Monsignore Sébastian Mongo Behon. Foto: Werner |
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Interview zum Krieg in Zentralafrika
"Strukturen der Versöhnung aufbauen"
Monsignore Sébastian Mongo Behon, Generalsekretär der Bischofskonferenz von Kamerun, spricht im Interview mit kontinente über die Lage in Zentralafrika und die Situation der Flüchtlinge, die Schutz in Kamerun suchen.
Was ist im Blick auf die Situation in der Zentralafrikanischen Republik Ihre größte Sorge?
Wir sind besorgt um die Flüchtlinge, die die Zentralafrikanische Republik verlassen haben und nach Kamerun gekommen sind. Das sind 100.000 mittlerweile. Vor allem im Osten haben wir eine Flut von Flüchtlingen, die alles hinter sich gelassen haben und die in Kamerun das „gelobte Land“ sehen, weil hier – noch – Frieden herrscht. Kamerun ist bereit, sie aufzunehmen, aber es ist eine Herausforderung für uns. Die Flüchtlinge leben unter sehr schlechten Bedingungen. Sie haben kein Einkommen, kein Essen, keine Unterkunft. Viele Gemeinden und Familien haben ihre Häuser geöffnet, um die Flüchtenden aufzunehmen, und sie bringen große Opfer, um nicht nur ihre eigenen Familien sondern zusätzlich auch noch die Flüchtlinge zu ernähren. Besorgt sind wir auch im Blick auf die gesundheitliche Situation. Das Risiko, dass sich Mangelernährung, Cholera und Infektionen ausbreiten, steigt. Die Flüchtlinge müssen oft unter mangelhaften hygienischen Bedingungen leben, sie können bei Krankheit nicht entsprechend behandelt werden.
Wie ist es um die Sicherheit bestellt?
In den nördlichen Provinzen Kameruns versuchen bewaffnete Gruppen, den Frieden zu destabilisieren. Waffen kommen unkontrolliert ins Land. Die Menschen in Kamerun fühlen die wachsende Unsicherheit, sie sind angespannt und haben Angst.
Was kann die Kirche in einer solchen Situation tun?
Vor allem soll die Kirche das Evangelium den Armen, Unterdrückten, Kranken und den Flüchtlingen, die Unterschlupf in Kamerun suchen, verkünden. Und zwar nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis. Die Kirche von Kamerun hat Botschaften an die Schwesternkirchen in Nigeria und der Zentralafrikanischen Republik geschickt, um sie zu bestärken, damit sie weiterhin Vertrauen in Gott haben. Außerdem haben wir so genannte Gesten der Solidarität organisiert wie die Kollekte in allen Pfarreien des Landes, die umgerechnet 25.000 Euro gebracht hat. Damit wollen wir dem Volk in unserem Nachbarland unsere Solidarität ausdrücken. Die Bischofskonferenz von Kamerun setzt sich dafür ein, dass es einfache und schnelle Kontakte zu der Kirche in der Zentralafrikanischen Republik gibt, die Hilfe erleichtern können.
Ist das Leben der Priester und Bischöfe in der Zentralafrikanischen Republik weiterhin bedroht?
Ja. Zwar ist der entführte Bischof von Bossangoa nach einer Nacht wieder freigelassen worden, aber einen anderen Priester, Christ Forman Wilibona, hat man getötet. Die Priester und Bischöfe leben in Gefahr.
Welche Auswirkungen hat der Krieg auf die Umwelt?
Illegaler Holzabbau nimmt ebenso zu wie die Ausbeutung der reichen Erdöl-, Uranium- und Goldvorkommen. Die Zentralafrikanische Republik hat das Recht und die Pflicht, eine unabhängige Republik zu werden. Sie ist ein reiches Land mit dem Potenzial, sich selbst zu versorgen.
Was ist Ihrer Meinung nach die Quelle des Konflikts?
Die Ursprünge des Konflikts liegen weit zurück. Er hat seine Ursache im Kolonialismus. Die Menschen haben genug von der Präsenz ausländischer Kräfte in Zentralafrika, die die reichen Ressourcen ausbeuten. Lange schon schmorte der Konflikt, jetzt ist die Lage eskaliert. Ausländische Zeitungen und Regierungen versuchen, das Ganze wie einen Religionskrieg zwischen Christen und Muslimen aussehen zu lassen. Sie berichten vor allem von Kämpfen zwischen den christlichen Rebellen Anti-Balaka und den muslimischen Ex-Séléka. Aber es ist kein Religionskrieg. Der Imam von Banui übernachtet derzeit im Haus des Erzbischofs von Banui. Imam und Bischof leben unter einem Dach. Ursprünglich gab es keine Konflikte zwischen Christen und Muslimen. Fremde, die mit ihren Ideologien ins Land kamen, haben versucht, die Völker zu spalten.
Gibt es christlich-muslimische Initiativen, die sich für Frieden einsetzen?
Ja, die gibt es. Zum Beispiel auf Ebene der Bischofskonferenz von Kamerun. Acadir, die interreligiöse Kommission, vereint Katholiken, Protestanten, Orthodoxe und Muslime. Alle arbeiten zusammen, um Botschaften nach Zentralafrika zu schicken.
Was muss geschehen, damit sich die Zentralafrikanische Republik stabilisieren kann?
Was die Kirche betrifft: Wir müssen beten. Jeder muss für Frieden beten, den Frieden in sich selbst und in der Gesellschaft. Zweitens ist wichtig, dass wir nicht mit Steinen nach den anderen werfen. Egal ob Anti-Balaka oder Ex-Seleka, jeder sollte sich fragen, was er dazu beigetragen hat, dass sich die Lage so verschlechtern konnte. Die Kirche möchte, dass Strukturen der Versöhnung aufgebaut werden, mit denen das Land aufgebaut werden kann zum Wohle aller. Dazu müssen sich alle Nachbarländer verbünden.
Das Interview führte Eva-Maria Werner.
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