungen der Frauen in der Kirche viel mehr Interesse finden und nicht als reine Frauenaktivität gesehen werden! Es ist eine Initiative von Frauen für Frauen, unterstützt von Männern und Frauen in einer verletzlichen Welt. Das sollte gesehen und vor Ort aktiv unterstützt werden. Neben der Frauengebetskette im Weltmissionsmonat Oktober ist dies vor allem auch der Weltgebetstag der Frauen - eine Graswurzelbewegung der Frauen in den christlichen Kirchen seit über 130 Jahren.
Sie sind ja auch Präsidentin von ANDANTE, der Allianz der europäischen Frauenverbände und -organisationen. Gibt es in ganz Europa diese Unruhe bei den Frauen, das Gefühl: Kirche muss sich bewegen, damit es eine Zukunft gibt?
Ja. In den westeuropäischen Ländern ist die Unruhe größer – und damit verbunden leider zunehmend die Bereitschaft zum Austritt. In Osteuropa beginnt hier etwas zu wachsen. Hier ist prinzipiell vieles mit Blick auf Gleichberechtigung erst im Entstehen, seit Frauen an den Universitäten den Zugang zum Studium der Theologie erhalten haben. Auf der anderen Seite sind die Menschen in Osteuropa oft sehr viel mehr damit beschäftigt ihr Überlegen zu sichern und bezahlte Arbeit zu haben.
Manche Dinge werden hier auch einfach dem Volk Gottes vorenthalten, wenn zum Beispiel der Zugang zu den päpstlichen Schreiben fehlt, da diese schon in der Verkündigung ausgeklammert werden. Es fehlt dort noch mehr als bei uns an Freiheit! Dazu kommt: Mit dem Fall des Kommunismus sind die kleinen christlichen Gemeinschaften, die sich meist im Untergrund getroffen hatten, auseinandergebrochen, weil plötzlich eine hierarchische Struktur entstand. In der Untergrundkirche waren alle gleich – egal ob Priester, Mann oder Frau! Mit der Öffnung und der Chance, sich zeigen zu können sind plötzlich Unterschiede spürbar geworden. Das ist sehr schwer für all diejenigen, die in dieser Zeit die Stärke des gemeinsamen Glaubens und Austausch der Glaubenserfahrungen erlebt haben. Und: Die Frauen sind dort oftmals noch deutlich zurückhaltender in der Kritik und im Hinterfragen.
Doch auch hier gibt es Bewegung - und das weltweit, wie ich in der Bewegung CWC und Voices of Faith sogar im weltweiten Kontext erleben konnte. Frauen sind überall in den Kirchengemeinden in der Mehrzahl und wollen auch als solche wahrgenommen werden – mit all ihren Anliegen, Bedürfnissen und Talenten. Sie wollen mit den Männern gleichberechtigt auftreten können und nicht auf diakonisches Handeln außerhalb des Kirchengebäudes reduziert werden.
Mein ganz großer Traum wäre ja, dass die Kirchen wieder voller sind! Es gibt viele gläubige Menschen, Menschen mit einer großen Sehnsucht! Wenn hier Bewegung in die Strukturen kommt, kann Neues aus dem Glauben heraus und darauf festigend entstehen. Dafür bedarf es der einladenden, aktiven Gemeinden. In der Struktur zu verharren, sich darauf zu berufen oder gar zurückzuziehen, elitär zu werden – das ist für mich nicht katholisch!
Interview: Christina Brunner; Foto: KDFB
Zur Person
Sabine Slawik ist Präsidentin der Europäischen Allianz katholischer Frauenverbände ANDANTE und Vizepräsidentin des Katholische Deutsche Frauenbundes (KDFB) von Bayern.
Zurück zur Themenseite Zukunft der Kirche
Zurück zur Nachrichtenübersicht Januar/Februar 2021